Pflichtverteidigung

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Wer keinen Anwalt hat und sich nicht selbst verteidigen kann, soll die Möglichkeit haben, sich vor Gericht durch einen Pflichtverteidiger anwaltlich vertreten und verteidigen zu lassen. 


Fall der notwendigen Verteidigung

Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist dabei nicht davon abhängig, ob sich der Beschuldigte einen Anwalt finanziell leisten kann, sondern ob ein Fall der sog. „notwendigen Verteidigung“ gem. § 140 Strafprozessordnung (StPO) vorliegt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn

  • sich der Beschuldigte in (Untersuchungs-) Haft befindet,
  • das Strafverfahren in der ersten Instanz vor einem Land- oder Oberlandesgericht oder dem Schöffengericht beginnt,
  • dem Beschuldigten ein Verbrechen unterstellt wird, oder die Verurteilung zu einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr droht,
  • dem Beschuldigten ein Bewährungswiderruf, eine Ausweisung oder ein Berufsverbot droht,
  • die Sach- und Rechtslage sehr umfangreich oder schwierig ist.

Kurz gesagt: Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers hat ein Gericht vorzunehmen, wenn der Beschuldigte ersichtlich nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen und die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Beschuldigten spielt hingegen keine Rolle, weshalb auch einem Millionär ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden könnte.


Beiordnung eines Pflichtverteidiger

Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erfolgt durch das Gericht. Hierbei kann grundsätzlich jeder Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt werden, sofern ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt.

Zu beachten ist, dass jeder Beschuldigte das Recht hat, dem Gericht einen bestimmten Verteidiger zu benennen, welcher als Pflichtverteidiger beigeordnet werden soll. Hierzu soll das Gericht dem Beschuldigten innerhalb einer bestimmten Frist ermöglichen, einen Anwalt seines Vertrauens zu suchen.

Benennt der Beschuldigte hierauf einen Verteidiger, wird das Gericht, sofern keine besonderen Hinderungsgründe entgegenstehen, diesen Anwalt dem Beschuldigten als Pflichtverteidiger beiordnen.

Lässt der Beschuldigte dagegen die Wahlmöglichkeit ungenutzt verstreichen, weist das Gericht einen Pflichtverteidiger zu. In der Praxis greifen die Gerichte hierbei meist auf Anwälte zurück, die dem Gericht aus anderen Strafprozessen bekannt sind oder sich in spezielle Listen für Pflichtverteidiger eingetragen haben.

Ist erst einmal ein Pflichtverteidiger beigeordnet, kann der Beschuldigte diesen zwar grundsätzlich auch ablehnen und den Austausch des Pflichtverteidigers verlangen, jedoch ist dies ein kompliziertes und oft nicht erfolgversprechendes Vorgehen.


Kosten für einen Pflichtverteidiger

Ein Pflichtverteidiger bekommt sein Honorar von der Staatskasse bezahlt. Diese Pflichtverteidigervergütung fällt deutlich niedriger aus, als das Honorar eines nicht beigeordneten Anwalts eigener Wahl. Je nach Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist daher häufig die Vereinbarung eines zusätzlichen Honorars sinnvoll.

Im Falle eines Freispruchs sind die die Kosten für den Pflichtverteidiger sowie die gesamten Verfahrenskosten von der Staatskasse, sprich vom Steuerzahler zu übernehmen. Verurteilt das Gericht den Beschuldigten aber, muss er die Kosten einschließlich des Honorars für seinen Pflichtver­teidiger aus eigener Tasche zahlen.


Empfohlene Vorgehensweise

Wenn Sie erfahren, dass Sie als Beschuldigter in einem Strafverfahren geführt werden, sollten Sie IMMER anwaltliche Hilfe suchen. Machen Sie NIEMALS eine Aussage bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht, ohne zuvor einen Strafverteidiger konsultiert zu haben.

Unter Umständen muss bereits vor der ersten polizeilichen Vernehmung ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden, sofern ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 StPO vorliegt.

Inwieweit in Ihrem konkreten Fall eine Verteidigung notwendig ist, können Sie gerne bei mir erfragen. Für eine erste unverbindliche Einschätzung, können Sie mir die Ihnen von der Ermittlungsbehörde vorgelegten Unterlagen, also z.B. die polizeiliche Vorladung, den gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss oder Haftbefehl, den Strafbefehl oder die Anklageschrift zukommen lassen. Ich werde für Sie kostenfrei prüfen, ob die Beantragung der Beiordnung als Pflichtverteidiger möglich und sinnvoll sein könnte.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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