Muss ich meine Miete zahlen? Luxemburgischer Gewerbemietvertrag (Bail commercial) - Covid-19 - Mietaufhebung

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Muss ich meine Miete zahlen, obwohl ich mein Geschäft wegen der Corona-Maßnahmen schließen musste? Mehrere interessante Urteile lassen einen zweifeln.

In mehreren Urteilen[1] wurde das Friedensgericht von Gewerbemietern (Cafés, Fitnessstudios etc.) mit der Frage eines Rechts auf Mietaufhebung befasst. Aufgrund der Einschränkungen oder Aussetzung ihres Gewerbebetriebs durch Schließungen in den Ramen der „Corona-Maßnahmen“ haben viele Gewerbemieter erhebliche Umsatzeinbußen erlitten und sind nicht mehr in der Lage Ihren Mietpflichten nachzukommen. In den im Januar gesprochenen Urteilen wurde nun die Frage beantwortet, ob die behördlich angeordnete Schließung zu Mietminderung oder sogar zu Mietaufhebung berechtigt.

Das Friedensgericht erinnert zunächst daran, dass der Mietvertrag naturgemäß ein gegenseitiger Vertrag ist, der Leistungen des Vermieters und des Mieters vorsieht. Die wesentliche Leistung des Vermieters besteht darin, dem Mieter den Genuss der gemieteten Räumlichkeiten zu ermöglichen (Artikel 1719 des Code civil). Im Gegenzug besteht die wesentliche Leistung des Mieters darin, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu zahlen (Artikel 1728 des Code civil). Sobald der Mietvertrag abgeschlossen wurde, ist die erste zu erfüllende Verpflichtung in den Händen des Vermieters: Dieser muss liefern und für die „ungestörten Nutzung“ der Mietsache sorgen. Erst in einem zweiten Schritt, also nachdem die Pflichten des Vermieters erfüllt wurden, ist der Mieter zur Zahlung der Miete verpflichtet.

Demnach ist eine der Hauptleistungen des Vermieters, dem Mieter eine, an dem von den Parteien beabsichtigten Bestimmungsort für den von den Parteien beabsichtigten Bestimmungszweck, ungestörte Nutzung der Mietsache zu ermöglichen. Wenn höhere Gewalt („force majeure“) den im Mietvertrag vorgesehenen Bestimmungszweck unmöglich macht oder vereitelt endet auch die Verpflichtung des Mieters auf Zahlung der Mieten ganz oder teilweise. Gemäß den behandelten Urteilen, besteht daher eine Aufhebung der vom Mietvertrag vorgesehenen Pflichten (insbesondere Zahlung der Miete), sobald höhere Gewalt den Mietgegenstand für den zwischen den Parteien vereinbarten Bestimmungszweck unbrauchbar macht. Die angeführte Rechtsprechung[2] verlangt allerdings, dass es sich um eine absolute Unbrauchbarkeit der Mietsache handelt, eine Minderung reicht nicht aus.

Das Friedensgericht rechtfertigt diese Argumentation durch Artikel 1722 des Code civil und die „théorie des risques“ die besagt, dass ein Vermieter von der Erfüllung seiner Pflicht befreit ist, wenn die Nichterfüllung auf einen ihm fremden Grund zurückzuführen ist. Es besteht keine vertragliche Haftung und daher keine Schadensersatzvergabe. Da es sich bei dem Mietvertrag jedoch um einen gegenseitigen Vertrag handelt, ist auch der Gewerbemieter von der Erfüllung seiner entsprechenden Verpflichtungen (Zahlung der Miete) befreit.

Das Friedensgericht erkennt somit, dass die Pflichten der Parteien aufgehoben werden, wenn das Mietobjekt, zwar physisch weiter existiert, allerdings für den beabsichtigten Bestimmungszweck ungeeignet wird. Weiter erkennt das Gericht an, dass die Ereignisse, die das Mietobjekt unbrauchbar machen vorübergehender Natur sein können. In diesem Fall verschwindet der Vertragsgegenstand nicht; er ist zeitweilig nicht verfügbar und die Pflichten der Vertragspartner werden einfach ausgesetzt. Die Pflichten werden wieder aufgenommen, sobald die Ereignisse die, die zweckmäßige Nutzung wieder möglich machen. Man setzt die Pflichten des Vermieters und des Mieters aus, der Mietvertrag selber bleibt bestehen[3].

Somit stellt das Gericht fest, dass die Schließungs-fristen für den Vermieter einen Fall „vorübergehender“ höherer Gewalt darstellen. Diese hindert ihn daran, dem Mieter die „ungestörte Nutzung“ des Mietobjekts zu ermöglichen. Daraus folgt, dass der Mieter, für die Zeit der vorgeschriebenen Schließung von der Zahlung der Miete und der mit dem Betrieb der Räumlichkeiten verbundenen Gebühren befreit ist. Dieser Nutzungsverlust kann allerdings nur während der vorgeschriebenen Schließung geltend gemacht werden.

Diese Rechtsprechung unterscheidet demnach zwischen einer totalen Schließung und teil-Schließung, also ob z.B. take-away service weiterhin möglich bleibt. Das von Artikel 1722 des Code civil angeführte Rechtsmittel auf Basis der „théorie des risques“ kann somit nur für Gebäude gelten, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind und unter die Entscheidung fallen, in Anwendung von Artikel 2 des „ Arrêté ministériel du 16 mars 2020 portant sur diverses mesures relatives à la lutte contre la propagation du virus covid-19“ (oder einer folge Bestimmung[4]) zu schließen. Demnach wird unterschieden, ob die Entscheidung zur Schließung das Mietobjekts selbst oder die Tätigkeit des Mieters betrifft. Wenn es sich um das Gebäude handelt, wird die Unmöglichkeit der Nutzung mit einem teilweisen Verlust der Sache gleichgesetzt. In diesem Fall werden die entsprechenden Mieten nicht fällig. Umgekehrt bleiben die Mieten fällig, wenn es sich um die Tätigkeit des Mieters und nicht um die gemieteten Räumlichkeiten handelt, so dass die Unmöglichkeit der Nutzung der Immobilie nicht mehr mit einem Verlust der Immobilie gleichgesetzt werden kann.

Berufung gegen diese Urteile wurde eingelegt, daher ist die hier beschriebene Schlussfolgerung  it Vorsicht zu genießen.

[1] Jugement de la Justice de Paix du 14/01/2021 n° 124/2021 ; Jugement de la Justice de Paix du 13/01/2021 n° 94/21 ; Jugement du Tribunal de Paix du 21/01/2021 n° 197/2021, Jugement du Tribunal de Paix du 21/01/2021 n° 204/2021

[2] Jugement de la Justice de Paix du 13/01/2021 n° 94/21

[3] Jugement de la Justice de Paix du 14/01/2021 n° 124/2021 

[4] Artikel 2 des Gesetzes vom 25 November 2020 „modifiant 1° la loi modifiée du 1er juillet 2020 sur les mesures de lutte contre la pandémie Covid-19 2° la loi modifiée du décembre 2009 relative à l’hospitalisations sans leur consentement de personnes atteintes de troubles mentaux“



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