Nichtigkeit von Coachingverträgen im B2B-Bereich aufgrund eines Urteils des OLG Celles ?

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Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich in den letzten Jahren digitale Lernangebote. Im privaten Bereich ist dahingehend mit Sicherheit jedem einmal Udemy oder eine ähnliche Plattform über den Weg gelaufen.

Coach kann sich jeder nennen

Desweiteren werden auch immer öfter diverse Coachingangebote online in Anspruch genommen, die in ihrer Qualität jedoch sehr stark variieren, da der Begriff des Coaches rechtlich nicht geschützt ist. Jeder kann sich grundsätzlich Coach nennen und etwaige Coachingangebote ins Netz stellen.

Um den dahingehenden Verwerfungen zumindest für Verbraucher entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) erlassen. Wichtigster Bestandteil dieses Gesetzes ist dabei, dass Coaches bei sog. Fernunterrichtsverträgen eine Zulassung für die Erteilung von Fernlehrgängen bei der zuständigen Stelle beantragen müssen. Die dahingehend zuständige Stelle ist die Zentralstelle für Fernunterricht (ZfU) in Köln.

Aufregung in der Branche durch ein Urteil des OLG Celles 

Ist ein Fernlehrgang zulassungspflichtig, fehlt es jedoch an der Zulassung, so ist der dahingehende Vertrag von Anfang an nach § 7 I FernUSG nichtig. Der Vergütungsanspruch des Coaches steht diesem dann nicht mehr zu und kann nach den Regeln des Bereicherungsrecht zurückgefordert werden.

In der Branche führte das Urteil des OLG Celle vom 1.03.2023, Az. 3 U 85/22 dahingehend zu großer Unruhe, da es nach den ersten Berichten von Kollegen quasi nahezu jeden Coachingvertrag nichtig gemacht hätte und Kunden ihre bereits gezahlten Gebühren zurückverlangen hätten können. Auch wandte das OLG Celle erstmalig das FernUSG auf B2B-Verträge zwischen Unternehmern an und erweiterte den Anwendungsbereich des Gesetzes dadurch massiv.  

Die Berichterstattung über das Urteil war dabei jedoch reißerisch. Im Folgenden wollen wir uns die Voraussetzungen für eine Anwendung des FernUSG unter Berücksichtigung des Urteils des OLG Celle sowie des noch aktuelleren Urteils des OLG Köln vom 6.12.2023, Az. 2 U 24/23 mit seinen Auswirkungen auf B2B-Coachingverträge anschauen.


Wann liegt überhaupt ein Fernunterrichtsvertrag vor? 

Hinsichtlich dessen ist zunächst einmal zu klären, wann überhaupt ein Fernunterrichtsvertrag im Sinne des § 1 FernUSG vorliegt. Wesentliches Tatbestandsmerkmal ist dahingehend, dass Lehrender und Lernender „überwiegend räumlich getrennt“ sind und der Lehrende den „Lernerfolg überwacht“.

1. Eine räumliche Trennung liegt dabei jedoch nicht bereits vor, wenn man den Fernunterricht vom PC aus online verfolgt, sondern wenn mehr als die Hälfte des Kursinhaltes mit Hilfe von Zugriff auf Medien, Dokumente, Videos u.ä. vermittelt wird. In der Praxis erfolgt dies in der Regel durch Modulfreischaltungen.

Desweiteren muss für die Bejahung der räumlichen Trennung die Wissensvermittlung auch asynchron erfolgen (sog. asynchrone Kommunikation). Das heißt, dass Lehrender und Lernender nicht in Echtzeit (synchron), sondern nur zeitversetzt kommunizieren.

Nutzt der Coach für seinen Unterricht zum Beispiel Live-Calls wäre das Kriterium der Asynchronität nicht erfüllt und der Vertrag fiele bereits nicht unter das FernUSG. Die Abgrenzung ist dahingehend im Einzelfall jedoch schwierig, da die meisten Coaching-Angebote eine Mischform darstellen, die verschiedene Elemente der Vermittlung des Wissensstoffs beinhalten. Hier gibt es Angriffs- und Verteidigungspunkte für den Anwalt, die auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmt werden müssen.


2. Neben dem Kriterium der räumlichen Trennung muss desweiteren das Kriterium der Überwachung des Lernerfolges durch den Lehrenden (Lernerfolgskontrolle) gem. § 1 I Nr. 2 FernUSG erfüllt sein.

Dahingehend hat das o.g. Urteil des OLG Celle die bisher geltenden Grenzen noch etwas verschoben. Nach dem OLG Celle soll es nunmehr bereits ausreichend sein, dass „eine individuelle Anleitung des Lernenden vorgesehen ist, die eine Lernerfolgskontrolle ermöglicht.“

Dazu sei es bereits ausreichend, wenn der Lernende die Möglichkeit zur individuellen mündlichen Kontrolle seines Lernerfolges durch den Lehrenden erhält, indem es zum Beispiel neben dem Lehrmaterial auch Live-Calls gibt, in der Lehrender und Lernender den Fortschritt besprechen können.

Auch stattfindende „Sprechstunden“ oder Whats-App/Facebook-Gruppen, in denen Fragen mit Bezug zum Lehrstoff gestellt werden können, sollen nach Ansicht des OLG Celle für eine solche individuelle Anleitung des Lernenden bereits ausreichend sein. Dabei reicht bereits die Möglichkeit. Eine tatsächliche Inanspruchnahme durch den Lernenden ist nicht erforderlich.

Auch automatisierte Lernkontrollen wie z.B. Multiple Choice-Texte u.ä. sind nicht ausreichend. Gleiches gilt für reine Selbstlernkontrollen, die ohne Beteiligung des Lehrenden stattfinden.



Aussicht: Das o.g. Urteil des OLG Celle hat eine Menge Wirbel in der Coaching-Szene verursacht. Insbesondere die Anwendung des FernUSG auf B2B-Geschäfte hat massive Auswirkungen. Die Herleitung des OLG Celles der Anwendung des Verbraucherschutzrechts auch auf diese Fälle ist jedoch mehr als fraglich. Im Urteil des OLG Köln wurde diese Frage mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen. Da das Urteil des OLG Celle noch nicht rechtskräftig ist, wird sich der BGH im Rahmen der Revision mit der Anwendung auf B2B-Geschäfte beschäftigen müssen.

Desweiteren hat das OLG Köln mit Urteil vom 6.12.2023, Az. 2 U 24/23 mittlerweile sich auch noch eingehender mit der Frage der Lernerfolgskontrolle unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des OLG Celle zum Vorliegen einer Lernerfolgskontrolle in einem Unternehmensberatungs-Coachingvertrag befasst. Dabei entschied das OLG Köln, dass Whats-App-Support-Gruppen, die der Lösung einzelner Problemstellungen oder der Lösung von Alltagsproblemen nicht der Lernerfolgskontrolle dienen würden und verneinte daraus folgend in seinem Fall die Anwendung des FernUSG.

Die Arbeit des Anwalts erfasst nunmehr zu subsummieren, ob das konkrete Angebot des Coaches die Bedingungen des FernUSG überhaupt erfüllt und ob etwaige Klage auf Honorarrückforderungen deswegen überhaupt begründet sein könnten. Dabei ist das konkrete Coaching-Angebot und die konkreten Absprachen der Parteien intensiv unter die Lupe zu nehmen.



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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