Kein Rechtsanspruch auf Vorabkontrolle durch Verbraucherschutzverbände

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Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 23.02.2010 (Az.: XI ZR 187/09) ausgeführt, dass die Informationspflichten die eine Bank gem. § 675a BGB gegenüber einem Verbraucher aus Anlass der Begründung einer Geschäftsverbindung treffen nicht zu Gunsten von Verbraucherschutzverbänden gelten. Auch eine Analogie wurde nicht angenommen, da kein Fall einer unbeabsichtigten oder planwidrigen Regelungslücke des Gesetzgebers vorliegt. Der Verband hatte gegen die Bank geklagt und beantragt, diese bei Vermeidung von Ordnungsgeld und -haft zu verurteilen es zu unterlassen, Interessenten, die Verbraucher sind, die Einsichtnahme in ihr vollständiges Preis- und Leistungsverzeichnis zu verweigern. Ferner hatte der Verband beantragt die beklagte Bank zu verurteilen ihm auf Verlangen unentgeltlich mittels Email, Fax oder Briefpost ihr aktuelles vollständiges Preis- und Leistungsverzeichnis zur Verfügung zu stellen. Die Klage wurde abgewiesen. Ein Verbraucherverband hat keinen Anspruch auf kostenfreie Übermittlung eines vollständigen Preis- und Leistungsverzeichnisses aus § 675 a BGB.

Die nach § 675a BGB geschuldete Zurverfügungstellung von Informationen besteht nach Ansicht des BGH nur in der Bereithaltung der Informationen zur Kenntnisnahme, z.B. durch Aushang in den Geschäftsräumen oder Bereitstellung im Internet oder an einem Lesegerät Die mit der Klage begehrte Übermittlung per Email, Fax oder Briefpost an den Kläger ist daher erfolglos geblieben.

Außerdem, so führte der BGH aus steht der Informationsanspruch gemäß § 675a BGB dem Kläger als Verbraucherschutzverband nicht zu. Der Wortlaut des § 675a BGB bringt zwar nicht zum Ausdruck, wer Inhaber der in dieser Vorschrift geregelten Ansprüche ist. Der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck sei aber, so die Ausführungen des BGH eindeutig zu entnehmen, dass der Anspruch nur Kunden und potentiellen Kunden des Auskunftspflichtigen im Rahmen der Geschäftsanbahnung zusteht. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.

Es gilt auch nichts anderes soweit § 675a BGB der Umsetzung der Art. 3 bis 5 der Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen dient. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber die Auskunftspflicht nicht auf Kreditinstitute beschränkt, sondern auch auf andere Anbieter von Geschäftsbesorgungsverträgen erstreckt. Er hat den in § 675a BGB geregelten individuellen Informationsanspruch aber als „Anspruch auf Geschäftsanbahnungsinformationen" verstanden (BT-Drucksache 14/745, S. 15 zu § 676 E), der demgemäß nur Personen zusteht, die in einer Geschäftsbeziehung zu einem Auskunftspflichtigen stehen oder in Erwägung ziehen, in eine solche Geschäftsbeziehung zu treten, d.h. Dienstleistungen des Auskunftspflichtigen in Anspruch zu nehmen und einen Vertrag mit ihm zu schließen. Aufgrund der Zielsetzung des § 675a BGB, Geschäftsanbahnungsinformationen zu vermitteln, steht der Anspruch nur tatsächlichen oder potentiellen Kunden oder Auftraggebern des Auskunftspflichtigen zu argumentierte der BGH unter Bezugnahme auf weitere Fundstellen in der juristischen Literatur. Dabei kann nach Ansicht des BGH § 675a BGB nicht zugunsten von Verbraucherschutzverbänden analog angewandt werden. Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist. Dies ist nicht der Fall, entschied der BGH und führte aus, dass der Gesetzgeber in § 675a BGB bewusst einen Anspruch auf Geschäftsanbahnungsinformationen geschaffen hat nicht aber mehr. Entsprechend diesem Regelungszweck sei der Anspruch bewusst auf tatsächliche und potentielle Kunden des Auskunftspflichtigen begrenzt und nicht auf Personen erstreckt worden, die gar nicht in Erwägung ziehen, in eine Geschäftsbeziehung zu dem Auskunftspflichtigen zu treten und rechtsgeschäftlichen Kontakt zu ihm aufzunehmen. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage dieser beiden Personengruppen besteht kein Anlass, auch denjenigen, die keine Geschäftsbeziehung zu einem Auskunftspflichtigen anstreben, einen Anspruch auf Geschäftsanbahnungsinformationen zu geben.

Entgegen der Auffassung des Verbandes konnte er einen entsprechenden Anspruch auch nicht auf die Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG stützen. Nach der Umsetzung dieser Richtlinie sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.

Art. 7 der Richtlinie zielt mithin auf die Schaffung von effektiven überindividuellen Instrumenten zum Schutz des Rechtsverkehrs vor unseriösen Klauselwerken und ordnet an, dass zu diesen Instrumenten auch die Schaffung einer Klagemöglichkeit bzw. Antragsbefugnis für Verbraucherrepräsentanten oder -verbände gehören muss. Eine Vorabkontrolle, d.h. ein präventives Verbots- oder Genehmigungsverfahren in Form einer Klauselzensur, ist, wie aus dem vorletzten Erwägungsgrund der Richtlinie hervorgeht, nach Ansicht des BGH nicht geboten.


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