Mängel der Kaufsache: Wo sind die Ansprüche des Käufers auf Nacherfüllung etc. zu erfüllen und wo ist ggf. zu klagen?

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Stellt sich eine Kaufsache als mangelhaft heraus, kann der Käufer vom Verkäufer entweder Nacherfüllung, also Nachbesserung und Nachlieferung, verlangen oder nach dem Setzen einer angemessenen Frist vom Vertrag zurücktreten.

Aber was ist, wenn der Wohnsitz des Verkäufers und der des Käufers auseinanderfallen, also eine Kaufsache beispielsweise in München erworben wird, der Käufer aber in Berlin wohnt?

Muss der Verkäufer dann die Nacherfüllung oder die Rückabwicklung des Kaufvertrags im Rahmen des Rücktritts am Wohnsitz des Käufers vornehmen? Und wo müsste man als Käufer klagen? Wie kann man bei einem örtlichen Auseinanderfall von Wohnsitzen lange Wege und Unannehmlichkeiten im Rahmen der Nacherfüllung oder des Rücktritts vermeiden?

Grundsätzlich richtet sich auch im Kaufrecht der Erfüllungsort der Nacherfüllung, also der Ort, an dem der Verkäufer durch Vertrag verpflichtet ist, die Leistung zu erbringen, nach § 269 BGB. Demnach sind zunächst Vereinbarungen zwischen Käufer und Verkäufer entscheidend. Mangelt es an diesen, ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzustellen. Ergibt sich der Erfüllungsort auch daraus nicht, ist er dort anzusiedeln, wo der Schuldner, hier also der Verkäufer, zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.

Diese Regelung ist vor allem bei Geschäften des täglichen Lebens sinnvoll, also beispielsweise beim Kauf im Ladengeschäft. In solchen Fällen ist es sinnvoll, dass die Kunden ihre Reklamation unter Vorlage der mangelhaften Ware am Sitz des Verkäufers vorbringen. (BGH, Urteil vom 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, Quelle: https://openjur.de/u/165352.html )

Auch bei Kaufverträgen über Fahrzeuge ist oft eine technisch aufwändige Diagnose- oder Reparatur nötig und daher ist es zweckgemäß, diese in der Werkstatt des Händlers vorzunehmen. (BGH, Urteil vom 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, Quelle: https://openjur.de/u/165352.html )

Etwas anderes ergibt sich allerdings bei Anfechtung, Rücktritt oder Widerruf: Nach der Rechtsprechung ist der Kaufvertrag dort rückabzuwickeln, wo sich die Kaufsache zum Zeitpunkt der Anfechtung, des Rücktritts oder Widerrufs vertragsgemäß befindet (sogenannter „Austauschort“). Dies ist in der Regel der Wohnsitz des Käufers (KG, Beschluss vom 21.03.2016 - 2 AR 9/16, Quelle: https://openjur.de/u/884564.html ).

Bei Erhebung einer Klage kommt es auf die oben ausgeführten Unterschiede des Erfüllungsorts im Rahmen des Gerichtsstandes gerade an!

Grundsätzlich ergibt sich der Gerichtsstand, also der Sitz des örtlich zuständigen Gerichts, nach §§ 13 ff. ZPO und wird durch den Wohnsitz bestimmt (sogenannter „allgemeiner Gerichtsstand“).

Daneben kann es für den Kläger im Einzelfall noch zusätzliche gesetzliche (Wahl)-Gerichtsstände geben, die sogenannten „besonderen Gerichtsstände“. Dann kann sich der Kläger aussuchen, wo er klagt, welcher für ihn „günstiger“ ist.

Vorliegend käme gemäß § 29 ZPO der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts in Betracht. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Orts zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.

Bei der Nacherfüllung liegt der Erfüllungsort, wie oben ausgeführt, am Wohnsitz des Verkäufers. Im oben genannten Beispiel müsste der Käufer also in München und nicht in Berlin Klage erheben.

Bei Rücktritt, Anfechtung und Widerruf allerdings liegt der Erfüllungsort dort, wo sich die Kaufsache zum Zeitpunkt der Anfechtung, des Rücktritts oder Widerrufs vertragsgemäß befindet. Dies ist in der Regel beim Wohnsitz des Käufers und daher kann dieser gemäß § 29 Abs. 1 ZPO bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Amts- oder Landgericht Klage erheben.

Der Käufer könnte also, wenn sich die Kaufsache in Berlin befindet, auch dort Klage erheben und würde sich den Weg nach München sparen.

Tipp:

Grundsätzlich müssen immer die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Dies meint zunächst die Verkehrssitte, also den gewöhnlichen Umgang (Palandt/Grüneberg, 78. Auflage 2019, § 269, Rn. 12).  Beim Nacherfüllungsort auf den Wohnsitz des Verkäufers abzustellen, ist nach der Rechtsprechung außerdem dann unangemessen, wenn es um die Nachbesserung von Gegenständen geht, die der Käufer an ihrem Bestimmungsort auf- oder eingebaut hat, oder in denen ein Rücktransport aus anderen Gründen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zu bewerkstelligen wäre (BGH, Urteil vom 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, Quelle: https://openjur.de/u/165352.html ). Übernimmt der Verkäufer die Anlieferung der Ware, ist der Erfüllungsort in der Regel die Wohnung des Käufers, so beispielsweise bei Heizöl, Kohle oder Möbeln (Palandt/Grüneberg, 78. Auflage 2019, § 269, Rn. 12).

Darüber hinaus empfiehlt es sich, wenn Wohnsitz des Käufers und Verkäufers auseinanderfallen, vorab mit dem Verkäufer den Nacherfüllungsort zu vereinbaren. Dadurch können lange Wege zum Wohnsitz oder Gewerbebetrieb des Verkäufers vermieden werden. Eine solche Vereinbarung könnte allerdings im Einzelfall schwierig werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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