Impfung oder Kündigung?

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United Airlines will fast 600 Beschäftigte entlassen – weil die sich weigern, gegen Corona geimpft zu werden und auch ich habe in den letzten Wochen unzählige Nachrichten dazu bekommen, dass Arbeitgeber in Deutschland laut darüber nachdenken, 2 G in den Betrieben einzuführen.

Sind Entlassungen wie bei United Airlines in Deutschland rechtlich möglich?

Während die Gesetze in den USA den Arbeitgebern in bestimmten Bereichen erlauben, ihre Arbeitnehmer zu einer Impfung zu verpflichten, ist die Rechtslage in Deutschland anders.

Wenn Sie in Deutschland arbeiten, gelten für Sie die deutschen Gesetze und Bestimmungen. Und die sehen – zurzeit zumindest – eine gesetzliche Impfpflicht nicht vor. Der Arbeitgeber hat zwar ein Direktionsrecht, doch das greift grds. nur bei betrieblichen Belangen und nicht bei Fragen der persönlichen Lebensführung.

Dazu gehört grds. auch die Impfung, solange der Gesetzgeber diese nicht vorschreibt, wie z.B. bei der Masernimpfung für bestimmte Berufsgruppen.

Kein allgemeines Fragerecht nach Impfstatus

Die erste Hürde für Arbeitgeber hierzulande ist bereits, dass sie außer im Bereich von Gesundheitswesen, Kitas und Schulen nicht nach dem Impfstatus fragen dürfen. 

In diesen Bereichen hat der Gesetzgeber aber nur ein gesetzliches Fragerecht  eingeführt und gerade keine gesetzliche Impfpflicht.

Interessenabwägung 

Letztlich lassen sich für beide Positionen Argumente finden.

Für die Zulässigkeit einer Impfpflicht per Weisung könnte die Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitarbeitern und Dritten sowie die drohenden finanziellen Belastungen sprechen.

Neben der mögliche Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und den von dem Arbeitgeber zu übernehmenden Kosten der Arbeitnehmertestungen

fürchten Arbeitgeber, auch Einschränkungen der Produktion, wenn nicht nur Erkrankte sondern auch Kontaktpersonen in Quarantäne sind 

Es ist auch nachvollziehbar, dass zB. die Lufthansa, die ihre Crews weltweit einsetzt Probleme bekommt, weil es Staaten gibt, die eine Impfung bei der Einreise voraussetzen.

Auf Seiten des Arbeitnehmers hingegen würde mit der Pflicht, sich gegen das Coronavirus impfen lassen zu müssen, massiv in das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) eingegriffen.

Dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass der Nutzen für die weiter zu schützende Belegschaft oder Dritte hoch sein könnte. Für eine Impfpflicht setzt dies aber sichere Erkenntnisse über  eine sog. sterile Immunität voraus (Fremdschutz).

Diese ist aber bis heute nicht erwiesen, weshalb es bis heute auch keine gesetzliche Impfpflicht  und nur eine bedingte Zulassung gibt. Die vom RKI veröffentlichten Zahlen zu „Impfdurchbrüchen“ zeigen auch, dass sich auch vollständig Geimpfte infizieren können und das heißt, sie können auch wieder andere anstecken.

Die Tatsache, dass der Fremdschutz damit nicht sicher ist, spricht aktuell  daher meines Erachtens dagegen, dass dieser Nutzen derart überragend sein könnte, dass er einen solchen Eingriff rechtfertigen könnte.

Wenn die Impfung vor allen Dingen nur ein Eigenschutz wäre, fehlt der Tätigkeitsbezug.

Kein Mensch muss sich vernünftig verhalten: Auch Fallschirmspringen unterfällt der Allgemeinen Handlungsfreiheit und ist als unvernünftiges Verhalten zunächst rechtlich geschützt.

Eine allgemeine Impfpflicht im Arbeitsverhältnis, unterschiedslos für alle Arbeitnehmer in allen Tätigkeitsbereichen, wäre daher unzulässig und eine entsprechende Weisung unwirksam.

Arbeitgeber können Ihre Schutzpflichten gegenüber der Belegschaft und Dritten mit effektiven und strengen Hygienevorschriften nachkommen.

Das bedeutet aber auch, dass hier niemand gekündigt werden könnte, nur weil er nicht geimpft ist.

Besondere Arbeitsverhältnisse

Spannend und auch juristisch komplett ungeklärt, ist die Frage, ob das auch für Personal gilt, das mit besonders schutzbedürftigen Personen in Kontakt kommt (Pflege– und Gesundheitswesen). Man könnte argumentieren, dass der Arbeitgeber hier ausnahmsweise aufgrund des besonderen Arbeitsplatzes eine Impfpflicht per Weisungsrecht einführen könnte.

Auch hier lassen sich für beide Positionen Argumente finden, zumal das Krankenhaus eine besondere Schutzpflicht gegenüber den Patienten hat.

Hier ist aber zu bedenken, dass viele der Risikopersonen bereits priorisiert geimpft wurden, und diese damit ein geringeres Schutzbedürfnis haben könnten. Auch hier kann ein Arbeitgeber seinen Schutzpflichten gegenüber der Belegschaft und Dritten mit effektiven und strengen Hygienevorschriften nachkommen.

Schließlich hat der Gesetzgeber sich bis jetzt bewusst gegen eine Impfpflicht entschieden. Dass das grundsätzlich möglich ist, zeigt die gesetzlich vorgeschriebene Masern-Impfung.

Auch muss man sehen, dass der Gesetzgeber der besonderen Situation in Krankenhäusern in anderer Hinsicht durchaus Rechnung trägt, z.B. bei der Auskunftspflicht über den Impfstatus.

Wenn der Gesetzgeber also für niemanden – und damit eben auch nicht für medizinisches Personal – eine Impfpflicht vorsieht, dann spricht das schon sehr eindeutig gegen das Recht eines Krankenhauses, das einfach selbst zu tun. Hinzu kommt das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen, die Gefahren, die mit jeder Impfung einhergehen, die Unklarheit über mögliche Langzeitfolgen. Es sprechen also auch für diese Seite gute Argumente.

Vermutlich wird die Frage rechtsverbindlich erst in vielen Jahren endgültig vor Gericht geklärt werden.

Wenn der Arbeitgeber auch hier kein Weisungsrecht haben sollte, geht er mit einer Kündigung ein hohes wirtschaftliches Risiko ein und sollte eine solche unter keinen Umständen ohne eine fundierte rechtliche Beratung aussprechen.

Das gilt sogar bei Kündigungen in der Probezeit oder in Kleinbetrieben.

Hier könnte die Kündigung gegen das sogenannte Maßregelungsverbot, § 612a BGB, verstoßen. Dieses verbietet dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmer dafür zu „bestrafen“, dass dieser seine Rechte geltend macht. So lange der Arbeitnehmer die freie Wahl hat, ob er sich impfen lässt oder nicht, darf dies vom Arbeitgeber nicht sanktioniert werden.

Des Weiteren hat der Arbeitgeber so lange wie möglich alternative Einsatzmöglichkeiten zu prüfen.

Zurück zum Beispiel Lufthansa: Hier kommt der Einsatz ungeimpfter Arbeitnehmer nur im Inland und auf Mittelstrecken in Betracht. Falls das nicht möglich ist, bleibt eine Freistellung. Ob mit oder ohne Lohnausgleich, dürfte dann ein Streitpunkt sein.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sogar bei medizinischem Personal mit Patientenkontakt eine Kündigung für Arbeitgeber mit hohen Hürden und Risiken verbunden ist, zumal es mittlerweile jeder Patient mit einer Impfung selbst in der Hand hätte, sich selbst zu schützen.

Wichtig ist, dass sich Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung oder der Einführung von 2 G im Unternehmen unbedingt rechtlich beraten lassen sollten.

Auch Arbeitnehmer sollten bei einer Abmahnung und vor allen Dingen bei einer ausgesprochenen Kündigung sofort einen Anwalt kontaktieren, da hier wichtige Fristen einzuhalten sind . Ggf. gibt es vom Staat Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe.

Ich vertrete und berate Sie gerne.

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