Leitende Angestellte: neues zur Abfindung bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit leitenden Angestellten

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1.

Bei der Entscheidung über die Höhe einer Abfindung hat sich das Arbeitsgericht von Amts wegen über die Höhe der Abfindung zu befinden ohne an Anträge der Parteien gebunden zu sein. § 10 KSchG gibt lediglich Höchstgrenzen für die Abfindung vor.

Die Angemessenheit hat sich im Rahmen dieser Höchstgrenzen am Zweck der Abfindung zu orientieren. Dieser besteht in erster Linie darin, dem Arbeitnehmer einen Ausgleich für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden zu gewähren, die sich aus dem an sich nicht gerechtfertigten Verlust des Arbeitsplatzes ergeben. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers, wobei in unionsrechtskonformer Auslegung im Hinblick auf Art. 19 Abs. 1 AEUV in erster Linie nicht das Alter an sich, sondern die vom Alter abhängigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt bei der Bemessung der Abfindungshöhe beachtlich sind (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.09.2020 ). Als geeigneter Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Zumessungsüberlegungen kann ein halbes Monatsgehalt je Beschäftigungsjahr dienen, was zudem der Wertung des § 1 a Abs. 2 KSchG entspricht .

2.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat sich in seinem aktuell veröffentlichten Urteil vom 17.08.2020 (Az.: 8 Sa 1271/18) auf den Standpunkt gestellt, dass leitenden Angestellten eine höhere als die Regelabfindung gebührt, da sie sonst keine Möglichkeiten hätten, sich gegen eine sozialwidrige Kündigung zur Wehr zu setzen.

Statt 0,5 Monatsvergütungen pro Beschäftigungsjahr sollen leitende Angestellte nach Meinung der Hammer Landesarbeitsrichter 0,75 Monatsvergütungen pro Beschäftigungsjahr erhalten.

Ein solcher Abfindungszuschlag für leitende Angestellte wird allerdings dann nicht fällig, wenn den leitenden Angestellten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ein Verschulden trifft.

Im entschiedenen Fall sprachen die Hammer Landesarbeitsrichter dem Kläger weitere 0,25 Monatsvergütungen pro Beschäftigungsjahr wegen seines schon fortgeschrittenen Alters zu; sie begründeten den weiteren Zuschlag damit, dass ab einem Lebensalter von 55 Jahren von altersbedingt schlechteren Arbeitsmarktchancen und deshalb von einem höheren Absicherungsbedarf ausgegangen werden müsse.

In Summe erhielt der Kläger vom Landesarbeitsgericht Hamm daher eine volle Monatsvergütung pro Beschäftigungsjahr als Abfindung.

2.

Wer ist überhaupt Leitender Angestellter?

Der Begriff des Leitenden Angestellten wird im Arbeitsrecht nicht einheitlich verstanden. So deckt sich nach allgemeiner Ansicht der Begriff des Leitenden Angestellten im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes nicht mit dem nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Im Hinblick auf die Entscheidung, ob der Betriebsrat bzw. der Sprecherausschuss bei einer Kündigung zu beteiligen sind, muss die Abgrenzung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG vorgenommen werden. Für die Frage, ob ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers ohne Begründung möglich ist, ist eine Abgrenzung nach § 14 Abs. 2 KSchG notwendig.

§ 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG nennt als leitende Angestellte Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Zur selbstständigen Einstellung und Entlassung sind nur solche Arbeitnehmer i. S. d. § 14 Abs. 2 KSchG berechtigt, deren entsprechende Befugnis nicht nur im Innenverhältnis, sondern auch im Außenverhältnis besteht. Von einer Berechtigung zur selbständigen Einstellung kann nicht die Rede sein, wenn sie sich auf die Befugnis beschränkt, intern Vorschläge zu unterbreiten. Die Befugnis muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl von bedeutenden Arbeitnehmern erfassen. Entscheidend für den Inhalt der Personalkompetenz ist, welchen Stellenwert die Tätigkeit der Mitarbeiter, die der Betreffende einstellt oder entlässt, für das Unternehmen hat. Die Voraussetzung des § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG können deshalb auch dann erfüllt sein, wenn sich die personellen Entscheidungskompetenzen des Angestellten auf eine abgeschlossene Gruppe bezieht, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Gewicht ist. Die Personalkompetenz muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen und darf nicht “nur auf dem Papier” stehen. Sie muss tatsächlich ausgeübt werden.

3.

Für die Kalkulation von Abfindungszahlungen für leitende Angestellte ist folgendes zu berücksichtigen:

Für die Abfindungsberechnung zählt nicht nur das Grundgehalt.

Nach § 10 Absatz 3 des Kündigungsschutzgesetzes gehören zum abfindungsrelevanten Monatsverdienst neben dem Grundgehalt vielmehr außerdem:

  • Zuwendungen mit Entgeltcharakter wie z. B. ein vereinbartes 13. oder 14. Monatsgehalt, Tantiemen, Jahresabschlussvergütungen, Umsatzbeteiligungen etc. Werden diese Zuwendungen jährlich geleistet, sind sie zur Berechnung des Monatsverdienstes anteilig umzulegen, d. h. durch 12 zu teilen;
  • der geldwerte Vorteil für einen auch privat nutzbaren Dienstwagen;
  • Zulagen, Zuschläge, Prämien, Provisionen;
  • Überstundenvergütungen, sofern Überstunden regelmäßig anfallen;
  • vereinbarte Wege- und Fahrgelder, sofern sie unabhängig von notwendige Aufwendungen gezahlt werden;
  • ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie
  • sonstiges Sachbezüge.

Gerne helfe ich Ihnen weiter.

RA Bernd Gasteiger LL.M.

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht


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