Pflichtverteidiger wechseln

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Wer seinen Pflichtverteidiger wechseln möchte, steht vor der Ungewissheit, ob das rechtlich möglich ist. Liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, hat der Angeklagte in einem Strafprozess nicht mehr das Recht, sich selbst zu verteidigen. Die Fälle der notwendigen Verteidigung sind in der Regel sehr umfangreich und rechtlich schwierig. In Anbetracht der Tatsache, dass die Konsequenzen für den Angeklagten gravierend sein können (beispielsweise mehrjährige Haftstrafe), ist die Beiordnung tatsächlich unentbehrlich.

Im Laufe des Verfahrens kann allerdings die Situation eintreten, dass der Angeklagte mit der Wahl seines Pflichtverteidigers nicht mehr einverstanden ist. Fehlt beispielsweise das Vertrauen oder hat der Angeklagte den Eindruck, dass sein Verteidiger nicht alles Zumutbare unternimmt, leidet das Verhältnis zunehmend darunter. Die Frage nach einem Wechsel des Pflichtverteidigers drängt sich geradezu auf.

Pflichtverteidiger wechseln: Der Grundsatz der Ökonomie

Ein Austausch des Verteidigers ist schwierig, aber nicht unmöglich. Möchte es der Angeklagte lediglich mal mit einem anderen Strafverteidiger versuchen, wird seinem Wunsch zumeist nicht entsprochen. Ein Wechsel hat nämlich immer zur Folge, dass die Verfahrensdauer verzögert wird. Der ersatzweise beigeordnete Verteidiger muss sich zunächst in den Fall einarbeiten dürfen. Das Ziel, dem Angeklagten im Sinne der strafrechtlichen Grundsätze eine geeignete Verteidigung auf Augenhöhe mit der Justiz zu ermöglichen, besteht fort.

Allerdings könnte der Angeklagte die Situation auch ausnutzen, um das Verfahren durch ständigen Verteidigerwechsel unnötig in die Länge zu ziehen. Dem steht das Prinzip der Verfahrensökonomie entgegen. Danach sollen Verfahren effektiv und rational gestaltet werden. Ein entscheidendes Kriterium ist unter anderem der Kostenfaktor, da nicht jeder Angeklagte die Kosten des Pflichtverteidigers nach Abschluss des Verfahrens selbst tragen muss.

Pflichtverteidiger wechseln: Widerruf aus wichtigem Grund

Nichtsdestotrotz kann ein Pflichtverteidigerwechsel aus wichtigem Grund in Betracht kommen. Zwar ist das nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings ist es über den Wortlaut von § 143 StPO hinaus anerkannt.

Liegt ein wichtiger Grund vor, der das Wesen der Pflichtverteidigung gefährdet, muss es dem Angeklagten möglich sein, einen geeigneten Verteidiger zu beanspruchen. Der wichtige Grund ist von ihm hinreichend darzulegen und ggf. nachzuweisen. Es reicht nicht aus, dass der Angeklagte den Wunsch verspürt, einen Wechsel herbeizuführen.

Insbesondere ein gestörtes Vertrauensverhältnis kann einen wichtigen Grund darstellen. Ist das Fundament der Verteidigung beschädigt, kann zu befürchten sein, dass der Strafverteidiger aus objektiver Sicht seiner Verantwortung nicht mehr gerecht wird. Maßgeblich ist nicht das subjektive Empfinden des Angeklagten. Insofern reichen Meinungsverschiedenheiten grundsätzlich nicht aus. Das gilt selbst dann, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger unterschiedliche Ansichten über die Verteidigungsstrategie haben.

Tipp:

Angeklagte sollten bei der Wahl ihres Pflichtverteidigers mitwirken. Es ist sogar möglich, dass ihr beauftragter Wahlverteidiger im späteren Verfahrenslauf als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Der Vorteil besteht darin, dass der Wahlanwalt seinem Mandanten bekannt und vor allem vertraut ist! Die Situation, den Pflichtverteidiger wechseln zu müssen, kann deutlich minimiert werden.

Rechtsanwalt und Strafverteidiger Christian Kohlhaas


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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