Rechtliche Parallelen von Fernabsatz-Informationspflichten bei verbindlicher Reservierung im Online-Handel

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Rechtliche Parallelen von Fernabsatz-Informationspflichten bei verbindlicher Reservierung im Online-Handel


Das Fernabsatzrecht gewinnt momentan wieder an erheblicher Bedeutung – die Corona-Pandemie treibt die Menschen nämlich massenhaft zum Einkaufen ins Internet. So stieg der Brutto-Umsatz von Waren im E-Commerce um ganze 14,6 Prozent auf 83,3 Milliarden Euro. Damit hat das geänderte Konsumverhalten dem Online-Handel im Corona-Jahr 2020 ein kräftiges Wachstum beschwert. Online-Händler werden daher stets mit Fragen rund um die Regulierung von Fernabsatzverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr konfrontiert. Schließlich gehen mit Kaufverträgen mit Verbrauchern im elektronischen Geschäftsverkehr sämtliche Informationspflichten des Händlers einher. Problematischer wird es allerdings etwa dann, wenn der Verkäufer den Käufern online die Möglichkeit einer verbindlichen Reservierung der Waren eröffnet. Es drängt sich insofern die Frage auf, ob die verbindliche Reservierung bereits einen Fernabsatzvertrag begründet und damit zugleich die hieraus resultierenden Informationspflichten des Händlers oder ob bei der Wahl von Reservierungsmodellen gerade kein Vertragsschluss über die Internetseite zustande kommt.


Wesentliches zum Fernabsatzgeschäft: Vertragsschluss, Informationspflichten, Konsequenz bei Pflichtverletzung


Legaldefinition des § 312c BGB

„Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.“


Ein Fernabsatzgeschäft liegt nach der Legaldefinition des § 312c BGB somit dann vor, wenn zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung sogenannter Fernkommunikationsmittel zustande kommt. Hiervon umfasst sind zum Beispiel Brief, Postkarte, Katalog, Fax, Telefon, SMS, E-Mail oder das Internet. Während der Vertragsanbahnung oder des Vertragsschlusses darf also kein persönlicher Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer entstehen, ansonsten ist der Schutz des Fernabsatzrechts ausgeschlossen. 

Sodann verlangt § 312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 246a EGBGB vom Verkäufer, dass er sämtliche den Vertrag betreffende Informationen preisgibt. Dabei handelt es sich insbesondere um Informationen zum Unternehmen, Produkt, Vertrag, Preis und weitere Kosten, Zahlungs- und Lieferbedingungen, Widerrufsrecht, elektronischen Geschäftsverkehr sowie Beginn des Bestellvorganges. Der maßgebliche Zeitpunkt, in dem der Käufer jene Informationen zur Kenntnis genommen haben muss, ist der Zeitpunkt vor Vertragsschluss – und somit spätestens dann, wenn der Käufer sich in der Situation vor dem entscheidenden Mausklick auf die Schaltfläche „zahlungspflichtig bestellen“ befindet. 

Kommt der Verkäufer seinen Informationspflichten nicht nach, so verzögert sich zunächst die Widerrufsfrist. Sie beginnt erst dann, wenn der Verkäufer seine Informationspflichten vollständig erfüllt hat. Zusätzlich muss der Verkäufer dem Käufer die eventuellen Schäden ersetzten, die dadurch eintreten, dass dieser vor Vertragsschluss gar nicht, falsch oder unvollständig informiert wurde. 


Fälle abseits klassischer Warenbestellung im Online-Shop: Rechtliche Behandlung von Online-Verträgen mit Option der verbindlichen Reservierung


Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied in seinem Urteil vom 28.01.2021 (Az.: 6 U 181/19), dass die verbindliche Reservierung über ein auf der Internetseite bereitgestelltes Kontaktformular bereits den Vertragsabschluss begründe. 

Für die Einschätzung, ob nämlich ein Fernabsatzvertrag vorliege, sei neben dem Vertragsschluss selbst auch der Verlauf der Vertragsanbahnung miteinzubeziehen. Hat der Verkäufer das Formular zur verbindlichen Reservierung auf der Webseite des Verkäufers ausgefüllt, so sei hierin nichts andere zu sehen als ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages. Die Verwendung des Wortlautes „Reservierung“ stehe dem auch nicht entgegen. Mit Absendung der Bestellung werde dann ein Kaufvertrag geschlossen, da ein Rechtsbindungswille vorliege. Dieses Angebot werde weiter etwa dann angenommen, wenn der Verkäufer eine E-Mail mit Bestätigung der Reservierung versendet. Dass die Beklagte keinen Vertragsschluss bezweckte, sei dabei nicht relevant. Maßgeblich allein sei, wie die Willenserklärungen der Beklagten nach dem Verständnis eines objektiven Dritten zu verstehen sei. Danach kommt ein verbindlicher Vertragsschluss also nicht erst durch ein persönliches Gespräch, beispielsweise im Ladengeschäft, zustande, sondern bereits mit Abgabe und Bestätigung der Reservierungserklärung. 

