Neue Widerrufsmöglichkeit für Verbraucher-Darlehensverträge?

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Der EuGH schien jüngst (Urt. v. 26.03.2020, C-66/19) den Verbrauchern in Deutschland eine neue Möglichkeit zu geben, abgeschlossene Darlehensverträge zu widerrufen.

Deutsche Gesetzlichkeitsfiktion vs. EU-rechtliches Erfordernis einer klaren und prägnanten Widerrufsbelehrung

Der Widerruf von Kreditverträgen ist ein „Dauerbrenner“ in der Rechtsprechung und natürlich haben sich die Darlehensgeber den Entwicklungen angepasst, sodass immer weniger Fehler bei der Formulierung der Widerrufsbelehrungen gemacht wurden. Spätestens seitdem das Gesetz vorgab, dass, wenn ein im Gesetz enthaltenes Muster verwendet werde, alle Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung erfüllt seien, schien das Argument, man sei nicht richtig belehrt worden und daher habe die Widerrufsfrist noch nicht zu laufen begonnen, vom Tisch (Gesetzlichkeitsfiktion).

Dieses gesetzliche Muster konnte beim Verbraucher jedoch nur Verwirrung stiften statt Klarheit. Es wird verwiesen auf das BGB, dort auf das EGBGB, dort wieder auf das EGBGB an anderen Stellen und auch wieder auf das BGB (Kaskadenbelehrung). Wie dies mit der sonstigen dauernden Rechtsprechung zu vereinbaren sein soll, dass Widerrufsbelehrungen für den Verbraucher einfach verständlich sein müssen, hat sich mir nicht erschlossen. Der EuGH sieht dies genauso und hat entschieden, dass eine solche Belehrung nicht „klar“ und „prägnant“ sei wie es die zugrundeliegende Richtlinie 2008/48 jedoch verlangt.

Anwendungsvorrang EU-Recht vor entgegenstehendem nationalen Recht aber keine Auslegung contra legem

EU-Recht hat Anwendungsvorrang vor entgegenstehendem nationalen Recht (vgl. insb. EuGH-Entscheidung Costa ./. E.N.E.L.; fortlaufende Rechtsprechung des BVerfG). Dies trifft nur dann nicht zu, wenn die EU ihre Kompetenzen übersteigt (ultra vires) oder das EU-Recht gegen die Grundrechte verstößt. Beides trifft hier nicht zu. Demnach sollte die Gesetzlichkeitsfiktion in unserem nationalen Recht dem Widerrufsrecht nicht entgegenstehen.

Trotzdem hat der BGH nur wenige Tage nach Ergehen der EuGH-Entscheidung, am 31.03.2020, beschlossen, dass er die EuGH-Rechtsprechung nicht anwenden könne, da er nicht gegen geltendes Gesetz entscheiden könne (XI ZR 581/18 und XI ZR 198/19). Das allerdings verlangt auch die EuGH-Rechtsprechung nicht (etwa Urt. v. 04. 07. 2006, C-212/04). Gefordert wird nur die weitest mögliche, mit dem EU-Recht vereinbare Auslegung.

Wenn diese scheitert, kommt grundsätzlich eine Schadensersatzverpflichtung direkt der Bundesrepublik Deutschland für die fehlerhafte Richtlinienumsetzung in Betracht (vgl. etwa EuGH Slg. 1996, I-1029 ). Nötig ist dafür aber unter anderem ein hinreichend qualifizierter Rechtsverstoß. Es müsste bei der Umsetzung u. a. gegen eine ganz klare und genaue Regelung der Richtlinie 2008/48 verstoßen worden sein. Hierzu lässt sich trefflich streiten. Die Entscheidungskompetenz liegt insofern beim zuständigen nationalen Gericht.



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