Hinweise zum Sachverständigengutachten im Betreuungsverfahren

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Das Sachverständigengutachten und die anschließende Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht stellen die wichtigsten Grundlagen zur Entscheidungsfindung im Betreuungsverfahren dar. Dem Gutachten kommt deshalb eine zentrale Rolle zu, weshalb im folgenden einige praxisrelevante Hinweise dazu gegeben werden: 

1.

Das Ergänzungsgutachten im Beschwerdeverfahren

Als Ergänzung zu einem im erstinstanzlichen Betreuungsverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten werden im Beschwerdeverfahren häufig ergänzende medizinische Sachverständigengutachten eingeholt.

Wichtig zu wissen ist, dass sämtliche betreuungsgerichtliche Gutachten wesentliche Teile der gerichtlichen Ermittlungen sind. 

Alle grundlegenden Fragen,

  • ob eine Betreuung erforderlich ist (Betreuungsbedürftigkeit und Betreuungsbedarf)
  • ob die Betreuung gegen den Willen des Betroffenen eingerichtet werden darf,
  • in welchem Ausmaß – also für welche Aufgabenbereiche – die Betreuung anzuordnen ist,
  • ob ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird etc.
  • ggf. welche Person als Betreuer eingesetzt werden soll

werden in aller Regel durch Sachverständigengutachten beantwortet. Die Ergebnisse von medizinischen Sachverständigengutachten sind deshalb für Betroffene (und oft auch für Angehörige) von herausragender Bedeutung und können für die weitere Lebensgestaltung richtungsweisend sein.

Viele Betroffene wissen nicht, dass ihnen nicht nur das erste Gutachten, sondern auch ein ggf. zweites Gutachten (Ergänzungsgutachten) nicht nur zur Verfügung gestellt werden muss, sondern sie danach auch gerichtlich anzuhören sind. Denn das Gericht darf seine Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen der Beteiligte sich äußern konnte.

Die Anhörung ist also auch in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich verpflichtend. Ausnahmen sind nur dann denkbar, wenn keine neuen Erkenntnisse von der Anhörung zu erwarten sind. Dass im Fall eines neu erstellten Gutachtens neue Erkenntnisse vorliegen, ist jedoch regelhaft anzunehmen.

Häufig kommt es trotzdem dazu, dass dieser Grundsatz missachtet wird, und die Betroffenen nicht zum Ergänzungsgutachten durch das Gericht angehört werden.

Die unterlassene Anhörung der betreuten Person in der Beschwerdeinstanz gehört immer noch zu den Hauptfehlerursachen in Betreuungsbeschwerden. Es handelt sich dabei um Verfahrensfehler, die im Wege der Rechtsbeschwerde zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung führen können. Wichtig ist es deshalb, diese Verfahrensfehler zu erkennen und rechtzeitig geltend zu machen.

2.

Nicht nur in der Beschwerdeinstanz werden ergänzende Sachverständigengutachten eingeholt.  

Es kann auch vorkommen, dass im erstinstanzlichen Betreuungsverfahren der Betroffene noch einmal (ergänzend) begutachtet wird. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn weitere Aufgabenkreise und/oder ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden sollen oder sich der Betroffene gegen das Betreuungsverfahren an sich oder gegen die Person des Betreuers wendet.

Der Grundsatz, dass diese Ergänzungsgutachten dem Betroffenen ebenfalls zur Verfügung gestellt werden müssen und er im Anschluss daran dazu anzuhören ist, gilt auch hier.

3.

In Einzelfällen kommt es immer wieder dazu, dass medizinische Sachverständigengutachten  die erforderlichen Qualitätskriterien nicht erfüllen und unter erheblichen Mängeln leiden. Neben fehlerhaften formalen Anforderungen kann es an Feststellung von Diagnosen fehlen oder  Untersuchungen, Tests, Diskussionen der Testergebnisse, innere Logik und Schlüssigkeit etc. sind evtl. nicht ausreichend dargelegt oder gar nicht vorhanden.

Auch hinsichtlich der erforderlichen Qualifikation und/oder Neutralität des Gutachters können Zweifel bestehen.

Ein fehlerhaftes Sachverständigengutachten stellt grundsätzlich eine erhebliche Gefahr für den Betroffenen dar, denn der Betroffene muss anschließend mit dem Ergebnis – unter Umständen eine vollständige Betreuung samt Anordnung von Einwilligungsbehalt oder dauerhafte freiheitsentziehende Maßnahmen und Umgangsregelungen etc. - leben.

Soweit Zweifel am Ergebnis und an der Qualität des Gutachtens vorliegen, ist daher eine Überprüfung dringend zu empfehlen.

Dies gilt erst recht dann, wenn Hinweise darauf bestehen, dass der Gutachter eventuell nicht die erforderliche Neutralität besitzt und das Gutachten tendenziös erstellt wurde. Im schlechtesten Fall können die Ergebnisse des Gutachtens (ggf. mangels anderer Informationen oder mangels Kenntnis vorheriger medizinischer Untersuchungen), wesentlich auf eine Fremdanamnese zurückzuführen sein, die aus einer Sachverhaltsschilderung von Dritten mit überwiegend eigener Interessenlage besteht. Es handelt sich dabei ausdrücklich um Einzelfälle, die in der Praxis jedoch durchaus vorkommen. Weitere Aufklärung ist in diesen Fällen erforderlich.


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