Rechtmäßigkeit eines Prüfungsverfahrens

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Rechtmäßigkeit eines Prüfungsverfahrens bei vorheriger Kenntnis eines Teils der Prüflinge von einem im mündlichen Teil der zweiten juristischen Staatsprüfung verwendeten Aktenvortrag wegen vorheriger Verwendung dieses Aktenvortrags in einer anderen Prüfung (OVG, Urteil v. 20.11.2012 - 14 A 755/11)

Der Kläger nahm an der mündlichen Prüfung im zweiten juristischen Staatsexamen mit vier weiteren Prüflingen teil. Die zu bearbeitende Aufgabe war wenige Tage zuvor bereits als Aktenvortrag gestellt worden. Nach der Prüfung machte der Kläger geltend, dass einige seiner Mitprüflinge die Prüfungsaufgabe bereits gekannt hätten und somit besser vorbereitet waren.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger Klage mit der Begründung, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit vorläge. Gegenstand der Prüfung sei ein Fall gewesen, der  aufgrund des zuvor gestellten Aktenvortrags nicht geeignet war, die Kenntnisse und Fähigkeiten der Prüflinge abzuprüfen. Nach der geltenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse die Prüfungsbehörde alles in ihrer Macht stehende tun, um eine zufällige Kenntnis der Prüfungsfälle durch die Prüflinge auszuschließen. Der Kläger rügte den Verstoß gegen diesen Grundsatz. Teilnehmer des Aktenvortrags hätten mit einigen seiner Mitprüflingen genau diesen Fall durchgesprochen, weshalb jene Prüflinge, welchen der Fall bekannt war, ungerechtfertigt einen Vorteil erlangt hätten.  

Das zuständige Verwaltungsgericht hat dem Klageantrag mit dem angefochtenen Prüfungsurteil entsprochen. Auf den Zulassungsantrag des Beklagten wurde jedoch die Berufung zugelassen mit der Folge, dass die Angelegenheit vor dem Oberverwaltungsgericht zu entscheiden war. 

Dieses hat zu Ungunsten des Klägers der Klage nicht stattgegeben, sondern das von dem Beklagten angegriffene Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Verwendung des Aktenvortrages in einer vorherigen Prüfung nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstößt. Nur durch die hypothetische Möglichkeit, dass Mitprüflinge über Kommilitonen, die diesen Aktenvortrag als Prüfungsaufgabe hatten, Kenntnis davon erlangt haben, genügt nicht als rechtsverletzende Benachteiligung des Klägers. Jene Mitprüflinge erlangten nicht unmittelbar Kenntnis von der Prüfungsaufgabe, da sichergestellt worden war, dass keiner von ihnen als Zuhörer am Tag des Aktenvortrags anwesend war. Damit bestand lediglich die mittelbare Kenntnisnahme der Mitprüflinge von dem geprüften Fall. Bei einer derartigen mittelbaren Kenntnisnahme bestand für die Mitprüflinge weder die Möglichkeit noch ein besonderer Grund, den Fall vertieft zu behandeln. So hatte der Beklagte nachweislich dargestellt, dass die Wiederholung desselben Falles im Regelfall unüblich sei. Demnach war es unwahrscheinlich, dass der zuvor geprüfte Fall noch einmal Gegenstand einer mündlichen Prüfung sein würde. Schlussendlich sei ein Aktenvortrag und ein Prüfungsgespräch auch nicht derartig miteinander vergleichbar, dass anhand der Kenntnis eines Aktenvortrages ein erfolgreiches Prüfungsgespräch gewährleistet werden könne.

Warum eine Prüfungsanfechtung im Einzelfall trotzdem sinnvoll sein kann:                    

Bei der Bewertung von Prüfungsleistungen und im Prüfungsverfahren sind die Grundrechte des Einzelnen zu wahren. Insbesondere das Grundrecht auf freie Berufswahl  und das Gebot der Chancengleichheit müssen eingehalten und effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden. Verstöße gegen diese Grundsätze berechtigen zu einer Prüfungsanfechtung. So ist die gerichtliche Überprüfung von staatlichen Prüfungen verfassungsrechtlich garantiert. Dabei sollten Betroffene, welche sich prüfungstechnisch unangemessen benachteiligt fühlen, keine Angst vor einer „Verböserung" haben. Eine Neubewertung der Prüfungsleistung darf beispielsweise nicht zu einer Herabsetzung der erzielten Note führen.

Speziell für Juristen entscheidet die Examensnote maßgeblich über den weiteren Berufsweg. Es ist deshalb sinnvoll, sich bei der Prüfungsanfechtung rechtzeitig von einem spezialisierten Anwalt helfen zu lassen. Insbesondere formale Fehler im Prüfungsverfahren können nicht mehr erfolgreich angegriffen werden, nachdem das Ergebnis der Prüfung bekannt geworden ist.

Schlömer & Sperl Rechtsanwälte ist eine bundesweit tätige Rechtsanwaltskanzlei mit zentralem Sitz in der Hansestadt Hamburg. Wir sind mit den rechtlichen Rahmenbedingungen des Prüfungsrechts sowie spezieller Prüfungsanfechtungen bestens vertraut und unterstützen Sie gerne im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz sowie betreuen Sie, wenn dies erforderlich ist, auch im gerichtlichen Verfahren. Aufgrund unserer langjähriger Erfahrung ist uns die Entwicklung des Prüfungsrechts in Praxis und Rechtsprechung natürlich bekannt. Wir bieten Ihnen weiterhin eine individuelle und gerechte Kostenlösung, um Ihr Anliegen erfolgreich durchzusetzen.

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