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Klarnamen und echte Daten von Tätern im Internet herausbekommen

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Im (vermeintlich) anonymen Internet nehmen sich einige Nutzer weit mehr raus als in der „realen“ Welt. Da wird etwa der schüchterne Bub von nebenan gerne mal auf Facebook zum Lautsprecher, der es mit den Persönlichkeitsrechten anderer nicht so ernst nimmt.

„Der andere kennt ja sowieso nicht meinen echten Namen“, mag sich der hinter Pseudonym versteckende – hier gar nicht mehr so schüchterne – Bub denken.

Aber, lieber Bub, lass Dir gesagt sein: Dein digitales Gegenüber hat durchaus Werkzeuge zur Hand, um an Deine echten Daten zu kommen. Und dann ggf. auch an Dein Taschengeld…

So sehr sich der Mensch im Internet wandelt – Das Gesetz bleibt!

Das „real“ im ersten Satz ist bewusst von Gänsefüßchen ummantelt. Man kann es gar nicht oft genug sagen: Das Internet ist Teil der realen Welt! Insofern gelten hier auch die allgemeinen Gesetze. Es gibt weder ein allein geltendes spezielles Internetgesetz, noch ist das Internet ein rechtsfreier Raum.

Es sind bloß einzelne Gesetze dem Internetzeitalter angepasst und zusätzliche Vorschriften eingefügt worden. Insbesondere musste der Gesetzgeber reagieren, um den Besonderheiten im Hinblick auf Anonymität bzw. Pseudonymität im Internet Rechnung zu tragen.

Einerseits war und ist es nämlich ein Anliegen, die Anonymität und Pseudonymität im Internet zu ermöglichen (siehe etwa § 19 Abs. 2 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG)). Andererseits birgt genau dies ein erhebliches Missbrauchspotential, dem begegnet werden muss. Denn – Recht auf Anonymität hin oder her – es war niemals ein Bestreben der Politik, hiermit rechtsfreie Räume in puncto Beleidigungen oder Hetze im Netz zu schaffen.

Dem Recht auf Anonymität sind Grenzen gesetzt

Viele werden sich jetzt fragen: Was nützt mir das Gesetz etwa im Falle einer digitalen Beleidigung, wenn doch die Anonymität des digitalen Gegenübers gewährleistet ist?

Hier gilt, was im Recht nahezu überall gilt: Kein Schutz gilt grenzenlos. Denn gegen die (digitale) Beleidigung ist man durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gleichfalls geschützt. Und im Falle einer Beleidigung muss das Recht auf Anonymität ohne jeden Zweifel hintenanstehen.

Die Vorgenannten werden jetzt einwenden: „Schön und gut…Aber Recht haben und Recht bekommen scheinen auch hier wieder zwei paar Schuhe. Denn das schutzvollste Gesetz der Welt nützt mir doch nichts, wenn es sich nicht durchsetzen lässt. Die Echtdaten meines digitalen Gegenübers habe ich damit ja noch immer nicht…“

Völlig korrekt. Doch auch dafür gibt es Mittel und Wege.

Gesetzlicher Werkzeugkasten, um die Echtdaten herauszubekommen

Dass es grundsätzlich möglich ist, die Klardaten von Personen herauszubekommen, die im Internet jegliche Grenzen des guten Geschmacks überschritten haben, zeigt der Fall Renate Künast.

Zwar stieß die Grünen-Politikerin beim Berliner Landgericht zunächst auf erstaunlich taube Ohren, als sie Auskunft bzgl. der Echtdaten von Facebook-Nutzern verlangte, die sie in der Kommentarspalte als „Drecks Fotze“, „Schlampe“ etc. beleidigten.

Auskunftsanspruch nach dem Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG)

Die abweisende Entscheidung des Gerichts fußte aber nicht darauf, dass das Gericht die grundsätzliche Möglichkeit in Frage stellte, gestützt auf § 14 Abs. 3 TMG (seit Ende 2021 geregelt in § 21 Abs. 2 TTDSG) entsprechende Auskunft zu verlangen. Sondern darauf, dass die hiesige Tatbestandsvoraussetzung einer Beleidigung in concreto nicht vorgelegen haben soll.

Denn unter Berücksichtigung der Vergangenheit von Renate Künast – insbesondere aufgrund Jahrzehnte zurückliegender Äußerungen innerhalb ihrer politischen Tätigkeit – seien die vorgenannten Begrifflichkeiten schon keine Beleidigungen gewesen.

