Strafanzeige: Kindergeld in zwei Ländern gleichzeitig bezogen - Betrug oder Steuerhinterziehung?

  • 4 Minuten Lesezeit

Zur sozialen Absicherung existiert in Deutschland für alle Kinder deutscher Steuerzahler das Kindergeld. In anderen EU-Staaten existieren ähnliche Sozialleistungen für Kinder, wie beispielsweise das Erziehungsgeld „500+“ in Polen.

Wenn ein Elternteil aus Deutschland ins Ausland zieht, oder dort einen Arbeitsplatz hat, oder umgekehrt, aus dem EU-Ausland nach Deutschland kommt, können doppelte Ansprüche auf Kindergeld in zwei Ländern entstehen. Es dürfen jedoch nicht aus zwei Ländern gleichzeitig Sozialleistungen bezogen werden.

Im folgenden Artikel erfahren Sie

  • Wie Kindergeldansprüche in zwei Ländern entstehen können
  • Wie Kindergeldansprüche in zwei Ländern geregelt werden
  • Welche Straftatbestände ein doppelter Kindergeldbezug darstellt
  • Welche Konsequenzen drohen, wenn man doppeltes Kindergeld kassiert
  • Was Sie tun sollten, wenn Ihnen doppelter Kindergeldbezug vorgeworfen wird.

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Wie können doppelte Ansprüche auf Kindergeld zustande kommen?

Jedes Kind dessen Eltern in Deutschland leben und arbeiten, hat mindestens bis zur Vollendung des 18., und maximal bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres Anspruch auf Kindergeld. Dieses wird grundsätzlich nur durch ein Elternteil bezogen. Verzieht eine Familie ins Ausland, so erlischt mit Ihrer deutschen Steuerpflicht auch der Anspruch auf deutsche Sozialleistungen wie das Kindergeld. Verzieht jedoch nur ein Elternteil, beispielsweise aufgrund eines Arbeitsverhältnisses, dauerhaft ins Ausland, so hat dessen Kind theoretisch dort und in Deutschland einen Anspruch auf Kindergeld (bzw. die äquivalenten Sozialleistungen des jeweiligen Landes).


Wie sind doppelte Ansprüche auf Kindergeld rechtlich geregelt?

Wenn aufgrund eines Arbeitsverhältnisses im Ausland nach nationalem Recht ein zweifacher Anspruch auf Kindergeld zustande kommt, etwa dadurch, dass Mutter und Kind in einem Land leben, der Vater jedoch in einem anderen Land arbeitet und dort einen Zweitwohnsitz hat, entsteht eine sogenannte „Anspruchskonkurrenz“, die darin besteht, dass einerseits durch den Wohnort in Deutschland, andererseits durch eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Land ein Anspruch auf Kindergeld gegeben ist. Eine solche Anspruchskonkurrenz wird durch übergeordnete EU-Rechtsvorschriften aufgelöst, damit eine Person nicht gleichzeitig den Rechtsvorschriften zweier Staaten unterliegt und entsprechend aus zwei Staaten gleichrangige Sozialleistungen kassieren kann.

Hierzu existiert eine Rangfolgeregelung, nach der Ansprüche geordnet werden:

Sozialleistungsansprüche aufgrund einer Erwerbstätigkeit wiegen hierbei schwerer als Sozialleistungsansprüche aufgrund eines Wohnortes.

Sind die Unterstützungsgelder der beiden Länder zwar gleichrangig, aber in ihrem konkreten Geldbetrag unterschiedlich, so wird die Differenz zwischen den Leistungen beider Staaten verrechnet.


Hierzu ein Beispiel:

Der Vater und Ernährer einer polnischen Familie, die in Polen lebt, und das polnische Kindergeld „500+“ bezieht (ca. 116 € im Monat, pro Kind), erhält einen Arbeitsplatz in Deutschland, bezieht dazu in Deutschland eine Wohnung, und hat somit nach deutschem Recht einen Anspruch auf Kindergeld (ca. 220 € im Monat, pro Kind).

Der doppelte Anspruch wird gemäß EU-Recht verrechnet: Das polnische Kindergeld wird weiter bezogen, die deutsche Familienkasse zahlt nicht das volle deutsche Kindergeld, sondern das sogenannte „Differenzkindergeld“, also die Differenz zwischen „500+“ und dem deutschen Kindergeld, ca. 104 €.


Was ist, wenn man das volle Kindergeld aus zwei Staaten bezieht?

Wer doppeltes Kindergeld bezieht, muss sich unter Umständen wegen zweier Vergehen verantworten:

1. Sozialleistungsbetrug

Wer ins Ausland verzieht, muss dies der Familienkasse unverzüglich mitteilen. Andernfalls erhält die Behörde erst durch eine Benachrichtigung der ausländischen Schwesterstelle, oder aber im Rahmen der regelmäßigen automatischen Prüfung der Bezugsberechtigung, bei der auch die Meldedaten mit dem Bundeszentralamt für Steuern abgeglichen werden, Kenntnis vom Umzug, was ein Ermittlungsverfahren wegen Sozialleistungsbetrug gemäß § 263 StGB zur Folge haben kann.

2. Steuerhinterziehung

Der Kindergeldbezug ist im Einkommenssteuergesetz (EStG) geregelt. Darum erfüllt ein unberechtigter Kindergeldbezug den Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO), da die Leistung unter durch ein Verschweigen steuerlich erheblicher Tatsachen widerrechtlich in Anspruch genommen wird.


Welche Strafen drohen, wenn man Kindergeld doppelt bezieht?

Für die Höhe der Strafe ist die Höhe des hinterzogenen Betrages entscheidend.

Für Steuerhinterziehung und Sozialleistungsbetrug sind gleichermaßen Geldstrafen, und, bei einem hinterzogenen Betrag von mehr als 100.000 €, Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren vorgesehen.

Außerdem besteht eine Verpflichtung zur vollständigen Rückzahlung des unterschlagenen Betrages an die Familienkasse, was in der Regel nicht in Raten möglich ist.


Was ist zu tun, wenn man doppeltes Kindergeld bezogen hat?

Eine Selbstanzeige kann strafbefreiend wirken, sofern sie frühzeitig erfolgt. Es empfiehlt sich, hierzu einen Anwalt hinzu zu ziehen.

Wenn Sie von einem Ermittlungsverfahren gegen Sie Kenntnis erhalten, sollten Sie dringend Ihr Schweigerecht wahrnehmen und umgehend einen Fachanwalt für Steuerstrafrecht konsultieren, der Einsicht in die Ermittlungsakte beantragen und die gegen Sie erhobenen Vorwürfe prüfen kann. Möglicherweise kann dann eine außergerichtliche Einigung, bzw. die Einstellung des Verfahrens erwirkt werden.

Dr. Brauer Rechtsanwälte sind auf Steuerstrafrecht spezialisiert und bundesweit für Sie da.

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