Schulden erben Teil II: Erbe ausschlagen und Alternativen zur Erbausschlagung

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Hat man geerbt und in Erfahrung gebracht, dass die Erbschaft überwiegend aus Schulden besteht, ist der erste Impuls oftmals: Man muss die Erbschaft ausschlagen. Aber wie schlägt man eine Erbschaft richtig aus? Und ist die Ausschlagung der Erbschaft tatsächlich der einzige Weg, mit einer solchen Situation umzugehen?

Erbschaft ausschlagen?  

Landläufig hört und liest man immer wieder: Wenn Schulden zur Erbschaft gehören, sollte man die Erbschaft ausschlagen. Aber ist das wirklich immer der richtige Weg?

Grundsätzlich gilt: Sind Schulden Teil des Nachlasses, kann man die Schulden einer Erbschaft nicht isoliert „ausschlagen“, sondern man kann grundsätzlich nur die Erbschaft als Ganzes ausschlagen. Mit der Ausschlagung einer Erbschaft verzichtet man auf alles, was zur Erbschaft gehört. Die ganze Erbschaft auszuschlagen, ist deswegen vor allem sinnvoll, wenn der Nachlass nur aus Schulden besteht. 

Folge der wirksamen Erbausschlagung ist, dass der Ausschlagende so gestellt wird, als hätte er von Anfang an nicht geerbt. Die Erbschaft gilt als nicht angefallen. Somit verliert man aber grundsätzlich auch das Recht auf alle persönlichen Gegenstände des Erblassers, wie z.B. Fotoalben, Erinnerungsstücke oder Ähnliches.

Was muss man bei der Erbausschlagung beachten? 

Damit man die Erbschaft rechtswirksam ausschlagen kann, gibt es insbesondere folgende Dinge zu beachten:  

  1. Man hat nur sehr wenig Zeit, eine Erbschaft auszuschlagen. Das Gesetz sieht eine Ausschlagungsfrist von 6 Wochen ab Kenntnis des Erbanfalls vor. In seltenen Ausnahmefällen mit Auslandsbezug kann eine längere Frist gelten, davon ist aber grundsätzlich nicht auszugehen. Eine Verlängerung der Ausschlagungsfrist ist nicht möglich! Hat man die Frist verpasst, gilt die Erbschaft als angenommen. Dann kann allenfalls eine Nachlassverwaltung bzw. ein Nachlassinsolvenzverfahren (dazu unten mehr) oder in sehr seltenen Ausnahmefällen auch eine Anfechtung der Annahme der Erbschaft verhindern, dass man mit dem eigenen Vermögen für die Schulden des Nachlasses haftet.    
  2. Die Ausschlagung muss formwirksam sein. Die Ausschlagungserklärung muss innerhalb der Ausschlagungsfrist vor Ort „zur Niederschrift des Nachlassgerichts“ abgegeben oder in öffentlich beglaubigter Form (notariell) beim zuständigen Nachlassgericht eingereicht werden. Das zuständige Nachlassgericht ist grundsätzlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk die verstorbene Person ihren letzten Wohnsitz/Aufenthalt hatte.
  3. Eine Erbausschlagung ist nur möglich, sofern zuvor keine Annahme der Erbschaft erfolgt ist. Eine solche Annahme der Erbschaft setzt keine ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht voraus, sondern kann sich auch nur aus dem tatsächlichen Verhalten des Erben nach dem Erbfall ergeben. So kann beispielsweise die Geltendmachung eines im Nachlass befindlichen Zahlungsanspruchs oder der Zugriff auf ein Konto des Erblassers eine sogenannte „konkludente“ Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Handeln darstellen, sodass die Erbschaft nicht mehr ausgeschlagen werden kann.

Tipp! Sofern man in Betracht zieht, eine Erbschaft auszuschlagen, ist Vorsicht geboten: In diesem Fall sollte man zunächst keinesfalls auf Bestandteile des Nachlasses (insbesondere Konten des Erblassers) zugreifen, weil hierdurch die Möglichkeit einer Erbausschlagung zunichte gemacht werden kann. 

Statt Ausschlagung: Erbenhaftung für Schulden auf Nachlass begrenzen?

