Gynäkologin ignoriert Mammografiebefund – 20.000,00 €

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Im März 2016 kam meine Mandantin zur Beratung, ob in ihrem Fall überhaupt eine Chance besteht, einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Behandlungsfehler geltend zu machen. Sie berichtete, dass sie im Jahr 2013 eine nussgroße verhärtete Stelle an ihrer Brust gefühlt hatte. Das zeigte sie ihrer Frauenärztin, die dazu meinte, es könne sich auch um festes Bindegewebe handeln.

Bei der nächsten Untersuchung im Jahr 2014 war die Stelle schon handtellergroß, aber ohne fühlbaren Knoten, weshalb sie sicherheitshalber zur Mammografie geschickt wurde. Dort wurde der Patientin gesagt, dass es sich weiterhin um festes Bindegewebe handeln könne, der genaue Befund aber erst nach Auswertung feststehe. Da sie nichts mehr davon hörte, glaubte die Mandantin gerne an das feste Bindegewebe und ging erst im August 2015 wieder zur Routineuntersuchung zu ihrer Frauenärztin.

Von der Gynäkologin wurde sie diesmal nach Befragung auf eventuell vorliegende familiäre Krebserkrankungen erneut zur Mammografie sowie auch Sonografie überwiesen. Dort wurde ihr von den Schwestern zur Begrüßung vorgehalten, dass die Mammografie bereits ein halbes Jahr zuvor fällig gewesen wäre, weshalb jetzt nur eine Sonografie durchgeführt werde. Die völlig geschockte Patientin konnte nur versichern, dass sie den Termin selbstverständlich wahrgenommen hätte, wenn ihr mitgeteilt worden wäre, dass und in welchem Zeitraum der Befund kontrollbedürftig ist.

Letztlich wurden Mammografie und Sonografie vorgenommen, mit der Beurteilung ACR IV bds., BI-RADS IV re., also wahrscheinlich bösartig. Dementsprechend wurde eine Stanzbiopsie durchgeführt, die ein mäßig differenziertes invasives Mammakarzinom NST mit herdförmiger apokriner Differenzierung im oberen äußeren Quadranten, B b-Klassifikation ergab. Mit der dann folgenden Chemotherapie wurde zunächst versucht, den Tumor zu verkleinern, aber die Brustabnahme konnte nicht mehr verhindert werden.

Bei der juristischen Prüfung auf Behandlungsfehler stellte sich heraus, dass bereits der erste Mammografiebefund die eindeutige Anweisung enthielt, dass eine Mammografiekontrolle in spätestens drei Monaten angeraten wird. 

Da meine Mandantin weder angeschrieben noch telefonisch zur Wiedervorstellung aufgefordert wurde, kam sie erst nach einem Dreivierteljahr von selbst wieder zur Kontrolle. Dadurch entstand eine Behandlungsverzögerung von sechs Monaten, die als grober Organisationsfehler der Frauenärztin anzulasten ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Krebs bei rechtzeitiger Kontrolle noch nicht so weit fortgeschritten war, dass er hätte brusterhaltend operiert werden können und dass auch die Entfernung von Lymphknoten noch nicht notwendig geworden wäre. 

Darüber hinaus litt die Patientin wegen der verzögerten Diagnose unter einer erheblich gesteigerten Metastasenangst und machte sich selbst deswegen Vorwürfe, weil sie nicht von sich aus bei der Gynäkologin nach dem endgültigen Befund gefragt hatte.

Zur Vermeidung eines langwierigen Gerichtsprozesses verpflichtete sich die Haftpflichtversicherung, der Gynäkologin mit außergerichtlichem Vergleich vom 24.10.2017, an meine Mandantin einen Betrag in Höhe von 20.000,00 € zu zahlen sowie die außergerichtlichen Anwaltskosten einschließlich der Vergleichsgebühr zu tragen.

Bei gerichtlicher Geltendmachung wären sowohl die Arzthaftung wegen Organisationsfehler festgestellt als auch sicherlich ein höheres Schmerzensgeld ausgeurteilt worden, da die Patientin aufgrund des eindeutigen groben Organisationsverschuldens nur den psychischen Sekundärschaden hätte beweisen müssen. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Zeitdauer für ein gerichtliches Sachverständigengutachten und ggf. mehrere Instanzen war auch die Mandantin mit dem Risikovergleich einverstanden.

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