Pistenraupen als tödliche Gefahr für Skifahrer und Snowboarder!

  • 5 Minuten Lesezeit

„Tödliche Kollision mit Pistenraupe: Ermittlungen gegen Fahrer im Zillertal“[1]

„Schwer verletzt: Wiener Handball-Trainer geriet unter Pistenraupe“[2]

„Tödlicher Unfall am Horberg im Zillertal: Deutsche Snowboarderin (29) kracht in Pistenraupe - tot!“[3]

„GERÄT FUHR RÜCKWÄRTS - Zwei Skifahrer in Lech von Pistenraupe überrollt“[4]


Immer wieder kann man in der Presse davon lesen, dass Schifahrer oder Snowboarder mit Pistenraupen (auch Pistenbully oder Pistengerät genannt) kollidieren. Die oben zitierten Artikel in hierzulande bekannten Tageszeitungen betrafen alle das Jahr 2022. Damit kommt es gefühlt zu verhältnismäßig vielen Kollisionen mit Pistengeräten, was jedoch oft leicht vermeidbar wäre, wenn man sich die Fälle genauer anschaut.


Was sind Pistenraupen?

Bei Pistenraupen handelt sich um motorisierte Kettenfahrzeuge zur Pistenpräparierung, die bis zu 4,80 m breit und 10 Tonnen schwer sind. Mit maximal 20 km/h fahren sie verhältnismäßig langsam und sind dadurch schlecht manövrierbar. Infolge dieser geringen Geschwindigkeit und der hohen Bremsverzögerung beträgt der Anhalteweg nur wenige Meter. Die Kollisionsgefahr für Schifahrer und Snowboarder liegt aber in der massiven Bauart und vor allem in der Überbreite in Zusammenhang mit schlechter Sicht und Arbeiten in der Dunkelheit bei Nacht oder am Ende des Skitages in der Dämmerung.


Aber wie ist das nun, wenn ein Schifahrer oder Snowboarder bei einer Kollision mit einer Pistenraupe verletzt wird. Wer haftet und was sind die Voraussetzungen dafür?

Die Präparierung von Pisten mit Pistenraupen ist aus dem modernen Skibetrieb nicht mehr wegzudenken und daher das Auftauchen dieser Geräte geradezu typisch für den gesicherten Skiraum.

Dies enthebt den Pistenbetreiber (das Schigebiet) jedoch nicht von seiner Pflicht, von Pistenraupen ausgehenden Gefahren zu begegnen. Tut der Pistenbetreiber dies nicht oder mangelhaft, so haftet er.

Laut dem Obersten Gerichtshof (OGH) muss der Pistenbetreiber etwa auf die Möglichkeit bedacht nehmen, dass nicht alle Schifahrer und Snowboarder auf Sicht und kontrolliert fahren.

In den meisten Fällen werden Pisten in den Abend- und Nachstunden nach Betriebsschluss der Lifte präpariert. Der Einsatz von Pistenraupen ist aber nicht auf bestimmte Zeiten und bestimmte Zwecke beschränkt. Bei „unumgänglicher Notwendigkeit“ können diese auch während des Pistenbetriebs fahren. Etwa dann, wenn es unter Tags erheblich schneit oder ein Rettungseinsatz die Fahrt mit der Pistenraupe erforderlich macht.

Vorsichtsmaßnahmen können etwa das Anbringen von Hinweisschildern auf der Piste oder allgemeine Hinweise am Lift („Achtung! Pistengeräte im Einsatz!“) sein. Muss sich die Pistenraupe im schmalen Gelände bewegen, etwa auf Schiwegen oder Rodelbahnen, kann es sogar erforderlich sein, einen gefährlichen Pistenabschnitt komplett zu sperren. Am Pistengerät selbst müssen die gelbe Drehleuchte und die Scheinwerfer aktiviert sein und an unübersichtlichen Stellen akustische Warnsignale abgegeben werden (Pfeifton, Sirene, Hupe). Der Fahrer hat seine Fahrlinie so zu wählen, dass die bestmögliche gegenseitige Sicht und die geringste Gefährdung der Pistenbenutzer gewährleistet ist. Insbesondere müssen unübersichtliche Kuppen und Engstellen gemieden werden. Vorzugsweise sollte die Pistenraupe am Pistenrand entlang bewegt werden.


Bei welchen Fällen in der Praxis hat der Pistenbetreiber gehaftet?

Verschuldensteilung 3:1 zugunsten des Pistenhalters: Pistenraupen präparierten vor Betriebsschluss bergwärts ohne Notwendigkeit und ein Schifahrer fuhr nicht auf Sicht in Schussfahrt über eine Kuppe.

