MRT-Notabschaltung - Wer haftet?

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Eine Notabschaltung bei einem MRT-Gerät, bekannt als Quench, führt schnell zu beträchtlichen Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich. Ein solcher Quench wird unter Umständen erforderlich, wenn ein Patient während der Untersuchung Metall am Körper trägt und dadurch vom Gerät angezogen und festgehalten wird. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer für die dabei entstehenden Kosten haftbar gemacht werden kann.



OLG Nürnberg, Urteil vom 15.02.2023 – 4 U 20/22 



Der Fall dreht sich um einen Schadensersatzanspruch eines Radiologen (Kläger) gegen seine Patientin (Beklagte), die am 20. Juni 1942 geboren wurde. Anlass des Rechtsstreits ist ein Vorfall während einer MRT-Untersuchung am 17. Juni 2020, bei der die am linken Bein der Beklagten befestigte Orthese vom Magneten des MRT angezogen wurde. Dieser Umstand zwang den Kläger zur Notabschaltung des MRT-Geräts, bekannt als Quench. Der Kläger machte in der ersten Instanz Kosten geltend, die für das neue Befüllen des Magneten mit flüssigem Helium sowie für den Einsatz eines Servicetechnikers entstanden sind (insgesamt 47.457,33 € plus 9.016,90 € Mehrwertsteuer). Zudem forderte er Ersatz für einen Umsatzverlust in Höhe von 6.625,23 €.


In der ersten Instanz verurteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth die Beklagte zur Zahlung von 28.237,12 € zuzüglich Zinsen sowie 673,90 € für außergerichtliche Kosten. Der Anspruch auf Ersatz von Umsatzverlust wurde abgelehnt. Das Gericht erkannte ein Mitverschulden des Klägers von 50 % an und bewertete die grobe Fahrlässigkeit der Beklagten als ursächlich, weil sie nicht auf die metallische Orthese hingewiesen hatte.


Sowohl Kläger als auch Beklagte legten gegen das Urteil Berufung zum Oberlandesgericht Nürnberg ein. 

Der Kläger akzeptierte zwar die Entscheidung bezüglich des entgangenen Gewinns, widersprach jedoch der Feststellung eines Mitverschuldens und verfolgte den vollen Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Befüllen mit Helium und den Technikereinsatz weiter. Er argumentierte, dass das Abnehmen der Orthese nicht ohne erhebliche Gefahr möglich gewesen wäre.  

Die Beklagte strebte in der Berufung eine vollständige Abweisung der Klage an und wandte sich gegen die Feststellungen des Landgerichts zum Mitverschulden und zur Schadenshöhe. Sie argumentierte, ihr Verhalten sei lediglich leicht fahrlässig gewesen, da ihr der Unterschied zwischen einer Computertomographie und der MRT-Untersuchung nicht bewusst war und sie Anamnesebogen nicht ausdrücklich nach einer Orthese gefragt wurde. Außerdem betraf die MRT-Untersuchung ihren Nacken. Sie wusste nicht und hätte auch nicht wissen können, dass auch für diese Untersuchung der ganze Körper in das Gerät hineingeschoben werden musste. Außerdem hätten die Mitarbeiter des Klägers wegen des "versteiften Gangbildes" der Beklagten die Orthese hätte sehen müssen.


Beide Berufungen waren zulässig, führten aber zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg, während die Berufung der Beklagten zur Abänderung des Urteils der ersten Instanz und zur vollständigen Klageabweisung führte. 

Die Beklagte muss sich zumindest leichte Fahrlässigkeit (§ 276 BGB) vorwerfen lassen. Denn im Anamnesebogen zur Kernspintomographie (MRT) wurde darauf hingewiesen, dass Metallteile im Magnetfeld Unfälle herbeiführen können und  die dort genannten metallischen Gegenstände abzulegen sind. Entsprechende Warnhinweise und Verbotszeichen fanden sich auch in der Umkleidekabine und an der Tür zum Untersuchungsraum. 

Das Berufungsgericht stellte aber weiter fest, dass dem Kläger ein Mitverschulden in einem solchen Ausmaß anzulasten war, dass eine Haftung der Beklagten vollständig zurücktrat. Es wurde bemängelt, dass die Mitarbeiter des Klägers die Orthese hätten erkennen müssen und der Kläger die Beklagte auf die hohen Schadensfolgen einer Notabschaltung hätte hinweisen müssen. Das Gericht wies darauf hin, dass die deutliche Erkennbarkeit der Orthese und die mangelnde Aufklärung der Beklagten über die potenziellen hohen Schäden einer Notabschaltung zu einem besonders gravierenden Mitverschulden des Klägers führte. Daher wurde die Haftung der Beklagten vollständig verneint, und die Klage wurde in der Hauptsache abgewiesen.

Foto(s): stock.adobe.com Gpoint Studio


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