Zivilrechtliche Ansprüche bei nicht gesetzeskonformen FFP2-/ Atemschutzmasken - Teil 3

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Teil 3

III.
Mangelhaftigkeit - vertragliche Gewährleistung, Produkthaftung und unlauterer Wettbewerb

Nicht gesetzeskonforme Gesichtsmasken können einen Mangel aufweisen und neben den öffentlich-rechtlichen Sanktionen der Marktaufsichtsbehörden vertragliche Gewährleistungsrechte von Käufern, Abmahnungen von Wettbewerbern und im äußersten Fall Schadensersatzansprüche der Endnutzer und Verbraucher nach dem Produkthaftungsgesetz auslösen.

In den Medien häufen sich derzeit Meldungen von rechtlichen Auseinandersetzungen sowohl des Bundes als auch gewerblicher Käufer von angeblichen „FFP2“-Masken gegenüber Lieferanten, Händlern und Herstellern, die dies bestätigen.

Dabei weckt die Sach- und Rechtslage teilweise sichtlich Assoziationen zu den Betrugsvorwürfen und den Manipulationen der Hersteller im Zusammenhang mit dem Dieselabgasskandal. So lässt sich nicht selten bei eingehender Prüfung feststellen, dass die Dokumentation insbesondere zu den notwendigen Produktsicherheitsprüfungen manipuliert oder gefälscht werden und Wirtschaftsakteure die Masken unzulässigerweise mit einer CE-Kennzeichnung. 

Unzutreffend gekennzeichnete Masken sind für gewerbliche Käufer aber ebenso nicht verwertbar wie unzulässigerweise nicht CE-gekennzeichnete Masken und damit mangelhaft.

1.         Materielle Mangelhaftigkeit

Materielle Mangelhaftigkeit bzw. Nichtkonformität liegt vor; wenn ein Produkt in der Anwendung nicht die Schutzziele der entsprechenden Produktsicherheitsvorschrift erreicht und damit für die Verbraucher und Endnutzer in der Anwendung gefährlich ist.

Dies ist bei Masken anzunehmen, wenn beispielsweise die verwendeten Materialien schadstoffbelastet sind, die Maske keine ausreichende Luftdurchlässigkeit gewährleistet bzw. nicht die geforderte Dichte insbesondere wegen einer mangelhaften Passform aufweist.

Wird zum Nachweis der Konformität eines Produktes eine harmonisierte Norm („DIN-Norm“) verwendet, ist – mangels abweichender Vereinbarungen – von einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen. Als konkludent vereinbart gilt dann eine Beschaffenheit, die den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Stellt sich heraus, dass das Produkt die DIN-Norm – vorliegend die - DIN EN 149:2001+A1:2009 - nicht erfüllt, liegt ein Sachmangel vor.

Wird beim Bestellvorgang auf eine solche DIN-Norm Bezug genommen, alternativ auf die maßgebliche EU-Richtlinie oder eine das besondere Schutzniveau ausweisende Bezeichnung wie vorliegend Atemschutzmaske oder FFP2-Maske, so ist eine dahingehende Beschaffenheitsvereinbarung einer der PSA-Richtlinie und dieser Norm unterliegenden Atemschutzmaske auszugehen.

Letztendlich wird es sich bei einer materiellen Nichtkonformität der Masken immer um einen Sachmangel handeln, da das Produkt dann keine Beschaffenheit aufweist, die üblicherweise von einem Verbraucher bzw. Endnutzer aber eben auch gewerblichen Käufern und Zwischenhändlern erwartet werden kann.

Dies gilt im Besonderen auch für gewerbliche Käufer und Zwischenhändler, die materiell mangelhafte Produkte bzw. Masken nicht weiterverkaufen dürfen.

2.         Formelle Mängel

Ein Sachmangel der Masken ist in aller Regel auch in Fällen der formellen Mangelhaftigkeit bzw. Nichtkonformität anzunehmen. Dies gilt insbesondere, wenn die für eine CE-Kennzeichnung von Atemschutzmasken erforderlichen Unterlagen nicht vorliegen bzw. manipuliert worden sind oder auch aus anderen Gründen eine CE-Kennzeichnung zu Unrecht erfolgt ist und solche Masken als „FFP2“-Masken ausgewiesen werden.

Allen Fällen ist gemeinsam, dass für gewerbliche Käufer und Händler derart falsch gekennzeichnete Masken oder solche mit fehlender bzw. unzureichender Dokumentation nicht weiter verkaufsfähig bzw. zweckentsprechend einsetzbar und damit mangelhaft sind, da sie insbesondere mit öffentlich-rechtlichen Sanktionen wie auch Gewährleistungsansprüchen ihrer Kunden sowie der Abmahnung durch Wettbewerber rechnen müssen.

Die Bundes- und Landesbehörden als Käufer solcher formell mangelhafter Masken müssen damit rechnen, dass der Einsatz solcher Masken von den Unterbehörden untersagt bzw. verweigert wird und bei der Verwendung dieser mit Personenschäden der Endnutzer zu rechnen ist. Dies gilt im Besonderen, wenn sich Zweifel zum tatsächlichen Schutzniveau und damit ein berechtigter Gefahrenverdacht wegen fehlender oder gefälschter Dokumente sowie anderer formeller Mängel nicht ausräumen lassen.

