Online-Krankschreibung – praktisch, aber arbeitsrechtlich riskant

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Kann ein Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit nicht arbeiten, muss er seinem Arbeitgeber spätestens nach dem dritten Kalendertag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) des behandelnden Arztes vorlegen. Inzwischen gibt es Online-Dienste, die Patienten ohne ärztliche Untersuchung eine AUB ausstellen. Doch hier gilt es einige Fallstricke zu beachten: Die Vorlage einer AU-Bescheinigung ohne Arztbesuch ist nicht immer rechtssicher und kann sogar zur Kündigung führen.

Gemäß § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz ist ein erkrankter Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. „Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen“, heißt es im Gesetz. Der Arbeitgeber muss sechs Wochen lang den Lohn weiterzahlen, deshalb braucht er die AU-Bescheinigung für seine Lohnbuchhaltung.

Online-Krankschreibung ohne Arztbesuch nicht rechtssicher 

Wegen der Corona-Pandemie haben Ärzte den Publikumsverkehr in ihren Praxen gesenkt und es wurde möglich, auch ohne Arztbesuch an eine AUB zu kommen. Seitdem werden im Internet Online-Krankschreibungen angeboten, die ohne ärztliche Untersuchung beantragt werden können. Patienten klicken sich einfach durch ein Formular und beantworten Fragen zu ihren Symptomen. Dann wird das Formular abgeschickt und die AUB kommt per E-Mail oder per Post.

Online-Krankschreibungen ohne vorausgegangene ärztliche Untersuchung bergen jedoch arbeitsrechtliche Risiken. Oft wird der originale gelbe Schein verlangt. Muss der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit bereits am ersten Krankheitstag im Original erbracht werden, ist eine fristgerechte Vorlage oft nicht möglich, denn manche Arbeitgeber verlangen den Nachweis bereits am ersten Krankheitstag. Eine Online-Krankschreibung ist zudem bei schweren Erkrankungen und Vorerkrankungen nicht zulässig.

Das Landgericht Hamburg hat bezüglich der Online-Krankschreibung in einem Urteil vom 3. September 2019 Verstöße gegen medizin- und wettbewerbsrechtliche Vorschriften festgestellt. Die Richter verwiesen auf die erforderliche Sorgfalt bei der Ausstellung ärztlicher Atteste, die einen unmittelbaren Kontakt zwischen Arzt und Patient verlange. Ohne Untersuchung könne kein Arzt feststellen, ob der Patient tatsächlich an der von ihm selbst vermuteten oder behaupteten Krankheit leide. Die für die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wichtige Schwere der Erkrankung könne ohne unmittelbaren persönlichen Eindruck nicht zuverlässig eingeschätzt werden.

Zweifelhafte Beweiskraft der Online-AU-Bescheinigung 

Mit der AU-Bescheinigung weist der Arbeitnehmer nach, dass er arbeitsunfähig ist. Die Arbeitsgerichte verlassen sich darauf, weil ein Arzt sich persönlich von der Arbeitsunfähigkeit überzeugt hat. Diese Beweiskraft ist beeinträchtigt, wenn keine persönliche Untersuchung des Arbeitnehmers stattgefunden hat. Kann der Arbeitgeber nachweisen, dass keine Untersuchung stattgefunden hat, muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit im Streitfall auf andere Weise belegen. Wenn sich herausstellt, dass er die Krankheit nur vorgetäuscht hat, drohen arbeitsrechtlichen Sanktionen.

Einige Arbeitgeber, denen Online-AUB geschickt wurden, hatten Zweifel, ob ihre Mitarbeiter wirklich krank waren. Nachforschungen ergaben, dass es sich um Arbeitszeitbetrug handelte und und es kam zu Kündigungen. Wer vortäuscht, arbeitsunfähig zu sein, schädigt den Arbeitgeber, der ihm den Lohn fortzahlt, ohne Arbeit als Gegenleistung zu erhalten. Das kann sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Telefonisch angeforderte AUB während der Corona-Pandemie

Wegen der Corona-Pandemie ist es aktuell – wie bereits vor einigen Monaten – wieder zulässig, seinen Arzt telefonisch zu kontaktieren. In dem Fall kann der Arzt dem Patienten eine AU-Bescheinigung per Post zuschicken. So soll das Infektionsrisiko in der Praxis reduziert werden. Ansonsten ist es ratsam, persönlich zum Arzt zu gehen. Ist ein Arztbesuch kurzfristig nicht möglich, sollten erkrankte Arbeitnehmer mit ihrem Arbeitgeber abklären, wie sie vorgehen können, und die erfolgte Kontaktaufnahme per E-Mail dokumentieren.

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Foto(s): Pexels

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