Pflichtverteidiger – notwendige Verteidigung

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Als Pflichtverteidiger bezeichnet man im Strafprozess einen durch das Gericht dem Beschuldigten bestellten Strafverteidiger.

Pflichtverteidigung

In den Fällen der sogenannten notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt, wenn der Beschuldigte noch über keinen von ihm gewählten Verteidiger verfügt (§§ 140 ff. StPO). Der Pflichtverteidiger wird dabei von der Staatskasse – zu reduzierten Gebühren – bezahlt. Das Vermögen des Beschuldigten hat hierauf keinen Einfluss. Eine Pflichtverteidigung ist keine Art Prozesskostenhilfe im Strafprozess.

Notwendige Verteidigung

Eine notwendige Verteidigung liegt nach § 140 Abs. 1 StPO vor, wenn

  • die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet;
  • dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
  • das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
  • gegen einen Beschuldigten Untersuchungshaft nach den §§ 112, 112 a oder einstweilige Unterbringung nach § 126 a oder § 275 a Absatz 6 vollstreckt wird;
  • der Beschuldigte sich mindestens drei Monate aufgrund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird;
  • zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 infrage kommt;
  • ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
  • der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist.

Nach § 140 Abs. 2 StPO ist darüber hinaus dem Beschuldigten ein Verteidiger zu bestellen, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann – namentlich, weil dem Verletzten nach den §§ 397 a und 406 g Abs. 3 und 4 StPO ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.

Vereinfacht gesagt ist die Verteidigung immer dann notwendig, wenn

  • dem Beschuldigten schwerwiegende Straftaten vorgeworfen werden,
  • wenn ihm gravierende Konsequenzen drohen oder
  • wenn er nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen.

Wer bezahlt den Pflichtverteidiger?

Die Frage der Bezahlung (Kostentragung) richtet sich nach dem Ausgang des Strafverfahrens. Wird der Angeklagte freigesprochen, trägt in jedem Fall die Staatskasse die Verfahrenskosten und die Rechtsanwaltsgebühren (auch bei einer Wahlverteidigung). Im Falle einer Verurteilung werden dem Angeklagten grundsätzlich die Verfahrenskosten auferlegt; die Staatskasse fordert die Pflichtverteidigergebühren von dem Verurteilten zurück.

Darüber hinaus kann der Pflichtverteidiger mit einem Mandanten auch eine zusätzliche Vergütung vereinbaren, wenn er das Mandat übernimmt. Ebenso kann sich ein bisheriger Wahlverteidiger auch als Pflichtverteidiger bestellen lassen, etwa wenn sein Mandant das Honorar nicht bezahlt hat. Der Wahlverteidiger kann dann das Mandant allerdings auch niederlegen.

Verteidigung zweiter Klasse?

Bei der Pflichtverteidigung handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Verteidigung zweiter Klasse. Die Pflichtverteidigung hat jedoch wegen der Bestellungspraxis der Gerichte nicht den besten Ruf. Häufig werden durch das Gericht Pflichtverteidiger bestellt, die zum persönlichen Bekanntenkreis eines Ermittlungsrichters gehören oder einen Verteidigungsstil ohne Konfliktbereitschaft oder auch nur -fähigkeit pflegen. Darüber hinaus machen diese Verteidiger bei einer Pflichtverteidigung „nur das Nötigste“ für die Mandanten, um trotz des schlechteren Honorars noch einen einigermaßen akzeptablen Stundensatz zu erzielen.

Diese Bestellung durch das Gericht lässt sich allerdings vermeiden, wenn der Beschuldigte selbst einen Pflichtverteidiger auswählt, was sein gutes Recht ist. Er wird dazu angehört – und sollte von diesem Wahlrecht unbedingt Gebrauch machen. Niemand ist im Übrigen daran gehindert, seinem Verteidiger Vorschüsse oder zusätzliche Gebühren zu zahlen. In vielen Fällen ist dies sogar angebracht, um eine wirkungsvolle Verteidigung gewährleisten zu können.

Pflichtverteidiger wechseln?

Ein Wechsel des Pflichtverteidigers ist nicht ohne Weiteres möglich. Lediglich aus „wichtigem Grund“ kann die bereits erfolgte Bestellung eines notwendigen Verteidigers widerrufen werden. Als wichtiger Grund kommt jeder Umstand infrage, der den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Angeklagten den Beistand im Strafverfahren zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, nachhaltig gefährdet. Der Wunsch des Beschuldigten nach einem Wechsel allein reicht für eine Auswechselung nicht aus.

Strafrechtskanzlei Kolivas


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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