Zusätzliche Umstände, wie etwa AGB-Klauseln, aus denen hervorgehen, dass mit der bloßen Reservierung noch kein Vertrag geschlossen worden sei, rechtfertigen nach Ansicht des OLG Frankfurt auch keine andere Bewertung dieser Entscheidung. Jene AGB seien nämlich nicht wirksam in den Vertragsschluss miteinbezogen worden, da im konkreten Fall der Kunde die AGB erst später bei Annahmeerklärung der Beklagten erhalte, nicht aber im maßgeblichen Zeitpunkt vor seiner Reservierung. Im Übrigen führt das OLG aus, die AGB der Beklagten wären auch bei wirksamer Einbeziehung nicht zum Bestandteil des Vertrages geworden und begründet dies damit, dass es sich bei dem behaupteten Umstand des Vertragsschlusses erst im Ladengeschäft um eine sogenannte überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB handele. § 305c BGB beruht auf der Überlegung, dass der Kunde die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB oft nicht ausnutzt oder nicht ausnutzen kann, sei es, weil er das Klauselwerk als Ganzes ungelesen akzeptiert oder auch, weil er es zwar liest, aber nicht über die Rechts- und Geschäftskunde verfügt, die erforderlich sind, um solche entsprechende überraschende Klauseln zu erkennen und sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Daher zielt § 305c Abs. 1 BGB auf den Vertrauensschutz des Verbrauchers ab. Das bedeutet, dass der Kunde in jedem Fall unabhängig davon, ob er die AGB gelesen hat oder nicht, darauf vertrauen durfte, dass sich die Regelungen im Großen und Ganzen im Rahmen dessen halten, was nach den Umständen bei Abschluss des Vertrages erwartet werden kann. Solche Klauseln, die den Vertragsschluss bei Online-Reservierungen ausschließen, seien daher nach den tatsächlichen Umständen so ungewöhnlich, dass der Vertragspartner mit dieser nicht zu rechnen braucht. Auf den konkreten Fall übertragen, welchen das OLG Frankfurt zu entscheiden hatte, erwarte der Kunde mit der verbindlichen Reservierung bereits einen Kaufvertragsabschluss. Mit etwaigen Klauseln, die dem entgegenstehen, brauche er nach den Umständen somit nicht zu rechnen. 

Weiterhin liege nach Ansicht des OLG Frankfurt in der Formulierung der AGB eine unzulässige Umgehung nach § 312k BGB vor. Eine Aufspaltung des Vertrages in einen fernkommunikativen und einen stationären Teil im Ladengeschäft würden von den Vorschriften zu den Verbraucher- und Fernabsatzverträgen abweichen, diese umgehen und mithin die Verbraucherrechte im elektronischen Geschäftsverkehr aushöhlen. 

Im konkreten Fall wurde daher mit der verbindlichen Reservierungsmöglichkeit ein Fernabsatzvertrag geschlossen, mit der Konsequenz, dass die Beklagte zur Erfüllung der Informationspflichten des § 312d BGB verpflichtet sei. Diese mussten, wie eingangs erwähnt, vor Vertragserklärung des Verbrauchers erfüllt werden, vgl. Art. 246a EGBGB. 


Empfehlung für Händler

Dementsprechend sollten Händler, die für ihre Waren flexible Reservierungsmöglichkeiten anbieten, im Vorfeld zwingend überprüfen, ob ihr jeweiliges Reservierungssystem bereits den Abschluss eines Fernabsatzvertrages begründet und damit der Katalog an Informationspflichten zu erfüllen ist. Durch die Rechtsprechung des OLG Frankfurt herrscht nun auch Klarheit darüber, dass ein Vertragsschluss im Fernabsatz auch nicht durch willkürliche Klauseln zum Zustandekommen des Vertrages in AGB ausgehebelt werden können.


Foto(s): Rechtsanwalt Patrick Baumfalk / ©Adobe Stock/Krakenimages.com

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