Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung

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Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 12. Januar 2022 die Frage zu entscheiden, ob ein Mieter von gewerblich genutzten Räumen für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung während der Covid-19-Pandemie zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist. 

Sachverhalt

Die Beklagte hatte von der Klägerin Gewerberäumlichkeiten zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilwaren sowie Waren des täglichen Gebrauchs gemietet. Am 18. und 20. März 2020 erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Allgemeinverfügungen, aufgrund derer die Beklagte ihrer Einzelhandelstätigkeit in dem vermieteten Objekt vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 nicht nachgehen konnte, da das Geschäft geschlossen werden musste. 

Die Beklagte entrichtete für die Zeit der behördlichen Anordnung (April 2020) keine Miete an die Klägerin.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Mieter wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB besteht, wenn die Schließung aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Kubik-19-Pandemie erfolgt ist. Allerdings hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die auf den Allgemeinverfügungen beruhende Betriebsschließung nicht zwangsläufig zu einem Mangel des Mietgegenstandes im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz BGB  führt. 

Es ist zwar grundsätzlich denkbar, dass die Beeinträchtigungen durch gesetzgeberische Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses einen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen. 

Allerdings ist hierfür Voraussetzung, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. 

Die mit der Schließungsanordnung verbundene Gebrauchsbeschränkung der Beklagten erfüllte diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht. Denn die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpft allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des Sars-CoV-2-Virus begünstigt und der aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte. 

Durch die Allgemeinverfügung wird der Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume nicht verboten. Das Mietobjekt stand trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzwecke zur Verfügung. 

Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich ein Mangel auch nicht aus dem im vorliegenden Fall vereinbarten Mietzweck der Räumlichkeiten "zur Nutzung als Verkaufs-und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäftes für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge-und Verbrauchs".

Denn die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, dass die Klägerin eine unbedingte Einstandspflicht auch für den Fall einer hoheitlich angeordneten Schließung im Falle einer Pandemie übernehmen wollte.


Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB

Dem Mieter von gewerblich genutzten Räumen kann jedoch im Falle einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB zustehen. 

Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 ist aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie wie Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen und der damit verbundenen massiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland im vorliegenden Fall die sogenannte große Geschäftsgrundlage betroffen.

Hierunter versteht man die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die soziale Existenz nicht erschüttert wird. Diese Erwartung der Parteien wurde dadurch schwerwiegend gestört, dass die Beklagte aufgrund der zur Bekämpfung der Pandemie erlassenen Allgemeinverfügungen ihr Geschäft in der Zeit vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 schließen mussten.

Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage berechtigt die Parteien jedoch noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Die Vorschrift verlangt des Weiteren, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Beruht die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters, wie im vorliegenden Fall, auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum, geht dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus.  Denn die wirtschaftlichen Nachteile beruhen im vorliegenden Fall nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der enttäuschten Vorstellung, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden. 

Die Nachteile sind vielmehr Folge der umfangreichen staatlichen Eingriff in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der Pandemie, für die keine der beiden mit Vertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann.

Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der behördlichen Schließungsanordnung verlangen kann. 

Es bedarf im Einzelfall immer einer umfassenden Abwägung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag zuzumuten ist. Hierbei sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Eine pauschale Betrachtungsweise verbietet sich. 

Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Das OLG hat nunmehr zu prüfen, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Beklagte hatte und ob diese Nachteile ein Ausmaß erreicht haben, dass eine Anpassung des Mietvertrags erforderlich macht.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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