Diese durchaus erstaunliche Rechtsauffassung korrigierte das Landgericht aber später weitgehend und sprach der Politikerin den Auskunftsanspruch in Teilen zu.

Ein solches Vorgehen nach § 21 Abs. 2 TTDSG zwecks Vorbereitung der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche steht nicht nur Politikern zu, sondern auch Otto-Normal-Bürgern. Voraussetzung ist eine vom Katalog des § 1 Abs. 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetz erfasste Straftat (z.B. Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Volksverhetzung).

Über das Vorliegen einer solchen Straftat muss allerdings gemäß § 21 Abs. 3 TTDSG ein Gericht befinden. Diese Prüfung stellt quasi die erste Stufe dar, wenn man etwa Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (ggf. auch Schmerzensgeldansprüche) gegen einen Internet-Nutzer durchsetzen möchte, der beleidigende Posts veröffentlicht hat.

Erst wenn die entsprechende Auskunft durch den Portalbetreiber (etwa Facebook) – nach vorgenannter Anordnung des Gerichts – erteilt worden ist, kann die primär intendierte zweite Stufe eingeleitet werden: Die Durchsetzung der Ansprüche „an sich“.

Der Weg ist also durchaus nicht wenig umständlich. Zumal derjenige, der die gerichtliche Anordnung beantragt (hier also der Beleidigte) die Kosten dieses Verfahrens – zumindest zunächst – zu tragen hat.

Zudem gibt es noch eine Krux: Manches Mal verfügt selbst der Portalbetreiber (z.B. Facebook) nicht über die echten Daten des Internet-Rambos. Dann müsste sich der Verletzte auch im Falle eines Zuerkennens des o.g. Auskunftsanspruchs mit der Herausgabe minderwertiger – oft falscher – „Bestandsdaten“ zufriedengeben. Auch die IP-Adresse hilft dann oft nicht weiter.

Allerdings zeigt die Erfahrung: Da viele Täter weiterhin dem Irrtum unterliegen, dass das Internet insoweit ein rechtsfreier Raum sei, haben diese vielfach schon keinerlei Bedenken, ihre richtigen Daten bei der Registrierung anzugeben.

Sonstige Möglichkeiten: § 242 BGB und Strafanzeige

Ein Auskunftsanspruch ließe sich im Einzelfall auch auf § 242 BGB stützen. Hier dürfte aber schon § 21 Abs. 2 TTDSG als lex specialis regelmäßig „verdrängend“ wirken. Ohnehin würde auch die Generalklausel des § 242 BGB („Anspruch nach Treu und Glauben“) kaum minder strenge Anforderungen an ein solches Auskunftsbegehren stellen.

Überdies käme noch in Betracht, zunächst „bloß“ Strafanzeige bzw. Strafantrag zu stellen. Im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens könnte der Beleidigte dann mitunter – etwa via Akteneinsicht – den Klarnamen erfahren. Hier ist man dann aber in gewisser Weise auch auf den „Arbeitseifer“ der Ermittlungsbehörden angewiesen.

So der Portalbetreiber aber ohnehin ersichtlich nicht über (echte) Bestandsdaten des Täters verfügt, dürfte dies noch der erfolgversprechendste Weg sein. Entsprechende Motivation unterstellt, könnten die „Cyber-Ermittler“ dann mit technischen Ermittlungsansätzen ihr „Glück“ versuchen.

Ende gut, alles gut: Geld für Beleidigungsopfer, Lebensschule für den Bub

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Chancen mitunter durchaus gut stehen, etwa den eingangs genannten schüchternen Bub real ausfindig zu machen. Dies mag zwar mitunter mit gewissem Aufwand verbunden sein, kann sich aber langfristig auszahlen.

So lässt sich durch Abmahnungen zum einen die Wiederholungsgefahr minimieren und unter Umständen auch eine gewisse Signalwirkung auf Trittbrettfahrer erzeugen. Zudem winken bei Beleidigungen, Verleumdungen etc. im Internet Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche, die aufgrund des weiten potenziellen Empfängerkreises im World Wide Web auch höher als bei entsprechenden Taten in der analogen Welt ausfallen können.

Und der schüchterne Bub sollte doch auch mal die Chance bekommen, (auch) in der analogen Welt etwas aus sich herauszukommen. Da wäre so ein Gerichtssaal doch eine gute Plattform zwecks Charakterbildung…

RA Robin Nocon,  www.nocon-recht-digital.de


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