Oft ist innerhalb der Ausschlagungsfrist nicht zu ermitteln, ob eine Erbschaft überschuldet ist oder nicht. Dann die Erbschaft „ins Blaue hinein“ auszuschlagen, kann in finanzieller Hinsicht nachteilig sein: vor allem wenn sich später herausstellt, dass das Nachlassvermögen den Wert der Schulden übersteigt. Auch in diesen Fällen führt die erfolgte Ausschlagung grundsätzlich dazu, dass keine Ansprüche in Bezug auf den Nachlass mehr bestehen, man also leer ausgeht. 

In einer solchen Situation kann es daher sinnvoll sein, die Erbschaft nicht auszuschlagen, sondern stattdessen durch geeignete Maßnahmen unverzüglich die Erbenhaftung für Schulden aus der Erbschaft auf den Nachlass zu begrenzen. So verringert sich das Risiko, mit dem eigenen Vermögen für Schulden des Erblassers zu haften. Das Gesetz kennt grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Erlangung einer Haftungsbegrenzung: die Nachlassverwaltung und das Nachlassinsolvenzverfahren.

  1. Nachlassverwaltung
    Die Nachlassverwaltung ist „eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger“ auf Antrag der Erbinnen und Erben beim Nachlassgericht. Das Nachlassgericht bestimmt dann einen Nachlassverwalter bzw. eine -verwalterin. Diese Person ordnet und verwaltet den Nachlass und begleicht gegebenenfalls etwaige Schulden aus dem Nachlass. Bleibt ein positives Vermögen übrig, erhalten die Erbinnen und Erben dieses anschließend anteilig. Reicht der Nachlass nicht, um die Schulden des Nachlasses zu decken, wird das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet.

    Tipp! Hat man die Ausschlagungsfrist (s.o.) verpasst, ist es grundsätzlich noch möglich, eine Nachlassverwaltung zu beantragen.
  2. Nachlassinsolvenzverfahren
    Das Nachlassinsolvenzverfahren wird auf Antrag der Erbinnen und Erben beim Nachlassgericht eröffnet. Es ist ein „normales“ Insolvenzverfahren – beschränkt auf den Nachlass. Wird die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens abgelehnt, weil nicht einmal die Kosten des Verfahrens gedeckt sind, erhalten die Erbinnen und Erben einen entsprechenden Beschluss des Gerichts. Mit diesem Beschluss ist es dann möglich, Zahlungen an Nachlassgläubiger zu verweigern. Wichtig! Auch im Falle der Nachlassverwaltung und des Nachlassinsolvenzverfahrens ist allerdings Vorsicht geboten: Denn nicht immer führen entsprechende Anträge der Erben zur gewünschten Haftungsbegrenzung. Letztere hängt insbesondere auch von dem bisherigen Verhalten der Erben nach dem Erbfall ab, insbesondere davon, ob diese bereits auf Nachlassbestandteile zugegriffen haben oder nicht.  

Wichtig! Auch im Falle der Nachlassverwaltung und des Nachlassinsolvenzverfahrens ist allerdings Vorsicht geboten: Denn nicht immer führen entsprechende Anträge der Erben zur gewünschten Haftungsbegrenzung. Letztere hängt insbesondere auch von dem bisherigen Verhalten der Erben nach dem Erbfall ab, insbesondere davon, ob diese bereits auf Nachlassbestandteile zugegriffen haben oder nicht.  

Rasches Handeln ist wichtig 

Gehören Schulden zu einer Erbschaft, gibt es Möglichkeiten für die Erben (z.B. Kinder und/oder Ehepartner), nicht mit dem eigenen Vermögen für die Schulden des Nachlasses zu haften – die Erbausschlagung, die Nachlassverwaltung und das Nachlassinsolvenzverfahren. Welche Maßnahme gegebenenfalls die richtige ist, hängt vom konkreten Einzelfall ab, sodass die unverzügliche Einholung von Rechtsrat dringend anzuraten ist. Da auch bei Beratung durch einen Anwalt die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft innerhalb der sechswöchigen (!) Ausschlagungsfrist getroffen werden muss, ist es wichtig, den Anwalt möglichst frühzeitig einzubinden. Andernfalls bleibt dem Berater oftmals keine/kaum Zeit, gegebenenfalls weitere Informationen einzuholen und bei einer wohlüberlegten Entscheidungsfindung zu unterstützen.  

Hier geht es zum Schulden erben Teil I: Schulden erben & Ausschlagen der Erbschaft

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