(Illegale) Selbstmedikation mit Cannabis und Führerschein

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Viele Menschen mit einer - chronischen – Erkrankung nehmen zur Besserung und Linderung ihrer Symptome Cannabis ein. Bei den Erkrankungen handelt es sich insbesondere um chronische Schmerzzustände, aber auch Schlafstörungen, ADHS oder Migräne und vieles mehr sind typische Beschwerden, bei denen Cannabis sehr hilfreich sein kann.


Viele meiner Mandanten nehmen aus den verschiedensten Gründen illegal erworbenes Cannabis in Selbstmedikation ein. Dies liegt zum einen häufig an der schlechten Versorgung der Patienten mit Medizinalcannabis durch (Vertrags-)Ärzte in Deutschland. Zum anderen haben viele Patienten bei langen Krankheitsvorgeschichten eine Selbstmedikation nicht „nachträglich“ in eine seit 2017 bestehende mögliche (legale) Versorgung und Behandlung mit Medizinalcannabis durch einen Arzt umgestellt. Was auch immer die Gründe sind: in vielen Fällen wird Cannabis von Betroffenen in Selbstmedikation bei gravierenden Krankheitssymptomen eingesetzt.


Der Schreck ist aber dann groß, wenn der Cannabiskonsum bei der Teilnahme am Straßenverkehr - meist durch eine einfache allgemeine Verkehrskontrolle - festgestellt wurde. Dann werden verschiedene Behörden auf Sie aufmerksam: schlimmstenfalls kommt es zu einem Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft, aber mit einiger Sicherheit kommt es zu einem Bußgeldverfahren durch die Bußgeldbehörde (nämlich bei einem festgestellten aktiven THC-Wert ab 1,0 ng/ml). Dann droht noch eine Fahreignungsüberprüfung durch die Fahrerlaubnisbehörde (ein ärztliches Gutachten oder eine MPU - oder auch beides) und nicht selten droht (z.B. bei entsprechenden festgestellten THC-COOH-Werten im Blut) eine unmittelbare Fahrerlaubnisentziehung. Das liegt daran, dass die Selbstmedikation mit Cannabis rechtlich uneingeschränkt wie der missbräuchliche Konsum von „illegalem Cannabis“ behandelt wird. Gerne werden gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde schnell Angaben zum Konsum und zu Erkrankungen in dem Glauben gemacht, den Führerschein auf diesem Wege noch retten zu können.


Und um es kurz zu sagen: Ihre Krankheitsvorgeschichte und die Motive für Ihren Cannabiskonsum alleine retten Ihnen bei reiner Selbstmedikation den Führerschein nicht. Meistens sind Angaben hierzu sogar noch eher geeignet Ihre Lage in Bezug auf Ihre Fahrerlaubnis zu verschlechtern.


Erschwerend kommt hinzu, dass gerade bei chronischen Erkrankungen Cannabis regelmäßig, also auch täglich, eingenommen werden muss. Regelmäßiger Cannabiskonsum führt aber immer ohne weitere Zwischenschritte zu einer Fahrerlaubnisentziehung. Damit wäre der Führerschein schon mal nicht zu retten.


Aber selbst in dem Fall, dass vor einer unmittelbaren Fahrerlaubnisentziehung eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zur Überprüfung der Fahreignung in Bezug auf einen gelegentlichen Konsum von Cannabis seitens der Fahrerlaubnisbehörde angeordnet wird (da seitens der Fahrerlaubnisbehörde meist „nur“ gelegentlicher Cannabiskonsum festgestellt wird oder werden kann, ist das mit Abstand der häufigste Fall), ist ein positiver Ausgang fast ausgeschlossen: bei einer MPU wegen eines gelegentlichen Konsums von Cannabis wird nach dem Trennungsvermögen gefragt, also ob zukünftig zwischen dem Cannabiskonsum und dem Fahren getrennt werden kann. Fehlendes Trennungsvermögen liegt bereits bei einem Grenzwert von 1,0 ng/ml THC vor. Dieser Grenzwert ist schon im Bereich eines illegalen Konsums lächerlich gering und damit - zu Recht - heftig umstritten. Aber um eine (mess- und fühlbare) Verbesserung bei Krankheitssymptomen durch Konsum von Cannabis zu erreichen ist es praktisch unmöglich unter dem Grenzwert von 1,0 ng/ml THC zu bleiben. Der zuvor dargelegte Sachverhalt führt daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Fahrerlaubnisentziehung aufgrund von fehlendem Trennungsvermögen.


Um dann doch noch die Fahrerlaubnis zu behalten, muss schnell gehandelt werden: es ist unverzüglich zu klären, ob bei Ihnen eine Behandlung mit Medizinalcannabis indiziert ist, was bei chronischen Beschwerden mit langer Krankheitsgeschichte sehr oft der Fall ist. Problematisch ist vielmehr einen Arzt zu finden, der Medizinalcannabis überhaupt verschreibt. Die Versorgung mit Medizinalcannabis ist immer noch sehr schlecht Hierzu habe ich bereits auf meiner Internetseite informiert, siehe unter:

https://www.rechtsanwaeltin-sfischer.de/verkehrs-straf-recht/die-entziehung-der-fahrerlaubnis-der-f%C3%BChrerscheinentzug/medizinalcannabis-und-fahrerlaubnis-cannabis-auf-rezept/


Mittlerweise gibt es aber auch einige Ärzte (meist Privatärzte), die sich mit der Materie auseinandergesetzt haben und eine entsprechende Abklärung einer Indikation für eine Behandlung mit Medizinalcannabis unkompliziert möglich ist.


