Privatinsolvenz? Verbraucherinsolvenz? Es wird Zeit, mit Mythen aufzuräumen...

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Um es vorab zusammenzufassen: Die deutsche Insolvenzordnung kennt keine "Privatinsolvenz". Es wird bei Menschen - also bei natürlichen Personen - unterschieden zwischen dem Verbraucherinsolvenzverfahren und dem Regelinsolvenzverfahren. Diese beiden Verfahrensarten sind auch nicht grundverschieden.  Jedoch der Reihe nach:

Mythos 1: Wenn ich in Bezug auf mein Vermögen/meine Schuldensituation als Mensch nicht rechtzeitig handele, dann "bin ich wegen Insolvenzverschleppung dran". Das ist falsch. Sie können auch als natürliche Person nicht überschuldet im Sinne der Insolvenzordnung sein (siehe dazu Mythos 2). Richtig ist, Sie könnten zahlungsunfähig sein. Zahlungsunfähig ist man, wenn man sein fälligen Verbindlichkeiten nicht bedienen kann und dieser Zustand eine gewisse Nachhaltigkeit (3 Wochen) aufweist. Wenn Sie zahlungsunfähig sind, dann können Sie einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Sie müssen das nicht tun - eine gesetzliche Verpflichtung besteht nicht. 

Mythos 2: Sie "müssen" einen Insolvenzantrag stellen, wenn Sie überschuldet oder zahlungsunfähig sind. Wieder falsch! Wir haben schon gelernt: wenn ihre Schulden als natürliche Person betroffen sind, "müssen" Sie erstmal gar nichts. Eine Insolvenzantragspflicht gibt es für Sie nicht. Wenn Sie sich aber für einen Insolvenzantrag entscheiden, dann muss dafür ein Insolvenzgrund vorliegen: als Insolvenzgründe kommen aber für Sie nur die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) in Betracht. Die Überschuldung
(§ 19 InsO) ist ein Insolvenzgrund der nur auf juristische Personen anzuwenden ist. Die überschuldete Privatperson im Sinne der Insolvenzordnung gibt es daher nicht. 

Mythos 3: Wenn ich für mein Einzelunternehmen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantrage, hat das mit meinem Privatvermögen nichts zu tun. Auch das ist falsch. Als natürliche Person haben Sie - so gesehen - nur ein Vermögen und dieses Vermögen umfasst ggf. Ihre einzelunternehmerische Tätigkeit, aber dann eben auch ihr Privatvermögen. Sind Sie beispielsweise als Fliesenleger einzelunternehmerisch tätig und können Ihre (geschäftlichen) Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen, dann wäre von einem Insolvenzverfahren über Ihr Vermögen auch ihre privat genutzte Immobilie betroffen. Eine Unterscheidung zwischen Geschäfts- und Privatvermögen gibt es hier nicht. Anders mag aussehen, wenn Sie das Geschäft in der Rechtsform einer GmbH, einer AG oder einer UG (haftungsbeschränkt) betreiben. 

Mythos 4: Die Verbraucherinsolvenz kommt für mich in Betracht, wenn sich meine Schulden ausschließlich aus Konsumverbindlichkeiten zusammensetzen. Und nochmals falsch. Die Einordnung als "Verbraucher" im Sinne der Insolvenzordnung erfolgt nicht nach dem Ursprung ihrer Verbindlichkeiten, sondern vordringlich anhand der Frage, ob sie gegenwärtig oder in der Vergangenheit wirtschaftlich selbständig, also einzelunternehmerisch tätig waren. Führen Sie selbst ein Gewerbe, das jedoch gut läuft, haben aber aufgrund überbordenden Konsumverhaltens erhebliche Verbindlichkeiten angehäuft, ist für Sie das Regelinsolvenzverfahren einschlägig. Dies gilt natürlich auch für den Fall, dass Sie sich erheblichen fälligen Verbindlichkeiten aus einer schlecht laufende Einzelunternehmung gegenübergestellt sehen, Sie aber keinerlei Verbindlichkeiten aus privatem Konsum gegenübergestellt sehen. 

Mythos 5: Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist "leichter" zu beantragen als das Regelinsolvenzverfahren. Dies stimmt wohl leider so auch nicht. Um den gerichtlichen Weg zu einem Verbraucherinsolvenzverfahren beschreiten zu können, müssen Sie zunächst erfolglos den Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung unternommen haben. Diesen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch können/dürfen Sie nicht selbst unternehmen, sondern müssen diesen zwingend durch eine Schuldnerberatung oder durch einen Rechtsanwalt/Rechtsanwältin durchführen lassen. Die entsprechende Stelle wird Ihnen sodann den gescheiterten außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversucht bestätigen und Sie können dann einen Insolvenzantrag stellen. 

Mythos 6: Ein Insolvenzantrag kann auch mündlich beim zuständigen Gericht beantragt werden. Nein, das geht leider auch nicht (mehr). Während früher noch ein Insolvenzantrag zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden konnte, sieht § 13 Abs. 1 Satz 1 InsO nunmehr zwingend einen schriftlichen Antrag vor. Bei einem Verbraucherinsolvenzantrag ist darüber hinaus das dafür vorgesehene amtliche Formular zu verwenden, für das Regelinsolvenzverfahren ist kein amtliches Formular vorgesehen. 

Mythos 7: Wer einen Insolvenzantrag stellt, wird nach 3 Jahren von seinen Verbindlichkeiten befreit. Auch das ist kein Automatismus! Richtig ist, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen von natürlichen Personen (gleich ob Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren) aktuell 3 Jahre von der Eröffnung bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung dauert. Um in den Genuss der Restschuldbefreiung zu kommen, müssen Sie zusätzlich zum Insolvenzantrag einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung stellen. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, wird auch über die Restschuldbefreiung im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht entschieden. Das Insolvenzverfahren würde dann (ohne Restschuldbefreiung) eingestellt werden. 


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