Bei B2B-Verträgen etwa zwischen Hersteller und Händler ergibt sich eine Mangelhaftigkeit der Masken auch aus Gründen der fehlenden Verkaufsfähigkeit. Nichtgesetzeskonforme Masken mit fehlender CE-Kennzeichnung oder unzutreffender CE-Kennzeichnung oder anderen formellen Versäumnissen dürfen nach den einschlägigen EU-Richtlinien nicht in Verkehr gebracht werden. In diesen Fällen ist damit zu rechnen die Marktaufsichtsbehörden den Wirtschaftsakteuren eine Bereitstellungsuntersagung sowie Rückanordnung auferlegen, sofern der Wirtschaftsakteur einer vorhergehenden behördlichen Aufforderung nicht freiwillig nachkommt.

Fazit: Unzutreffend CE-gekennzeichnete Atemschutz- und FFP2-Masken sind für gewerbliche Käufer nicht verkaufsfähig und damit mangelhaft.  

Anders lässt sich diese Frage eventuell zu beurteilen, ob ein privater Käufer und damit der Verbraucher sich ohne weiteres auf einen Sachmangel wird berufen können, wenn für das Produkt, vorliegend die Masken, "nur" eine formale Nichtkonformität festzustellen ist. So sahen es einige Oberlandesgerichte in der Vergangenheit , wenn ein materieller Produktionsfehler nicht feststellbar. An einem Mangel sollte es danach fehlen, da ein rein formeller Fehler die eigenen Nutzung des Produktes durch den Verbraucher nicht einschränke. Die fehlende Verkaufsfähigkeit spiele für den Verbraucher, anders als für Händler keine tragende Bedeutung für die geschuldete Warenbeschaffenheit. In der Rechtsprechung zum Dieselabgasskandal ist auch dazu eine Abweichung von einer solchen Auffassung anzunehmen, da es hier zum Teil auch um die eingeschränkte Weiterveräußerungsmöglichkeit durch den Verbraucher ging. 

3. Unlauterer Wettbewerb - Abmahngefahr nach dem UWG

Für ein Fehlen der Verkaufsfähigkeit der Masken für Händler und deren Mangelhaftigkeit lässt sich auch das Abmahnrisiko durch Wettbewerber und den damit verbundenen Unterlassungsansprüchen und Kosten anführen. 

So ist davon auszugehen, dass FFP2- und alle Arten anderer Atemschutzmasken am Markt bei Vorliegen formeller Mängel wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinienvorgaben wettbewerbswidrig und damit gemäß §§ 3 Abs. 1, 3a UWG abmahnfähig sind. 

Wie vorstehend bereits dargestellt, gilt dies gerade auch für Fälle, bei denen das vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren samt erforderlicher EU-Baumusterprüfung durch eine benannte Stelle nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erfolgt ist und die Masken vom Hersteller unzulässigerweise mit dem CE-Kennzeichen versehen wurden. Ein formeller Verstoß gegen zwingenden Richtlinien-Vorschriften, vorliegend gegen die PSA-Richtlinie EU 2016/425, stellt eine wettbewerbswidrige unlautere und damit abmahnfähige  geschäftliche Handlung der beteiligten Wirtschaftsakteure vom Hersteller bis zum Händler der Masken  dar. 

4. Anwaltliche Beratung und Prozessführung

Wir beraten als im Produktsicherheitsrecht spezialisierte Wirtschaftskanzlei seit dem Frühjahr 2020 eine Vielzahl von Unternehmen auf Käufer- sowie Verkäuferseite zur Wahrung der eigenen Rechtsposition sowie dem Schutz des Marktes vor mangelhaften Atemschutzmasken.

Auf Verkäuferseite geht es um die Bereitstellung gesetzeskonformer Masken und insbesondere Fragen der Herstellereigenschaft als Inverkehrbringer der Masken, die Pflichten zur ordnungsgemäßen CE-Kennzeichnung, Ausstellung der EU-Konformitätserklärung, die EU-Baumusterprüfbescheinigung einer zertifizierten Stelle in der EU und die Klärung von Anfragen seitens der Marktaufsichtsbehörden.

Auf Käuferseite sind wir von Zwischenhändlern beauftragt, Gewährleistungsansprüche gegenüber Lieferanten durchzusetzen, Sachverhaltsaufklärung mit Prüflaboren und den Überwachungsbehörden zu betreiben sowie den Vertrieb nicht gesetzeskonformer Produkte durch Wettbewerber zu untersagen.

Gerade Masken aus asiatischer Herstellung weisen oftmals unzureichende Dokumente und Prüfungen auf, die den gesetzlichen Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/425 für persönliche Schutzausrüstung nicht entsprechen. Teilweise haben inländische Hersteller und Händler versucht, sich mit manipulierten Dokumenten zu “behelfen”, was stark an die Manipulationsvorwürfe im Dieselabgasskandal erinnert und auch von der Marktaufsicht scharf sanktioniert wird. 

Unsere Kanzlei führt aktuell das zivilrechtliche Parallelverfahren zu dem vom OVG Lüneburg am 09.12.2020 aus öffentlich-rechtlicher Sicht entschiedenen Sachverhalt, bei dem der durch unsere Mandantin auf Kaufpreisrückzahlung verklagte inländische Hersteller eben derart manipulierte Dokumente verwendet hat, um die eigene unzutreffende CE-Kennzeichnung und damit die fehlende Verkaufbarkeit der betroffenen FFP2-Masken zu "vertuschen".

Über den Ausgang dieser zivilrechtlich für Hersteller, Lieferanten und Händler jeder Art von persönlicher Schutzausrüstung wegweisenden Entscheidung halten wir Sie auf dem Laufenden.


Stuttgart, den 26.01.2021

Dominik Görtz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Produkthaftung / Produktsicherheit
www.goertz-legal.de



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