Sollte eine Indikation für eine Behandlung vorliegen, erhalten Sie vom Arzt ein Rezept für medizinisches Cannabis. Ordnet dann die Fahrerlaubnisbehörde Maßnahmen an, um Ihre Fahreignung zu überprüfen oder gar die Fahrerlaubnis unmittelbar zu entziehen, muss der Sachverhalt einer Behandlung mit Cannabis dargelegt werden.

Um aber keine Irrtümer aufkommen zu lassen: die Vorlage eines Rezepts und selbst die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung Ihres behandelnden Arztes ist nicht ausreichend Ihnen ohne weitere Überprüfung Ihrer Fahreignung die Fahrerlaubnis zu belassen. Die Einleitung einer Behandlung bzw. ein Therapieversuch mit Medizinalcannabis ist nur bei entsprechender Indikation gegeben und auch hinsichtlich Ihrer Fahrerlaubnis ist eine Behandlung mit medizinischem Cannabis nur bei einer entsprechenden Behandlungsnotwendigkeit sinnvoll.


Aber die Verschreibung von Medizinalcannabis ist bei zunächst – also vorangegangenen - missbräuchlichem Konsum von Cannabis (also bei Selbstmedikation) häufig die einzige Möglichkeit, dass einem Betroffenen die Fahrerlaubnis erhalten bleibt.

Insbesondere bei festgestellten THC-COOH-Werten ab 150 ng/ml oder bei einem sonst wie nachgewiesene regelmäßigen Konsum von Cannabis (d.h. täglicher oder nahezu täglicher Konsum), aber auch bei fehlendem Trennungsvermögen zwischen Konsum von Cannabis und Verkehrsteilnahme droht eine unmittelbare Fahrerlaubnisentziehung.


Hier ist nur bei schnellem Handeln die Fahrerlaubnisentziehung abzuwenden. Daher ist umgehend bei einem Arzt abzuklären, ob überhaupt eine Indikation für eine Medizinalcannabisbehandlung besteht. Denn bei einer Behandlung mit Medizinalcannabis kommt es nicht wie bei missbräuchlichem Konsum auf einen regelmäßigen Konsum oder ein Trennungsvermögen an, denn diese Kriterien werden regelmäßig bei einer Behandlung mit medizinischem Cannabis vorliegen – insbesondere bei chronischen Erkrankungen werden Medikamente z.B. gegen Schmerzen gerade täglich eingenommen. Es gelten vielmehr die Kriterien für den Fall einer Behandlung mit einem Arzneimittel: rechtlich ist der bestimmungsgemäße Konsum von für einen bestimmten Krankheitsfall ärztlich verordnetem Cannabis als Behandlung mit Arzneimitteln (Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV) einzuordnen. Es ist für die Feststellung der Fahreignung daher nach ständiger Rechtsprechung nicht (mehr) auf das Konsummuster (regelmäßiger Konsum) oder auf eine Trennungsvermögen abzustellen: da die Dosis jeweils individuell ist, gibt es eben auch keine Grenzwerte für die Einnahme von Medikamenten.


Leider kommt hier aber erschwerend hinzu, dass die Fahrerlaubnisbehörden häufig aufgrund der Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss bezüglich Ihrer Maßnahmen (fälschlicherweise) auf einen missbräuchlichen Konsum abstellen – denn der lag ja bei der Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss ohne eine Verschreibung von Medizinalcannabis noch vor. Dies ist aber nicht richtig: vielmehr ist bei einem solchem Sachverhalt zu überprüfen, ob gerade durch die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis Fahreignungszweifel ausgeräumt werden konnten oder aber ob eine ggf. bereits entfallene Fahreignung durch die Verordnung von Medizinalcannabis wiederhergestellt werden konnte. Und das gilt eben auch, wenn ein Vorfall mit missbräuchlicher Einnahme Ausgangspunkt des Fahrerlaubnisverfahrens war. Dann hat die Fahrerlaubnisbehörde ggf. entsprechende Aufklärungsmaßnahmen (meist ein ärztliches Gutachten, aber möglicherweise auch eine MPU) einzuleiten. Damit ist dann aber eine unmittelbare Fahrerlaubnisentziehung abgewendet.


Da die Fahrerlaubnisbehörden mit der Materie häufig aber (noch) nicht vertraut sind, ist bei Anordnungen von Maßnahmen regelmäßig auf die rechtliche Lage und auf ein rechtmäßiges Vorgehen hinzuwirken.


Bei Fragen zu diesem Thema stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Für erste Anfragen erreichen Sie mich unter 0421-695 256 27.


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