Reichsbürger in Uniform/Bilder der Corona-Leugner und das BAMAD

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(oder: wie fängt man einen Tiger?)


Ein schlechter Kalauer vorweg:

Wie fängt die persische Polizei einen Tiger?

Antwort: Sie fängt eine Straßenkatze und prügelt so lange auf die Straßenkatze ein, bis sie gesteht, ein Tiger zu sein.


Um es vorweg zu sagen, der militärischen Abschirmdienst bzw. die Mitarbeiter verprügeln niemanden. Allerdings geben einige bei uns vorliegende Fälle Anlass, an dem rechtsstaatlichen Vorgehen dieser Behörde erhebliche Zweifel zu hegen.


Zu schnell und oft zu haltlos wird seitens des BAMAD der Verdacht erhoben, ein bestimmter Soldat sei ein Reichsbürger/Corona-Leugner/Prepper oder beteilige sich sonst an staatsgefährdenden Umtrieben.


Ein weiterer Fall, in dem die Mitarbeiter des BAMAD deutlich über das Ziel hinausgeschossen sind, war erneut Gegenstand einer von uns erstrittenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die wieder Eingang in die amtliche Leitsatzsammlung gefunden hat.


Zusammenfassung des Urteils BVerwG 2 WDB 10.23 vom 28. Februar 2024, das Eingang in die amtliche Leitsatzsammlung gefunden hat:


Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem wegweisenden Urteil, das wir für unsere Mandantin erstritten haben, die Rechte von Soldaten gestärkt und wichtige Fragen zum Schutz der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit geklärt. Die Beschwerde einer Frau Stabsunteroffizier gegen die unrechtmäßige Durchsuchung ihres Mobiltelefons durch Mitarbeiter des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) wurde stattgegeben, was ein klares Zeichen für die Wahrung der Grundrechte innerhalb der Bundeswehr setzt.


Unrechtmäßiges Verhalten der Mitarbeiter des BAMAD:


Unsere Mandantin war in einem Verfahren involviert, das sich ursprünglich gegen ihren früheren Lebensgefährten richtete, mit dem sie ein gemeinsames Kind hatte. Der Kindesvater unserer Mandantin geriet als angeblicher Corona-Leugner in das Visier des militärischen Abschirmdienstes deshalb, weil er sich einfach nicht gegen COVID-19 impfen lassen wollte.


Weil die Mitarbeiter des militärischen Abschirmdienstes sonst nichts gegen den Kindsvater unserer Mandantin in der Hand hatten, wurde er einfach mal der Reichsbürgerszene zugeordnet und es wurde entsprechend nachrichtendienstlich gegen ihn vorgegangen. In diesem Zusammenhang tauchen dann die Mitarbeiter des militärischen Abschirmdienstes bei unserer Mandantin auf, weil unsere Mandantin und der Kindsvater als Eltern über WhatsApp natürlich in Bezug auf ihr gemeinsames Kind kommuniziert haben. Deshalb wollten sie meine Mandantin einmal „unverbindlich“ zu ihrem Verhältnis zum Kindsvater befragen.


Deshalb fragen die Mitarbeiter BAMAD unsere Mandantin, was sie denn so mit dem Kindsvater über WhatsApp kommuniziere. Als unsere Mandantin dann das Telefon herausholte, um den Mitarbeitern des BAMAD zu zeigen, dass dort nichts dienstlich relevantes kommuniziert werde, wurde ihr das Handy aus der Hand genommen und die Mitarbeiter fotografierten den Inhalt einiger WhatsApp-Nachrichten ohne Erlaubnis oder Genehmigung.


Hieraus konstruierten die Mitarbeiter des BAMAD dann den Verdacht gegen unsere Mandantin, sie würde ebenfalls der Reichsbürgerszene angehören und als Corona-Leugnerin ihre Dienstpflichten verletzen, um das Mobiltelefon unserer Mandantin zu beschlagnahmen und weiter zu untersuchen. Der offensichtlich sehr unerfahrene und augenscheinlich wenig zu seinen Leuten stehende Disziplinarvorgesetzten versuchte dann nachträglich, dieses Verhalten der Mitarbeiter des BAMAD als eigene Ermittlungen gegenüber dem Truppendienstgericht zu präsentieren.


