Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – das Ende der Vertrauensarbeitszeit?

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Nach den aufsehenerregenden Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs im Jahr 2019 und des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2022 war für alle klar: künftig müssen alle Arbeitgeber eine Arbeitszeiterfassung vorhalten.

So führen die Gerichte aus:

„Der Arbeitgeber ist bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, ein System einzuführen und zu nutzen, mit dem die geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“

Die Umsetzung dieser eigentlich bereits bindenden Entscheidungen obliegt jedoch dem Gesetzgeber. Dieser äußerte sich hierzu mit einem Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und weiterer Vorschriften vom 18.04.2023.

Zu einer Gesetzesänderung kam es bisher jedoch nicht.

Was gilt es für Arbeitgeber also aktuell zu beachten?

I. Ausgangslage: Rechtsgrundlagen Arbeitszeit

Die Höchstarbeitszeiten werden im Arbeitszeitgesetz geregelt, welches dem Schutz von

Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer dient.

Die Arbeitszeit wird hier als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen definiert.

Vorgeschrieben sind eine werktägliche Arbeitszeit von max. 8 Stunden. Eine Verlängerung auf 10 Stunden kann erfolgen, wenn innerhalb der nächsten 24 Wochen ein entsprechender Freizeitausgleich geschaffen wird.

Dabei sind Ruhepausen von mind. 30 Minuten nach 6 Stunden und mind. 45 Minuten nach 9 Stunden einzuhalten. Die Pausen können gesplittet werden.

Weiter sind die Ruhezeiten einzuhalten. Eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist dabei einzuhalten. Das Gesetz sieht hierbei teilweise Ausnahmen vor.

II. Referentenentwurf zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung

Die Ausgangslage für die Gesetzesänderung bzw. Hintergrund der erlassenen Entscheidungen ist die voranschreitende Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Ziel soll sein, dem Arbeitgeber die Kontrolle der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten zu erleichtern und dem Arbeitnehmer mehr Sicherheit und Gesundheit zu verschaffen.

Insbesondere sieht der Referentenentwurf dabei die grundsätzlich vollständige elektronische Arbeitszeiterfassung vor. Auch kleine Betriebe sollen von dieser Verpflichtung nicht ausgenommen werden. Sie haben lediglich die Möglichkeit die Erfassung vorerst noch händisch vorzunehmen.

Ausnahmen sollen lediglich durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verhandelt werden können. Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden bzw. verfügt über keinen Betriebsrat, soll eine individuelle Abweichung mit den Mitarbeitern nicht möglich sein.

III. Vertrauensarbeitszeit

Bei der Vertrauensarbeitszeit formuliert der Arbeitgeber Arbeitsziele und überlässt es dem

Arbeitnehmer, sich eigenverantwortlich die hierfür notwendige Arbeitszeit einzuteilen.

Aber bedeutet der Referentenentwurf nun das Ende dieser Vertrauensarbeitszeit?

Nein. Die Vertrauensarbeitszeit soll auch laut dem Referentenentwurf möglich bleiben. Vorgesehen ist diesbezüglich, dass die Arbeitszeitaufzeichnung auf den Arbeitnehmer delegiert werden kann. Dem Mitarbeiter darf also insoweit vertraut werden, dass er die Arbeitszeiten so festlegt, wie gewünscht, innerhalb des vertraglich vereinbarten Rahmens. Eine Aufzeichnung der Zeiten ist allerdings trotzdem erforderlich.

Der Arbeitgeber hingegen muss dabei durch „geeignete Maßnahmen“ sicherstellen, dass die Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten eingehalten werden. Wie diese Maßnahmen aussehen sollen, lässt Referentenentwurf entsprechend offen. Denkbar wären zum Beispiel Stichprobenkontrollen, Meldesysteme o.ä.

IV. Kritik am Referentenentwurf

Leider lässt der Referentenentwurf noch einige Fragen offen. Zum Beispiel wird der Begriff der Vertrauensarbeitszeit an sich schon nicht näher definiert. Auch wird nicht klargestellt, wie eine Überprüfung der Einhaltung der Höchstarbeitszeiten zu erfolgen hat.

So hat die CDU/CSU-Fraktion auch einen entsprechenden Oppositionsantrag gestellt. Sie fordern eine weniger bürokratische Umsetzung und mehr Spielraum/Flexibilität, insbesondere bei der Ausgestaltung der Vertrauensarbeitszeit. Faktisch fordern sie, dass die Vertrauensarbeitszeit auch künftig ganz ohne Zeiterfassung auskommt.

Am 09.10.2023 hat hierzu eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen stattgefunden. Seitdem stagniert das Verfahren.

V. Fazit

Die Rechtsprechung des EuGH und des BAG ist bereits jetzt bindend. Da davon auszugehen ist, dass eine Arbeitszeiterfassung jedenfalls dort ausschließlich erfolgen muss, wo keine Vertrauensarbeitszeit vorgeschrieben ist, sollten sich Arbeitgeber bereits jetzt um ein entsprechendes elektronisches System kümmern.

Wo Vertrauensarbeitszeit angeordnet ist, sollte zumindest ein Mindestmaß an Zeiterfassung eingeführt werden, mit einer Kontrollmöglichkeit hinsichtlich etwaiger Arbeitszeitverstöße.

Ein/e Fachanwalt/Fachanwältin für Arbeitsrecht kann bei der Ausgestaltung entsprechender Vereinbarungen bzw. Erstellung von Guidelines für das Unternehmen unterstützen.

Foto(s): WHG Rechtsanwälte PartGmbB

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