Hinweispflichten in der Unfallversicherung

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Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 12.01.2017 – 3 U 87/15

Eine schnellstmögliche Abwicklung des Versicherungsfalles kann sowohl die Unfallversicherung als auch die versicherte Person interessieren. Dabei haben die Versicherten bei der Anmeldung von Invaliditätsansprüchen verschiedene Fristen einzuhalten. Unter anderem muss binnen einer vertraglich vereinbarten Frist (häufig 15 Monate) ein schriftliches ärztliches Attest zu den Verletzungsfolgen – die sog. Invaliditätsbescheinigung – vorgelegt werden. Fristversäumnisse führen aber nicht immer zum Leistungsausschluss – das zeigte mal wieder die vorliegende Berufungsentscheidung des OLG Frankfurt am Main.

Querschnittlähmung nach Verkehrsunfall

Der klagende Versicherungsnehmer war auf einer Landstraße als Fußgänger von einem Schneepflug erfasst worden und hatte sich gravierende Verletzungen zugezogen, die zu einer Querschnittslähmung führten. Unter Vorlage von aussagekräftigen Krankenunterlagen meldeten er sich bei seiner Privaten Unfallversicherung, allerdings ohne eine gesonderte ärztliche Feststellung zur (offensichtlichen) Invalidität wegen der Querschnittslähmung vorzulegen. Die Unfallversicherung lehnte Zahlungen aus verschiedenen Gründen ab und berief sich unter anderem auf eine Formalie: Der Versicherte habe die wichtige Frist verpasst und keine Bescheinigung in diesem Sinne beigebracht. Einfach formuliert: Ohne diesen Zettel soll es trotz Rollstuhl kein Geld geben.

Richter in erster und zweiter Instanz gaben dem Versicherten Recht

Obwohl der Mann besagte Frist zur Vorlage dieser Invaliditätsbescheinigung tatsächlich versäumt hatte, konnte sich die Versicherung darauf nicht berufen. Die Richter betonten völlig zu Recht, dass die schon mit Leistungsanmeldung vorgelegten Befundberichte und Arztbriefe aufgrund der Diagnose „inkomplette Querschnittslähmung“ eindeutig auf das Vorliegen einer dauernden Invalidität schließen lasse. Also verstoße das Ausnutzen derartiger Förmlichkeiten zur Umgehung der Leistungspflicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Gliederverluste, Querschnittslähmungen oder Gehirnschädigungen weisen auf dauernde Invalidität hin, ohne dass ein Arzt dies ausdrücklich erwähnen und attestieren muss.

Versicherung muss auf wichtige Fristen hinweisen

Hinzu kam in diesem tragischen Fall, dass die Versicherung bei vorgerichtlichem Schriftverkehr kein Wort über das angebliche Fristversäumnis erwähnte und den Versicherten auch zu keiner Zeit auf die fehlende Invaliditätsbescheinigung hinwies. Leider verhalten sich Unfallversicherungen öfters derart unfair, das kennen wir Anwaltsspezialisten aus vielen Mandaten im Unfallversicherungsrecht. Hier hilft der Blick ins Versicherungsvertragsgesetz VVG: Unfallversicherungen können sich nämlich nur dann auf Fristversäumisse der unfallverletzten Versicherten berufen, wenn die Versicherten zuvor über die Fristen informiert wurden, § 186 VVG. Ohne gut sichtbare Warnung im Schreiben der Versicherung kann also kein Nachteil durch Anspruchsverlust drohen. Versicherte sollten sich bei Fristen nicht ins Bockshorn jagen lassen und mit dem Ablehnungsschreiben zu allererst die Beratung bei Anwaltsspezialisten einholen.


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