Ich kann nicht klagen! - Musterfeststellungsklagen im Zivilprozessrecht

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Keine Klagebefugnis im Musterfeststellungsverfahren für die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. – so hat es das OLG Frankfurt am Main im Urteil vom 5. November 2021, Az.: 24 MK 1/18, entschieden | Pressemitteilung vom 29. Dezember 2021. Die entsprechende Klage wurde deshalb als unzulässig abgewiesen. Gescheitert war der klagende Verein zahlenmäßig an der Hürde von mindestens 350 natürlichen Personen als Mitglieder. Da er auch nicht mindestens zehn Verbände, tätig im gleichen Aufgabenbereich, als Mitglieder hatte, zählte der Verein nicht zu den qualifizierten Einrichtungen, die zur Erhebung der Musterfeststellungsklage nach § 606 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO berechtigt seien.

Was ist der Zweck der Musterfeststellungsklage und wer darf sie erheben?

2018 wurde die Musterfeststellungsklage in die §§ 606 bis 613 ZPO eingeführt. Zweck war es, kollektive Rechtsverfolgung auch im Zivilprozess möglich zu machen. Verallgemeinerungsfähige Fragen der Haftung eines Unternehmers gegenüber Verbrauchern sollen verbindlich und einheitlich geklärt werden.

Das Mittel der Musterfeststellungsklage ist nicht neu. So existiert seit 2005 ein Pendant im Kapitalmarktrecht: die Musterfeststellungsklage nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG). In einigen Punkten diente die KapMuG-Variante als Vorbild, doch ein wesentlicher Unterschied besteht: Im Kapitalmarktrecht dürfen auch Einzelpersonen einen Musterfeststellungsantrag stellen. Im ZPO-Verfahren ist dies qualifizierten Einrichtungen vorbehalten. Welche das sind, nennt § 606 Abs. 1 Satz 2 ZPO. In dessen Nr. 1 ist festgelegt, dass die Einrichtung eine bestimmte Anzahl an Mitgliedern haben muss: entweder mindestens zehn Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind oder mindestens 350 natürliche Personen.

Weitere Voraussetzungen, die die klagenden Verbände erfüllen müssen, nennen die Nr. 2 bis 5 des § 606 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Internetmitglieder zählen nicht als Vollmitglieder

In dem Verfahren vor dem OLG Frankfurt am Main ging es der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. um diverse Feststellungen im Zusammenhang mit dem Verbrauchererwerb von Orderschuldverschreibungen, Genussrechten und/oder Nachrangdarlehen bestimmter Unternehmen.

Doch zu diesen Feststellungen kam es erst gar nicht. Da die Klage bereits an der Hürde der Zulässigkeit scheiterte, musste sich das OLG mit den gestellten Fragen gar nicht auseinandersetzen. Die einzig in Betracht kommende Mitglieder-Variante von mindestens 350 natürlichen Personen lag nicht vor. Von den mehr als 350 benannten Mitgliedern durften nicht alle mitgezählt werden. Bei einem Gros der Genannten handelte es sich um Internetmitglieder ohne Stimmrecht. Und ohne Stimmrecht konnten die entsprechenden Mitglieder keinen Einfluss auf die Geschicke des Vereins in Versammlungen nehmen und zählten deshalb nicht als Vollmitglieder. Mangels Klagebefugnis war die eingelegte Klage unzulässig.

Die Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 17.11.2020, XI ZR 171/19, zu diesem Punkt ist eindeutig: Internetmitglieder ohne Stimmrecht zählen nicht mit. Eine gegen das OLG-Urteil eingelegte Revision dürfte daher auch scheitern.

Den Fehler im Nachhinein auszubügeln und Mitgliedern nachträglich ein Stimmrecht einzuräumen, hilft hier auch nicht weiter: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, wie viele Mitglieder ein Verband hat, ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem OLG.



Foto(s): canva

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