Genauer gesagt wurde unserer Mandantin das Mobiltelefon mit konstruierten Gründen abgenommen, um dort erst Beweise gegen den Kindsvater zu finden.  


Das Gericht hat nunmehr festgestellt, und zwar eindeutig, dass dieses Eingreifen der BAMAD-Mitarbeiter ohne rechtliche Grundlage erfolgte. Dieser Eingriff stellt, so das Gericht weiter, einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche und digitale Privatsphäre unserer Mandantin dar. Das Gericht stellte fest, dass diese Handlungen nicht nur unangemessen, sondern der ergangene Durchsuchungsbeschluss auch rechtswidrig waren, was die Wichtigkeit des Schutzes individueller Rechte unterstreicht.


Die Bilder: 

1. Erstes Bild:

Das eine Bild trägt die Überschrift "Bald kommt eine Zeit, in der wieder differenziert wird". Darunter sind zwei Fotos abgedruckt. Das erste Foto zeigt ein braunes Hemd mit einer roten Armbinde und weißem Kreis mit der Inschrift "geimpft" in Frakturschrift, das zweite Foto ein blaues Hemd mit einem gelben sog. Judenstern mit der Inschrift "ungeimpft" in Imitation hebräischer Schriftzeichen.

Zwischen den Fotos sind die Worte "Und alle schauen zu" abgedruckt.


Die Bewertung des Gerichts: 

Das Gericht erkannte das Bild als eine Form politischer Meinungsäußerung, die unter das Grundrecht der Meinungsfreiheit fällt. Es führt aus, dass das Bild eine kritische Reflexion über staatliche Maßnahmen und deren gesellschaftliche Akzeptanz darstellt. Die Verwendung von Symbolen, die an den Nationalsozialismus erinnern, wurde als provokatives Mittel zur Verstärkung der Kritik gesehen, ohne dass dabei die Verherrlichung dieses Regimes beabsichtigt war.


Damit stellt das Gericht ungewöhnlich deutlich klar, dass die Ausführungen und Anschuldigungen, die viele Soldaten wegen ähnlicher Bilder erleiden müssen, keine Stütze im Gesetz finden.


Das Gericht stellt auch in diesem Zusammenhang klar, dass § 8 SG nicht verlangt, dass sich Soldaten mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Bundesregierung oder den im Bundestag vertretenen Parteien identifizieren oder sie unterstützen müssen, was manche Disziplinarvorgesetzen irrig meinen.


Das schlichte Mitsichführen des Mobiltelefons, auf dem dementsprechende Bilder enthalten sind, begründet weder den Verdacht, dass die Soldaten die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht anerkennen, noch den Verdacht, dass sie nicht durch ihr gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten. Auch damit hat das Bundesverwaltungsgericht den Bestrebungen der Disziplinarvorgesetzten/Wehrdisziplinaranwaltschaft eine Absage erteilt, wenn diese behaupten, das alleinige Mitsichführen des Mobiltelefons, auf dem sich entsprechende Dateien befänden, begründen schon einen Verstoß gegen § 8 SG oder andere Dienstpflichten.


Hinsichtlich des Bildes, dass unsere Mandantin benutzt hat, und das so oder ähnlich viele andere Soldaten betrifft, führt das Bundesverfassungsgericht aus:


Nicht hingegen ist das Bild deshalb als Verharmlosung des Holocausts auszulegen, weil darin die Zwangsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes auf annähernd dieselbe Stufe herabgesetzt werden wie die staatlichen Schutzmaßnahmen gegen COVID-19 in der Bundesrepublik Deutschland. Denn die Kernaussage des Bildes ist ersichtlich die Kritik an den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland. Die verfremdete Hakenkreuzbinde und der verfremdete Judenstern werden lediglich provokativ eingesetzt, um dieser Kritik besonderes Gewicht zu verleihen. Die Zwangsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes werden mit dem Bild nicht verherrlicht; vielmehr warnt es davor, sich solchen Zeiten anzunähern.