Verschuldensteilung 2:1 zugunsten des Pistenhalters: Eine Pistenraupe wurde ohne Betriebsnotwendigkeit während des Pistenbetriebs am Pistenrand bergwärts bewegt. Der Fahrer reagierte unverzüglich und hielt die Pistenraupe noch vor der Kollision an. Die Kollision konnte aber nicht mehr verhindert werden, weil ein erwachsener Schifahrer mit überhöhter Geschwindigkeit über eine unübersichtliche Kuppe sprang.

Gleichteiliges Verschulden (1:1): Es handelte sich um eine unumgängliche Fahrt. Der Fahrer bewegte die Pistenraupe in schneller Schrittgeschwindigkeit am Rand der Piste und hatte die Rundumleuchte eingeschaltet. Er bewegte sich auf eine Kuppe zu, von der er wusste, dass sie von Jugendlichen gern übersprungen wurde. Ein 14-Jähriger Schifahrer, der nicht auf Sicht fuhr, sprang mit überhöhter Geschwindigkeit über die Kuppe.

Verschuldensteilung 1:3 zu Lasten des Pistenhalters: Die Pistenraupe fuhr mit eingeschalteter Rundumleuchte, aber ohne akustisches Signal auf eine sichtbehindernde Kuppe zu. Es waren keine Gefahrenzeichen auf der Piste aufgestellt. Ein 13-Jähriger Schifahrer sprang mit überhöhter Geschwindigkeit über die Kuppe und wich nicht mehr aus, obwohl ihm das gerade noch möglich gewesen wäre.

Alleinverschulden des Pistenhalters:

Fall 1: Das Pistengerät wurde rückwärts bergauf bewegt. Dabei war die Sicht durch das hochgehobene Fräsgerät behindert. Das Pistengerät überfuhr dabei einen gestürzten, am Boden liegenden Schifahrer.

Fall 2: Mit der Pistenraupe wurde während der Betriebszeit eine sichtbehindernde Schneekanone transportiert.


Wie schaut es mit der Haftung des Pistenbetreibers aus, wenn man nach Betriebsende noch in der Schihütte einkehrt und erst nach Anbruch der Dunkelheit mit den Schiern abfährt?

Sogenannte "Spätheimkehrer" sind zu besonderer Vorsicht verpflichtet und müssen mit Hindernissen wie Pistenraupen rechnen.

Kommen "Spätheimkehrer" zu Sturz, sind Ansprüche gegen den Pistenhalter in der Regel ausgeschlossen. Laut einer aktuellen OGH-Entscheidung gilt das auch für Tourengeher. Ein Mann war erst um 22:45 Uhr von einer Tiroler Skihütte ins Tal abgefahren. Er kollidierte dabei mit dem Windenseil einer Pistenraupe und verletzte sich schwer. Laut OGH ist eine Haftung des Pistenbetreibers ausgeschlossen. Ein Schild und ein Absperrband wiesen in dem Fall deutlich darauf hin, dass die Abfahrt gesperrt war (OGH 8.11.2022, 5 Ob 91/22a).


Fazit:

Pistenraupen können einem auf geöffneten Pisten auch während der Betriebszeiten begegnen. In dem Fall muss der Pistenbetreiber aber besondere Vorkehrungen treffen, um Unfälle mit Schifahrern, Snowboardern oder Rodlern zu vermeiden. Insbesondere an unübersichtlichen Stellen (Steilkuppen) oder engen Pistenabschnitten ist die Gefahr einer Kollision besonders groß. Schifahrer sollten hier immer auf Sicht fahren. Das heißt mit einer Geschwindigkeit, die es ihnen ermöglicht, noch vor einem Hindernis anzuhalten oder rechtzeitig auszuweichen. Man sollte außerdem Warnleuchten an Liften und die Beschilderung auf den Pisten immer beachten.


Tipp:

Wenn Sie in einen Unfall mit einer Pistenraupe involviert sind, wenden Sie sich umgehend an einen Rechtsanwalt, der auf Schi- und Bergsportrecht spezialisiert ist.


[1] https://www.tt.com/artikel/30839941/toedliche-kollision-mit-pistenraupe-ermittlungen-gegen-fahrer-im-zillertal

[2] https://kurier.at/sport/schwer-verletzt-handball-trainer-von-fivers-margareten-kellner-geriet-in-zell-am-see-unter/401903590

[3] https://www.wa.de/nordrhein-westfalen/toedlicher-unfall-zillertal-tirol-snowboarderin-bielefeld-nrw-pistenraupe-schwendau-skigebiet-penken-91963281.html

[4] https://www.krone.at/2878509


Die Autoren:

Dr. Stephan Wijnkamp

ist Rechtsanwalt bei Wijnkamp Rechtsanwaltskanzlei - Law Firm und Spezialist für Schi- und Bergsportrecht

MMag. Florian Stachowitz

ist Rechtsanwalt bei Wijnkamp Rechtsanwaltskanzlei - Law Firm und Spezialist für Schi- und Bergsportrecht

Foto(s): Dr. Stephan Wijnkamp, MMag. Florian Stachowitz


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