KNÖLLCHEN + RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG = DECKUNGSABFINDUNG?

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In jüngerer Zeit wird in Fachkreisen zunehmend darüber gesprochen, ob das Instrument einer Deckungsabfindung im Rahmen der Rechtsschutzversicherung zulässig und sinnvoll sein könnte. Eine ausführliche Untersuchung der Thematik kommt etwa von Univ.-Prof. Dr. Christian Armbrüster (Armbrüster, Christian: Die Deckungsabfindung in der Rechtsschutzversicherung, VersR 2022, 1197). Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte.

Was ist eine Deckungsabfindung?

Die Deckungsabfindung ist eine einmalige Geldzahlung des Versicherers an den Versicherungsnehmer zur Abgeltung dessen konkreten Anspruchs auf Rechtsschutz. Rechtlich dürfte dies als Annahme an Erfüllungs statt gemäß § 364 BGB zu qualifizieren sein. Die Option einer solchen Abfindung muss jedoch, um rechtlich zulässig zu sein, für den Versicherungsnehmer freiwillig sein. Ihm muss freistehen, nicht die Abfindung, sondern weiter die Versicherungsleistung in Anspruch zu nehmen, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Ansonsten wäre die Deckungsabfindung als einseitige Möglichkeit des Versicherers der Entledigung von der Leistungspflicht unzulässig. Damit ist klar, dass eine Deckungsabfindung nur in Betracht kommt, wenn die Leistungspflicht des Versicherers für den konkreten Versicherungsfall außer Streit steht.

Wann ist die Abfindung sinnvoll?

Auch wenn die Rechtsschutzversicherung leisten muss, kann eine Rechtsverfolgung – auch für den Versicherungsnehmer – wirtschaftlich nicht sinnvoll sein. Dies etwa dann, wenn klar ist, dass der Gegner den Anspruch nicht nur kurzfristig nicht erfüllen kann. Auch bei Ordnungswidrigkeiten (etwa bei „Knöllchen“) dürfte die Rechtsverfolgung, wenn auch zunächst die Aussicht auf Erfolg als gegeben angenommen wird, am Ende nur selten wirklich erfolgversprechend sein. 

Ein weiterer Anwendungsfall dürfte in Fällen gegeben sein, in denen eine erhebliche Rechtsunsicherheit herrscht. So etwa, wenn eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Rechtsfrage noch nicht vorliegt, die Instanzgerichte aber überwiegend einer für den Versicherungsnehmer nachteiligen Auffassung folgen. Insofern kann es auch für den Versicherungsnehmer interessant sein, anstelle der Rechtsschutzleistung einen Geldbetrag zu erhalten. Dies frei nach dem Motto „Was man hat, hat man“. Denn von der Rechtsschutzleistung dürfte der Versicherungsnehmer in den geschilderten Fällen am Ende wenig haben. Dem Versicherer steht damit ein Weg der schnelleren und gegebenenfalls auch kostensparenderen Fallbearbeitung offen.

Eine solche Abfindung ist auch nicht mit dem teilweise vorgesehenen Abandon gleichzusetzen. Dieses – vornehmlich bei der See- und Transportversicherung vorgesehene – Instrument stellt ein zumeist dem Versicherer vorbehaltenes einseitiges Leistungsbefreiungsrecht dar. Das Anbieten einer Deckungsabfindung stellt demgegenüber kein einseitiges Recht, sondern eine zusätzliche Option des Versicherungsnehmers dar. Einwände, dass der Versicherungsnehmer durch ein solches Vorgehen übermäßig belastet und „allein gelassen“ werde, dürften aufgrund der Freiwilligkeit nicht greifen.

Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechtsschutz?

Eine Deckungsabfindung dürfte auch bei fahrlässigen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zulässig sein. Dies einerseits vor dem Hintergrund, dass der Versicherer kein unbedingtes Leistungsversprechen im Vorfeld zum Ersatz von etwa Geldbußen abgibt. Vielmehr steht es dem Versicherer frei, ein solches Angebot zu unterbreiten oder zu unterlassen. Da die Sanktionsandrohung so nicht „untergraben“ wird, dürfte eine Sittenwidrigkeit hier nicht gegeben sein. Zudem ist die Höhe der Deckungsabfindung nicht an die Höhe einer Geldstrafe oder -buße gekoppelt, sondern sollte im Einzelfall losgelöst davon bestimmt werden. Neben dem wirtschaftlichen Interesse des Versicherungsnehmers sollte auch der dem Versicherer voraussichtlich entstehende Rechtsverfolgungsaufwand berücksichtigt werden.

Bei Vorsatz ist der Anwendungsbereich der Deckungsabfindung hingegen nicht eröffnet. Armbrüster begründet dies nachvollziehbar damit, dass einem vorsätzlich handelnden Versicherungsnehmer bei rechtskräftiger Verurteilung kein Versicherungsschutz gewährt wird. Nimmt man als Voraussetzung für eine Deckungsabfindung den dauerhaften Bestand einer Leistungspflicht des Versicherers an, würde dann auch der Rechtsgrund für die Abfindungszahlung entfallen.

Fazit

Sowohl für den Versicherungsnehmer als auch den Versicherer kann eine Deckungsabfindung in bestimmten Fällen eine sinnvolle Lösung sein. Dabei ist zu beachten, dass eine solche für den Versicherungsnehmer immer freiwillig sein muss. Auch die Höhe der Zahlung muss angemessen sein und darf den Versicherungsnehmer nicht zur vorschnellen Aufgabe seines Versicherungsschutzes verleiten. Der Versicherungsnehmer muss auch vorab darüber informiert werden, welche Folgen die Annahme der Abfindung hat oder haben kann.

Die Deckungsabfindung kommt sowohl im Bestands- als auch im Neugeschäft in Betracht. Besteht eine Situation wie oben beschrieben, lohnt sich eine Nachfrage beim Versicherer allemal.

Foto(s): Shutterstock.com

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