Rückkaufswert: Können sich Versicherte nach einer Kündigung noch wehren?

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Wenn Menschen in eine Lebensversicherung investieren, dann geht es ihnen oftmals nicht ausschließlich um die Absicherung eines Todesfalls. Diese Versicherungen werden wegen ihrer „Garantiezinsen“ auch als Kapitalanlagen angesehen. Wenn ein Versicherter jedoch vorzeitig auf das in die Lebensversicherung investierte Kapital zugreifen und den Vertrag kündigen möchte, dann kann dies ein ernüchterndes Ergebnis haben. Denn entgegen der vielfach gehegten Erwartung, dass der eingezahlte Betrag und die entsprechenden „Garantiezinsen“ ausgezahlt werden, wird stattdessen meist ein berechneter Rückkaufswert ausgezahlt. Denn dies ist in den Lebensversicherungsverträgen so festgeschrieben.

Durch einen Widerruf entfällt die Grundlage des Rückkaufswerts

Doch was können Lebensversicherte unternehmen, wenn sie sich mit dem Rückkaufswert nicht einfach abfinden möchten? Ein Lösungsansatz ist der Widerruf – genauer Widerspruch – des Versicherungsvertrags. Es handelt sich hierbei um ein gesetzlich festgeschriebenes Verbraucherrecht. Wird ein Vertrag widerrufen, dann wird der Vertrag so behandelt, als ob er nie abgeschlossen worden. Der Wegfall der Vertragsgrundlage entzieht vertraglichen Vereinbarungen wie dem Rückkaufswert deren Grundlage. Insofern unterscheidet sich ein Widerruf von einer Kündigung, die einen bestehenden Betrag (mit allen darin enthaltenen Regelungen) beendet.

Bedeutet dies nun, dass ein Widerspruch sämtliche Probleme mit Rückkaufswerten oder sonstigen unliebsamen Vertragsklauseln lösen kann? Einem Versicherungsvertrag kann nicht beliebig widersprochen werden, sondern nur innerhalb einer bestimmten Frist. Doch bereits die Frage, ob bei einem bestimmten Vertrag ein Widerruf grundsätzlich noch möglich ist, führt in der Praxis zu einer komplexen rechtlichen Prüfung. Denn Kleinigkeiten und einzelne Formulierungen in den jeweiligen Vertragswerken sowie die sich im Lauf der Zeit verändernden Gesetze können entscheidenden Einfluss auf die juristische Bewertung haben.

Dass es bei dem Widerruf einer Lebensversicherung mitunter auf Kleinigkeiten ankommen kann, zeigte sich u.a. bei zwei BGH-Urteilen aus dem Jahr 2014. Der Bundesgerichtshof hatte zwei – auf den ersten Blick – ähnliche Fälle von Versicherten zu entscheiden. Beide Versicherte hatten ihre Versicherungen gekündigt und Jahre später den Widerruf erklärt, weil sie nicht mit der ausgezahlten Summe zufrieden waren. Einmal entschied der BGH, dass der Widerspruch des Versicherten rechtmäßig sei und einmal wurde der spätere Widerspruch nicht anerkannt.

Eines dieser Urteile wurde sogar in den Schlagzeilen der Medien behandelt, da höchstrichterlich entschieden werden musste, ob tausende Versicherungsverträge widerrufbar sind. Eine spezielle Variante des Vertragsabschlusses (Policenmodell) wurde als nicht europarechtskonform angegriffen, sodass deswegen ein Widerspruch gegen den Versicherungsvertrag möglich sei solle. Dieser Auffassung schloss sich der BGH nicht an – das Policenmodell sei kein Verstoß gegen Europarecht. Eine Lebensversicherung sei nicht schon deshalb widerrufbar und rückabwickelbar, weil sie im damals gesetzlich vorgeschriebenen Policenmodell abgeschlossen wurde (Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13). Und auch den zusätzlich erklärten Widerspruch des Klägers gegen den gekündigten Versicherungsvertrag behandelte der BGH als verspätet, da die gesetzlich vorgeschriebene Höchstfrist für den Widerruf von einem Jahr nach der ersten Prämienzahlung schon abgelaufen war.

Zwei Urteile, zwei unterschiedliche Ergebnisse wegen kleiner Unterschiede

Doch trotz dieses Urteils ist der Widerruf eines Versicherungsvertrags nach wie vor möglich. Dies demonstriert ein weiterer vom BGH entschiedener Fall: Der Kläger in diesem Verfahren ist beim Vertragsabschluss nicht ordnungsgemäß auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen worden. Zwar war in der damaligen Gesetzeslage der Widerruf auf ein Jahr nach der ersten Prämienzahlung beschränkt, aber dieses gesetzliche Höchstfrist wurde höchstrichterlich als nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar eingestuft, wenn es an einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung mangelt (Urteil vom 07.05.2014, Aktenzeichen: IV ZR 76/11). Der Kläger konnte daher wirksam widersprechen und Geld fordern.

Die Rechtslage rund um den Widerspruch bei Lebensversicherungen ist – wie sich an diesen nur grob umrissenen Urteilen erkennen lässt - komplex. Wenn Lebens- oder Rentenversicherte sich nicht mit dem Ergebnis einer Kündigung abfinden möchten und sich angesichts dieser verzweigten Rechtslage fragen, wie ihr konkreter Fall zu bewerten ist, sollten sie sich Rechtsrat einholen. Denn der Widerspruch ist zwar ein anerkanntes Recht eines Verbrauchers – eine einfache „Patentlösung“, die stets funktioniert, ist dieses vielschichtige Recht dennoch nicht.

Mehr Informationen rund um den Widerruf von Versicherungsverträgen befinden sich auf der von der Kanzlei Dr. Stoll & Kollegen herausgegebenen Internetseite www.widerrufsrecht-anwalt.de.

Dr. Stoll & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Kanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht


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