Schulden erben Teil I: Schulden erben & Ausschlagen der Erbschaft

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Eine Erbschaft ist – trotz aller persönlichen Tragik – oftmals ein finanzieller Segen für die Erben. Nie wurde in Deutschland so viel Vermögen vererbt wie derzeit. Es gibt allerdings auch den anderen Fall: der Erblasser oder die Erblasserin – z.B. die eigenen Eltern oder der Ehegatte – hatte nichts außer einem Berg Schulden. 

Was passiert dann? Bleibt man automatisch auf den Schulden „sitzen“ und haftet unter Umständen mit seinem gesamten Privatvermögen z.B. für die geerbten Schulden der Eltern oder des verstorbenen Ehepartners? Oder kann man dagegen etwas unternehmen? 

Kann man Schulden erben? 

Die kurze Antwort auf diese Frage: Ja, man kann Schulden erben. Der Grund dafür ist die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge: mit dem Tod einer Person geht deren Vermögen als Ganzes (= Erbschaft) auf eine oder mehrere Personen (Erben) über. Auch die Nachlassverbindlichkeiten sind Bestandteil der Erbschaft. Dazu gehören laut Gesetz insbesondere die Schulden des Erblassers, die er im Zeitpunkt seines Todes hatte. Verstirbt eine Person, die Schulden hatte, hinterlässt diese Person also auch die Schulden – man „erbt Schulden“. 

Nicht selten trifft das Problem „Schulden erben“ Kinder und/oder Ehepartner – und das oft vollkommen unvorbereitet. Im Falle einer testamentarischen Erbfolge betrifft das die Kinder oftmals erst, wenn der letzte Elternteil stirbt; denn testamentarisch ist häufig geregelt, dass das Vermögen der Eltern erst mit dem Tod des Längerlebenden auf die Kinder übergeht („Berliner Testament“). Sofern Ehepartner ihren Nachlass testamentarisch geregelt haben, wird daher in vielen Fällen der längerlebende Ehepartner Alleinerbe und ist sodann von etwaigen Schulden des Nachlasses betroffen. Bei gesetzlicher Erbfolge (ohne Testament) bilden aber in der Regel der Ehepartner und etwaige Kinder (oder der Ehepartner und dessen Schwiegereltern) eine Erbengemeinschaft, sodass alle gemeinsam von den Schulden betroffen sind. Insbesondere bei Beteiligung minderjähriger Kinder kann das zu erheblichen Folgeproblemen führen.

In jedem Fall ist es sinnvoll, sich im Hinblick auf die Vererbung etwaiger Schulden bereits zu Lebzeiten Gedanken zu machen und sich gegebenenfalls bei der Errichtung eines Testaments fachkundig beraten zu lassen. Vor allem, wenn beispielsweise eine selbstbewohnte Immobilie durch die Schulden später in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.

Welche Schulden kann man erben?

Grundsätzlich sind alle Schulden Teil der Erbschaft. Woher diese Schulden stammen, ist irrelevant. Deswegen erbt man beispielsweise Schulden aus Verträgen (nicht bezahlte Rechnungen, Miete etc.) genauso wie z.B. Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt oder anderen Behörden (z.B. Steuerschulden). Die Erben sind grundsätzlich auch verpflichtet, etwaige falsche/unvollständige Angaben des Erblassers gegenüber dem Finanzamt zu berichtigen bzw. nachzuholen.

Erbschaft ausschlagen?  

Landläufig hört und liest man immer wieder: Wenn Schulden zur Erbschaft gehören, sollte man die Erbschaft ausschlagen. Aber ist das wirklich immer der richtige Weg?

Grundsätzlich gilt: Sind Schulden Teil des Nachlasses, kann man die Schulden einer Erbschaft nicht isoliert „ausschlagen“, sondern man kann grundsätzlich nur die Erbschaft als Ganzes ausschlagen. Mit der Ausschlagung einer Erbschaft verzichtet man auf alles, was zur Erbschaft gehört. Die ganze Erbschaft auszuschlagen, ist deswegen vor allem sinnvoll, wenn der Nachlass nur aus Schulden besteht. 

Folge der wirksamen Erbausschlagung ist, dass der Ausschlagende so gestellt wird, als hätte er von Anfang an nicht geerbt. Die Erbschaft gilt als nicht angefallen. Somit verliert man aber grundsätzlich auch das Recht auf alle persönlichen Gegenstände des Erblassers, wie z.B. Fotoalben, Erinnerungsstücke oder Ähnliches.

Tipp! Schlägt man eine Erbschaft aus, erben die testamentarisch oder aufgrund gesetzlicher Erbfolge Nächstberufenen, d.h. in der Praxis oftmals die eigenen Kinder. Bei minderjährigen Kindern muss deswegen die Erbschaft gegebenenfalls auch für die Kinder ausgeschlagen werden, was im Einzelfall eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich machen kann. Volljährigen Kindern sollte man die Situation erläutern, damit diese ihre eigene Entscheidung treffen können.

Wie man eine Erbschaft ausschlägt, lesen Sie in Teil II dieses Beitrags – ebenfalls hier auf anwalt.de. 

Rasches Handeln ist wichtig

Gehören Schulden zu einer Erbschaft, ist die Ausschlagung der Erbschaft eine Möglichkeit, nicht mit dem eigenen Vermögen für die Schulden des Nachlasses zu haften. Ob die Erbausschlagung aber der richtige Weg ist, hängt vom konkreten Einzelfall ab, sodass die unverzügliche Einholung von Rechtsrat dringend anzuraten ist. 

Da auch bei Beratung durch einen Anwalt die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft innerhalb der sechswöchigen (!) Ausschlagungsfrist getroffen werden muss, ist es wichtig, den Anwalt möglichst frühzeitig einzubinden. Andernfalls bleibt dem Berater oftmals keine/kaum Zeit, gegebenenfalls weitere Informationen einzuholen und bei einer wohlüberlegten Entscheidungsfindung zu unterstützen.  

Hier geht es zum Schulden erben Teil II: Erbe ausschlagen und Alternativen zur Erbausschlagung

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Ihr Nicolai Utz
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Erbrecht


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