Veröffentlicht von:

Kostenfalle für gemischt versicherte Kinderwunschpaare - ein Urteil des LSG Berlin - Brandenburg

  • 3 Minuten Lesezeit

Das Problem:

Für gemischt versicherte Kinderwunschpaare (1 Partner privat-, der andere gesetzlich versichert) ist das Leistungsrecht kompliziert und unübersichtlich. Es gehört 2 unterschiedlichen Rechtsbereichen an, nämlich die PKV (private Krankenversicherung) dem zivilrechtlichen Versicherungsvertragsrecht, und die GKV dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Voraussetzungen der Kostenübernahme einer Kinderwunschbehandlung sind derzeit in der PKV und GKV unterschiedlich und z. T. sogar kontrovers geregelt! Für gemischt versicherte Kinderwunschpaare gibt es z. Z. leider auch keine Regelungen, die beide Rechtsbereiche aufeinander abstimmen. So kann es in bestimmten Konstellationen zu ganz erheblichen Leistungslücken kommen!

Eine neue Variante zu Lasten von Kinderwunschpaaren ergibt sich aus dem Urteil des LSG Berlin – Brandenburg vom 24.4.2015. Das LSG stellt geradezu eine Kostenfalle auf! Es bleibt zu hoffen, dass sich die sehr zweifelhafte Rechtsauffassung des LSG nicht durchsetzen wird.

Kinderwunschpaare in ähnlichen Situationen sollten daher Leistungsablehnungen ihrer Krankenkassen, die sich auf dieses Urteil stützen, nicht ungeprüft hinnehmen! Dabei sind die Rechtsmittelfristen unbedingt zu beachten!

Sachverhalt: 

Der Mann ist beihilfeberechtigt und daneben mit einem Erstattungssatz von 50 % privat krankenversichert. Er leidet an organisch bedingter Unfruchtbarkeit. Seine Frau ist gesetzlich krankenversichert. Die PKV des Mannes hat Kostenbeteiligung versprochen und darum gebeten, dass vor Behandlungsbeginn die Frau bei ihrer Krankenkasse (auch) einen Leistungsantrag stellt, was auch geschah. Im Einklang mit der zivilrechtlichen Rechtslage hat die PKV des Mannes sodann tarifgemäß 50 % der Behandlungskosten erstattet. Die Frau hatte ebenso bei ihrer GKV rechtzeitig einen Behandlungsplan vorgelegt und dort Leistungen beantragt. Ihre GKV lehnte aber eine Kostenbeteiligung ab u.a. mit dem Argument, die PKV des Mannes habe 50 % bereits erstattet und mehr könne die Frau nach Kassenrecht gemäß § 27 a SGB V ohnehin nicht verlangen. Mit der Leistung der PKV des Mannes sei – auch! – die GKV der Frau von ihrer Leistungspflicht befreit worden.

Urteil LSG Berlin – Brandenburg (24.4.15):

Das Landessozialgericht gab der Krankenkasse der Frau recht! Die Frau ging daher leer aus.

Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des BSG bei gemischt versicherten Kinderwunschpaaren grundsätzlich ein Wahlrecht hinsichtlich der Beanspruchung ihrer Versicherungen. Aber hier sei durch die Zahlung der PKV des Mannes der Anspruch der Frau gegen ihre GKV erloschen oder auf andere Weise entfallen.

Das LSG räumte zwar ein, dass eine dogmatisch einwandfreie Begründung für das Untergehen des Anspruchs zweifelhaft ist. Allerdings interessierte sich das LSG für diese „Feinheit“ nicht weiter. Das LSG meinte: weil in der GKV gemäß § 27 a SGB V nur maximal 50 % der Behandlungskosten zu tragen sind und der Mann aus seiner Versicherung (PKV) bereits 50 % der Kosten erstattet bekam, könne seine Frau zusätzlich nichts mehr verlangen. Es handle sich bei den Ansprüchen des Mannes und der Frau um sich „überschneidende“ Ansprüche (diese vom LSG bemühte Rechtsfigur kennt das Gesetz nicht!). Und wenn dann die PKV zahle, erlösche im Ergebnis „automatisch“ auch die Schuld der GKV.

Unsere Anmerkung:

Das Urteil ist falsch.

Es übergeht zum einen die erwähnte Rechtsprechung des BSG. Zum anderen enthält es keine Begründung dafür, warum die Leistung einer Versicherung (hier PKV des Mannes) auf ihre eigene Verpflichtung zugleich eine andere Versicherung, hier die GKV der Frau, befreien soll und kann. Es handelt sich nämlich um 2 verschiedene Gläubiger (Mann und Frau) und auch um 2 verschiedene Versicherungs- und Leistungsverhältnisse. Warum sollte eine Versicherung Leistungen auf die Schuld einer anderen Versicherung erbringen? Und dürfte sie das überhaupt, wenn sie wollte? – Darauf blieb das LSG jegliche Antwort schuldig! Nach unserer Auffassung lässt sich eine schlüssige Begründung für die Annahme des LSG nicht finden.

(bearbeitet von Rechtsanwalt Hans Modl

Wir, Rechtsanwälte Modl & Coll., sind umfassend auf dem Gebiet des gesamten Kinderwunschrechts bundesweit anwaltlich tätig.

  • Kostenübernahme / Kostenerstattung für Kinderwunschbehandlung
  • steuerliche Absetzbarkeit der Aufwendungen für Kinderwunschbehandlung
  • Folgefragen bei Samenspende wie z. B. Unterhalt, Abstammung, Staatsangehörigkeit des Kindes
  • Internationales Familien- und Privatrecht nach Vornahme einer künstlichen Befruchtung im Ausland

Weitere Information dazu auf unseren Webseiten

  • www.kinderwunsch-anwalt.de
  • www.ramodl.de

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Hans Modl

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten