SCHADENSMINDERUNGSPFLICHT: WAS IST DEM GESCHÄDIGTEN ZUZUMUTEN?

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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 21.09.2021 (Az: VI ZR 91/19) entschieden, dass einem Unfallgeschädigten nur solche Therapien zuzumuten sind, die auch die sichere Aussicht einer wesentlichen Besserung bieten. Dies gelte auch für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer stationären psychiatrischen oder medikamentösen Behandlung, die mit belastenden Nebenwirkungen verbunden ist. Das Unterlassen zumutbarer Behandlungsmaßnahmen könne allerdings ein Mitverschulden des Unfallopfers begründen. Auch müsse für den Geschädigten die Möglichkeit bestehen, seine (wiedergewonnene) Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen. Das dürfte in der Regel nicht der Fall sein, wenn er aufgrund der Unfallfolgen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist.

Was ist passiert?

Der Kläger in dem Fall erlitt bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall erhebliche Beinverletzungen, die nach geraumer Zeit abheilten. Infolge des Unfalls und der erlittenen Verletzungen entwickelten sich psychosomatische Beschwerden in Form von depressiven Störungen, die zur Arbeitsunfähigkeit führten. Ihm wurde fünf Jahre nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Der Kläger verlangte von der beklagten Haftpflichtversicherung den Ersatz seines Verdienstausfalls in Höhe von 130.000,00 €. Außerdem begehrte er die Feststellung der Verpflichtung zur monatlichen Zahlung von knapp 1.500,00 € für seinen Verdienstausfall.

Nachdem seiner Klage in der ersten Instanz im Wesentlichen stattgegeben worden war, kürzte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit Urteil vom 21.02.2019 (Az: 7 U 134/16) seine Ansprüche um bis zu 75%. Das OLG nahm hier ein Mitverschulden in Form eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht an. Ein solcher liegt vor, wenn der Geschädigte solche Maßnahmen unterlässt, die ein verständiger Mensch an seiner Stelle zur Schadenabwehr oder -minderung ergriffen hätte. Im vorliegenden Fall liege der Verstoß darin, dass der Kläger weitere Versuche unterlassen hatte, seine depressiven Störungen angemessen behandeln zu lassen.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat das Urteil insoweit aufgehoben – das OLG habe nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt. So seien insbesondere keine Feststellungen dazu getroffen worden, welches die konkreten möglichen Therapiemaßnahmen für den Geschädigten waren oder sind. Dies sei für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Behandlung jedoch unerlässlich. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass zwei Ärzte dem Kläger erklärten, eine zukünftige Besserung seiner Leistungsfähigkeit sei ausgeschlossen. Zudem komme auch im Falle der Verletzung der Schadensminderungspflicht eine quotenmäßige Anspruchskürzung nicht in Betracht, da dies zu sachwidrigen Ergebnissen führen könne. Vielmehr müssten die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den Schaden angerechnet werden.

Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische OLG zurückverwiesen.

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