Hinweise für eine „exotische“ Beratung bei notariellen Schenkungsverträgen

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Die rechtsanwaltliche Beratung zu einem notariellen Schenkungsvertrag enthält eine Vielzahl von standardisierten Themen. Grundsätzlich gilt, dass eine rechtsanwaltliche Beratung immer einen Mehrwert zur reinen Vertragsgestaltung des Notars darstellen sollte. Dies gelingt einerseits mittels einer dem Notar selbst untersagten wirtschaftlichen und steuerlichen Betrachtung des Schenkungsvertrags. Andererseits sollte eine rechtsanwaltliche Beratung auch abseits von den standardisierten Themen und abhängig vom Einzelfall „exotischere“ Änderungswünsche zum notariellen Schenkungsvertrag ansprechen. Ich präsentiere Ihnen hierfür 10 Ideen, die in Ihrer Beratung bedeutsam sein können.

Ausgangspunkt für diese 10 Ideen ist nachfolgender Sachverhalt:

Eheleute halten als Miteigentümer zu je 50% eine Immobilie im Wert von € 2 Millionen. Unter Nutzung der steuerlichen Freibeträge übertragen beide Eheleute jeweils 20% Miteigentumsanteil an den gemeinsamen Sohn und jeweils 20% an die gemeinsame Tochter. Es soll eine Miteigentümergemeinschaft aus Vater 10%, Mutter 10%, Sohn 40% und Tochter 40% entstehen. Der Notar legt hierfür einen standardisierten Schenkungsvertrag vor. 

Idee 1: Das Rückforderungsrecht allgemein

Notarielle Schenkungsverträge enthalten eine Auflistung von vertraglichen Rückforderungsgründen (Beispiele: Vorversterben des Beschenkten, Eröffnung des Insolvenzverfahrens in das Vermögen des Beschenkten). Die Eheleute sollten als Schenker darauf hingewiesen werden, dass diese Auflistung beliebig erweiterbar und begrenzbar ist, insbesondere auch ein freies Rückforderungsrecht vereinbart werden kann oder einzelne Rückforderungsrechte zu ergänzen sind, wenn dies der Sachverhalt nahelegt (Beispiel 1: die beschenkte Person wird geschäftsunfähig oder wird unter gesetzliche Betreuung gestellt, Beispiel 2: die beschenkte Person tritt einer Sekte bei).

Idee 2: Der Rückforderungsrecht im Speziellen

Ein vertragliches Rückforderungsrecht, dass in der notariellen Auflistung in der Regel nicht enthalten ist, ist das Rückforderungsrecht für den Fall, dass der Schenkungsvorgang zu einer (unerwarteten) Besteuerung führt. Dies kann schenkungssteuerlich im Einzelfall vorkommen, wenn die Bewertung der Immobilie mit Blick auf die steuerlichen Freibeträge des § 16 ErbStG aus Sicht der Schenker zu niedrig angesetzt und die Freibeträge im Verhältnis zu den Kindern von € 400.000,00 überschritten werden. In diesem Fall kann mit einer Rückforderung immerhin eine Besteuerung vermieden werden, aber die Notarkosten sind entstanden.

Idee 3: Die Höchstpersönlichkeit des Rückforderungsrechts

Viele notarielle Schenkungsverträge enthalten die Regelung, dass das Rückforderungsrecht nur höchstpersönlich ausgeübt werden kann. Dies ist problematisch, weil ein Rückforderungsgrund auch zu einem Zeitpunkt eintreten kann, in dem die Schenker geschäftsunfähig geworden sind. Die Höchstpersönlichkeit verhindert in dieser Konstellation nachteilig eine Rückforderung durch die vorsorgebevollmächtigte Person. In der Beratung sollte dieses Problem erörtert werden, insbesondere, ob an der Höchstpersönlichkeit festgehalten werden soll oder ob zumindest eine Rückforderung durch eine vorsorgebevollmächtigte Person ermöglicht wird. Ggf. kann dies sogar einem gesetzlichen Betreuer zugestanden werden.


Idee 4: Die entstehende Miteigentümergemeinschaft 

Wesenskern einer Miteigentümergemeinschaft ist, dass das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Selbst wenn über eine Nießbrauchs- oder ähnliche Regelung die Entscheidungskompetenz weiter bei den Schenkern bleibt, sollte vorsorglich in den Notarvertrag eine Miteigentümervereinbarung mit aufgenommen werden, die das Innen- und Außenverhältnis der Miteigentümergemeinschaft rechtssicher regelt. Dies schafft für alle beteiligten Miteigentümer Klarheit über die Kompetenzen und Zuständigkeiten.

Idee 5: Die Teilungsversteigerung im Rahmen der Miteigentümergemeinschaft

Ein der Miteigentümergemeinschaft immanentes Risiko ist die Teilungsversteigerung. Zwar wird eine solche Konstellation vielfach im Bereich der Rückforderungsrechte aufgefangen, im Einzelfall sollte dies aber mit den Schenkern diskutiert werden. Häufig ist es sachgerecht, die Teilungsversteigerung für eine bestimmte Zeitdauer (Beispiel: bis zum Versterben beider Schenker) auszuschließen, damit die Schenker kein Risiko tragen, zu Lebzeiten in ein Versteigerungsverfahren verstrickt zu sein und die Immobilie zu verlieren.

