Null-Toleranz-Politik gescheitert? – Kanzlei für Betäubungsmittelstrafrecht

  • 3 Minuten Lesezeit

Kürzlich kam es am Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg wieder einmal zu einer Schlägerei unter Dealern. In der U-Bahn prügelten zwei Männer auf einen Dritten ein. Es soll sich um eine Auseinandersetzung im Drogenmilieu gehandelt haben.

Seit April 2015 galt in Berlin-Kreuzberg im Görlitzer Park die vom damaligen Innensenator Frank Henkel (CDU) eingeführte „Null-Toleranz-Politik“. Danach musste die Polizei, anders als im Rest Berlins, auch den Besitz geringer Mengen Cannabis oder Marihuana (unter 15 Gramm) strafrechtlich verfolgen, was sonst unter die Eigenbedarfsregelung fiel.

Die „Null-Toleranz-Politik“ des Vorgängersenats sollte einen Beitrag zur Bekämpfung der Drogenkriminalität im Brennpunkt Görlitzer Park leisten. Grund dafür war die immer wieder aufkehrende Gewalt zwischen Dealern und zahlreiche Beschwerden der Anwohner, die sich nicht mehr sicher fühlten. Doch die Abschaffung der Eigenbedarfsregelung in dieser Zone fiel auch unter Kritik. Polizisten unterliegen als Strafverfolgungsorgane dem Legalitätsprinzip, müssen also jede Straftat verfolgen. Daher mussten sie selbst einzelne Joints beschlagnahmen und Razzien durchführen. Das führte jedoch letztendlich dazu, dass die Dealer in andere Bereiche verdrängt wurden. Ein Problem wurde damit scheinbar weniger gelöst, als vielmehr verschoben und dies unter einer erheblichen Kostensteigerung für die Polizei.

Juristisch gesehen ging damit eine Änderung der „Allgemeinen Verfügung zur Umsetzung des § 31a BtMG“ einher, die bis dahin die Einstellung des Ermittlungsverfahrens möglich machte, wenn sich die Tat auf einen Umgang mit einer Bruttomenge von nicht mehr als 15 Gramm Cannabis oder Marihuana zum gelegentlichen Eigenverbrauch bezog und keine Fremdgefährdung vorlag.

Am 16. Oktober dieses Jahres hat die rot-rot-grüne Landesregierung die „Null-Toleranz-Verordnung“ des Vorgängersenats schließlich wieder aufgehoben. Die seit 2015 geltenden Null-Toleranz-Zonen wurden wieder abgeschafft. Im Görlitzer Park dürfen Konsumenten von nun an wieder bis zu 15 Gramm Cannabis oder Marihuana besitzen und konsumieren – und können damit rechnen, strafrechtlich nicht verfolgt zu werden.

Was genau ist unter der Eigenbedarfsregelung des § 31a BtMG zu verstehen?

In der „Allgemeinen Verfügung zur Umsetzung des § 31a BtMG“ von Berlin heißt es:

„Die Staatsanwaltschaft kann nach den Umständen des Einzelfalles von der Strafverfolgung gemäß § 31a BtMG absehen, wenn sich die Tat auf den Umgang mit Cannabisharz oder Marihuana in einer Bruttomenge von nicht mehr als 15 Gramm zum gelegentlichen Eigenverbrauch bezieht, sofern hinsichtlich des Wirkstoffgehalts von einer geringen Menge ausgegangen werden kann und die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind.“

Wird einer Person also mit Menge von unter 15 Gramm Cannabis oder Marihuana erwischt, so muss sie nicht strafrechtlich verfolgt werden. Bei einer Bruttomenge von nicht mehr als 10 Gramm soll das Ermittlungsverfahren sogar grundsätzlich einzustellen sein.

Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Von dieser Regelung kann abgewichen werden, wenn das öffentliche Interesse die Strafverfolgung gebietet. Das ist der Fall, wenn eine Fremdgefährdung durch den Besitz oder Konsum der Droge eintritt.

Wenn eine solche Fremdgefährdung angenommen werden kann, ist die Einstellung des Verfahrens ausgeschlossen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Verhalten dazu führt, dass Kinder oder Jugendliche zum Konsum verführt werden könnten, besonders wenn es sich um Konsum vor Kindergärten oder Schulen handelt. Die geringe Menge der Drogen kann dann keinen Grund zur Einstellung des Verfahrens mehr liefern, wenn andere schutzbedürftige Personen davon beeinträchtigt sind.

Aber auch wenn die Tat nachteilige Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs befürchten lässt, wird eine Fremdgefährdung grundsätzlich angenommen und eine Einstellung des Verfahrens ist nicht möglich.

Der Anwendung der Eigenbedarfsregelung steht jedoch grundsätzlich nicht entgegen, dass die beschuldigte Person schon mehrfach wegen Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz oder aus anderen Gründen verurteilt worden ist.

Was sind die Konsequenzen?

Auf die Eigenbedarfsregelung sollte sich also nicht einfach verlassen werden. Es kann immer trotzdem zu einer Verfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden kommen. Besonders weil eine Fremdgefährdung bei einem Konsum auf offener Straße schnell angenommen werden kann. Allerdings gibt es diese grundsätzliche Eigenbedarfsgrenze und nach Abschaffung der „Null-Toleranz-Zone“ ist sie auch wieder in ganz Berlin anwendbar.

Sollten Sie mit dem illegalen Besitz oder Konsum von Drogen und somit dem Betäubungsmittelgesetz in Berührung gekommen sein, so kontaktieren Sie mich als Ihren Anwalt für Betäubungsmittelstrafrecht so bald wie möglich. Gerade im Betäubungsmittelstrafrecht ist es hilfreich, schon frühzeitig einen kompetenten Strafverteidiger an der Seite zu haben, um eventuelle Ermittlungsfehler aufzudecken, die möglicherweise zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnten.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Benjamin Grunst

Beiträge zum Thema