Damit folgt das Gericht unserer immer wieder vorgebrachten Argumentation und Kritik an der Verfolgungspraxis einiger Disziplinarvorgesetzten oder Wehrdisziplinaranwaltschaften. Kameraden, die solche oder ähnliche Bilder auf ihren Mobiltelefonen hatten oder auch in den sozialen Medien veröffentlichten, mussten sich erheblichen Vorwürfen ausgesetzt sehen, obwohl sie deutlich zum Ausdruck bringen wollten, dass sie mit den ausgebrachten Maßnahmen nicht einverstanden sind und ausdrücklich davor warnen, sich totalitären Zeiten anzunähern.


2. Zweites Bild:

Das zweite Bild zeigt Karl Lauterbach, der eine nicht voll aufgeblasene Gummipuppe über seinem Schoß hält. Darunter steht: „Nach langem Hin und Her hat Karl heute seine Freundin geimpft. Leider ist ihr kurz darauf die Luft ausgegangen. Wegen des zeitlichen Zusammenhangs muss hier leider von einem im Schaden ausgegangen werden.“


Die Bewertung des Gerichts:

Auch dieses Bild wurde vom Gericht als Ausübung der Meinungsfreiheit angesehen. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bild außerhalb des persönlichen Speicherbereichs der Soldatin geteilt wurde.


Fazit und Bedeutung des Urteils:

Das Urteil verdeutlicht die für unsere Mandanten immer wieder vorgetragene Argumentation, dass der überzogenen Verfolgungssucht einiger Disziplinarvorgesetzten Einhalt geboten werden muss. Insbesondere die grob rechtswidrigen Handlungsweisen von Mitarbeitern des BAMAD gebührt besondere Beobachtung.


Unsere Mandantin sah sich einer intensiven und ungerechtfertigten Verfolgung durch die Disziplinarvorgesetzten, die Wehrdisziplinaranwaltschaft sowie das BAMAD ausgesetzt, welche ihre Dienstfähigkeit ernsthaft beeinträchtigt haben. Umso größer ist daher die Erleichterung unserer Mandantin – und auch unsere – über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das Gericht hat mit nachdrücklichen Worten das Vorgehen der Behörden zurückgewiesen und klargestellt, dass der bloße Besitz von Bildern, die möglicherweise satirischer Natur oder politikkritisch sind, nicht ausreicht, um einen Anfangsverdacht zu begründen, dass sich der Soldat nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekenne.


Somit wurde aus den vom BAMAD behaupteten Reichsbürgern in Uniform ganz schnell wieder Staatsbürger in Uniform. Dass es sich bei den Soldaten um eben solche Staatsbürger in Uniform handelt, scheinen die Mitarbeiter des BAMAD oder verfolgungssüchtige Disziplinarvorgesetzte allzu oft zu vergessen.


Die erfolgreiche Verteidigung in diesem Fall bedeutet nicht nur das Ende der unrechtmäßigen Verfolgung dieser Soldatin, sondern auch eine wesentliche Änderung der Rechtspraxis. Dieses Urteil kann als Präzedenzfall dienen, der zeigt, dass die Justiz bereit ist, die Rechte der Einzelnen gegenüber übermäßigen staatlichen Eingriffen zu schützen. Es ist ein klares Signal, dass auch in den Streitkräften die Grundrechte jedes Einzelnen uneingeschränkt zu respektieren sind.


Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht auch in Änderung seiner Rechtsprechung entschieden, dass Beschwerden gegen Durchsuchungsbeschlüsse nach § 114 I WDO immer statthaft sind, egal ob sie im einfachen Disziplinarverfahren oder im gerichtlichen Disziplinarverfahren erhoben werden.


Dieses Urteil zeigt auch, dass es sich lohnt, sich rechtzeitig mit einem Verteidiger, der auch die Tücken des Wehrdisziplinarrechts kennt, in Verbindung zu setzen. Das Truppendienstgericht, dass das den angegriffenen Beschluss erlassen hat, wurde in diesem Fall unzureichend durch die WDA/Disziplinarvorgesetzten informiert. Unsere unverzügliche Intervention beim Truppendienstgericht wurde indes zurückgewiesen und nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich korrigiert.


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