Idee 6: Vorbehalt eines Wohnrechts

In notariellen Schenkungsverträgen werden zahlreiche Vorbehalte diskutiert. Unter anderem Pflegeverpflichtungen, Leibrentenzahlungen und insbesondere die Einräumung eines Wohnrechts. In der Praxis gibt es Fälle, in denen die Schenker nahezu rechtlos gestellt sind, weil das Wohnrecht nicht ausreichend ausgestaltet ist. Die Regelung des Wohnrechts muss im Schenkungsvertrag viel Raum einnehmen und ausführlich diskutiert werden, insbesondere die Aufnahme von Personen (Hinweis: Pflegeperson), die Nutzung gemeinschaftlicher Flächen und Räume (Hinweis: Es werden immer wieder Keller-, Dachgeschoss-, Garagen- oder Gartenflächen vergessen.) und die Kompensation bei freiwilligem oder notwendigem Auszug (Hinweis: Der freiwillige Auszug wegen einer individuell gewünschten Ortsveränderung wird im Rahmen einer Kompensation vielfach übersehen.).

Idee 7: Vorbehalt eines Nießbrauchs

Der Nießbrauch ist im Vergleich zum Wohnrecht die stärkere Rechtsposition. Der Nießbrauch ist demnach grundsätzlich vorzugswürdig. In notariellen Schenkungsverträgen, bei denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, wird der Nießbrauch vielfach nicht zu Ende gedacht. Es ist nicht nur notwendig, dass jeder schenkende Ehepartner bzgl. aller Miteigentumsanteile der Kinder den Nießbrauch erlangt, sondern auch den (nachgelagerten) Nießbrauch am Miteigentumsanteil des jeweils anderen Ehepartners. Damit müssten im vorliegenden Sachverhalt jedem Schenker bzgl. der ihm nicht zugehörigen 90% Miteigentumsanteile (10% Ehegatte, 40% Sohn, 40% Tochter) ein Nießbrauch eingeräumt werden, damit er abgesichert ist.

Idee 8: Erbrechtliche Regelungen

In notariellen Schenkungsverträgen werden erbrechtliche Regelungen von den Vertragsparteien meistens überlesen. Die rechtsanwaltliche Beratung sollte sich hierauf konzentrieren und insbesondere einen Abgleich zu einer testamentarischen Regelung vornehmen, vor allem, aber nicht nur mit Blick auf pflichtteilsrelevante Klauseln. Typischerweise wird in einem notariellen Schenkungsvertrag auch die Klausel aufgenommen, dass ein Ausgleich der Schenkungen zwischen den beiden Kindern im Rahmen der §§ 2050 ff. BGB nicht erfolgen soll. Dies ist grundsätzlich sachgerecht. Übersehen wird dabei aber, dass ein Ungleichgewicht entstehen kann, wenn gegenüber einem Kind der Rücktritt erklärt wird und dessen insgesamt 40% in den Nachlass der Schenker zurückfällt. Das andere Kind, das die 40% behalten darf, würde bei den Erbfällen beider Eltern an diesen insgesamt 40% partizipieren und überquotal bedacht werden.

Idee 9: Immobilienrechtliche Situation

Bei einer nicht nach WEG geteilten Immobilie ist den Vertragsparteien meist nicht klar, was der Unterschied zwischen einer WEG zu einer bloßen Miteigentümergemeinschaft, beispielsweise an einem Mehrfamilienhaus, ist. Dies kann zu einem späteren Zeitpunkt zu Streit führen, vor allem dann, wenn in dem Mehrfamilienhaus mehrere Wohnungen sind, die sich die Vertragsparteien konkret zuordnen wollen. Ist eine solche Zuordnung beabsichtigt, sollte dies bereits im notariellen Schenkungsvertrag geregelt oder an einer Umwandlung in Wohnungseigentum gedacht werden.

Idee 10: Berücksichtigung von Auslandssachverhalten

Drängt sich im konkreten Sachverhalt auf, dass ausländisches Recht berührt sein kann, sollte hierauf ein Augenmerk gelegt werden. Dies deshalb, weil die notarielle Schenkung nach deutschem Schenkungsrecht unter Berücksichtigung des deutschen Erbrechts abgewickelt wird, dies aber zur Kollision mit ausländischem Erbrecht führen kann, wenn der spätere Erbfall nach ausländischem Erbrecht abgewickelt wird. Bei ausländischer Staatsangehörigkeit, einem Wohnsitz der Schenker im Ausland oder einem beabsichtigten Wegzug ins Ausland ist dies zu beraten und auf die Möglichkeit der Rechtswahl hin zum deutschen Erbrecht mit Blick auf die EU-Erbrechtsverordnung hinzuweisen.


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