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Schulrecht: Recht auf Inklusion gescheitert – Missbrauch statt Hilfe

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UN-Behindertenkonvention und Recht auf Inklusion

Vor gar nicht allzu langer Zeit besuchten fast alle Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Sonderschule. Dies galt zu Recht als diskriminierend.

Die 2006 verabschiedete und 2008 ratifizierte UN-Behindertenkonvention hatte zum Ziel, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine normale Schule besuchen dürfen.

Seither haben viele Bundesländer (bspw. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein …) ein Recht auf Inklusion geregelt, d. h. im Falle sonderpädagogischen Förderbedarfs eine normale Schule besuchen zu dürfen. 

Andere Bundesländer (bspw. Bayern, Hessen usw.) haben zwar kein Recht auf Inklusion geregelt, aber inzwischen viele Schulen mit Inklusion ausgestattet, sodass Kinder diese besuchen können und dies selten verwehrt bekommen.

Funktioniert Inklusion?

Ganz klar nein!

Die Ausstattung der Schulen mit Inklusion seitens der Bundesländer ist ein schlechter Witz:

Die Bundesländer legen die sonderpädagogische Förderung von Schülern durch einen Sonderpädagogen meist bei 3-4 Stunden pro Woche fest:

  • D. h., ist der Schüler der einzige mit sonderpädagogischem Förderbedarf in seiner Klasse, dann kommt 3-4 Stunden die Woche jemand vorbei und schaut nach dem Rechten, was für ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu wenig ist.
  • Ist man in einer Inklusionsklasse, dann kommt der Sonderpädagoge auch mehrere Stunden vorbei, man teilt sich diese Unterstützung allerdings dann mit anderen Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die mitunter andere Bedürfnisse haben. Bei einem Unterricht in einer regulären Klasse ist auch dies zu wenig.

Viele Kommunen haben dies recht frühzeitig bemerkt, dass die vollmundigen Versprechungen der Landesregierungen auf ihre Kosten gehen könnte, da diese Ressourcen nicht ausreichen. In NRW wurde deshalb die Einführung des Rechts auf Inklusion zweimal um ein Jahr verschoben, weil offene Konflikte ausbrachen.

Im Ergebnis ist es so, dass tatsächlich viele Jugendämter und Sozialämter Schulbegleitungen für Schüler mit Förderbedarf finanzieren, damit diese am Unterricht teilnehmen können. Diese Schulbegleitungen werden meist für die komplette Woche bewilligt, weil ein Schüler ja nicht nur 3 Stunden die Woche gefördert werden muss, sondern jede Schulstunde!

Diese zusätzliche Hilfe erhalten natürlich nur wenige Schüler, da die Kommunen ja nicht die ganze Inklusion finanzieren können, die nicht sie, sondern die Landespolitiker versprochen haben!

Typischer Inklusionsmissbrauch in Deutschland

Die Folge von all dem ist, dass Inklusion in Deutschland nicht funktioniert:

Folgen für wirklich behinderte Kinder: überwiegend Verbleib in den Sonderschulen:

Kinder, die wirklich auf sonderpädagogische Unterstützung angewiesen sind, kommen mit den seitens der Länder bereitgestellten Ressourcen nicht aus.

Diese können nur dann eine normale Schule besuchen, wenn Jugendämter oder Sozialämter Schulbegleitungen stellen, die sie durch die ganze Woche begleiten. Mit ein paar Stunden sonderpädagogischer Unterstützung seitens des Landes kommen sie nicht aus und ihr Recht auf Inklusion können sie damit nicht ausüben.

Folgen für Kinder, die nicht nach Schema F laufen – normale Kinder werden für behindert erklärt

Ist es für wirklich behinderte Kinder also überwiegend unmöglich, Inklusion in Anspruch zu nehmen, sind die Ressourcen ja trotzdem da …

Also haben viele Schulen damit begonnen, Inklusionsmissbrauch zu betreiben.

Kinder, bei denen das Schema F nicht zutrifft (insbesondere verhaltensauffällige Kinder und solche mit Teilleistungsstörungen wie Legasthenie, Dyskalkulie oder auditiven Wahrnehmungsstörungen) müssen also herhalten und werden kurzerhand in den sonderpädagogischen Förderbedarf gepresst:

Für Lehrer ist dies angenehmer, da sie hierfür zusätzliche Ressourcen erhalten, sodass sie die Problemfälle innerhalb der Klasse einfach an den Rand schieben.

Dies ist freilich ein Witz, da hierdurch Kinder für behindert erklärt werden, die zuvor auch ganz normal beschult wurden und jetzt soll plötzlich sonderpädagogischer Förderbedarf erforderlich sein? Lehrer, die diese Kinder jahrelang beschulten, erklären sich plötzlich als nicht hinreichend ausgebildet und verweisen mit Krokodilstränen an die Sonderpädagogen …

Wie dem auch sei: Der seitens der Politik gefeierte „Inklusionserfolg“ besteht überwiegend gar nicht aus behinderten Kindern, sondern solchen, die man für behindert erklärt hat, während der Großteil wirklich behinderter Schüler auf den Sonderschulen verbleibt, weil die bereitgestellten Ressourcen für wirklich behinderte Kinder nicht reichen.

Der statistische Nachweis des Scheiterns der Inklusion

Statistiken im Zusammenhang mit Inklusion sind immer so eine Sache.

Feststellungsquoten bei eingeleitetem Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs

Stellt die Schule einen Antrag auf sonderpädagogischen Förderbedarf, wird der Schüler durch einen Sonderpädagogen als Sachverständigen untersucht und in gefühlt fast 100 % der Fälle, stellt der Sonderpädagoge fest, was die Schule wollte und in gefühlt weiteren 100 % bestätigt das Schulamt dies und zack hat ein Schüler sonderpädagogischen Förderbedarf.

Fragt man bei Schulämtern nach, halten diese sich bedeckt oder behaupten schwammig, das Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs werde seriös durchgeführt und nicht alle, die in das Raster geraten, bekommen dann wirklich den Status – also vielleicht nicht 95 %, sondern nur 70-80 %.

Hierzu nimmt das Statistische Bundesamt BW leider keine Stellung.

Dafür ergeben sich aus dem Gutachten aber andere sehr interessante Schlüsse:

Steigende Anzahl von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, bei fast identischem Bestand von Kindern an Sonderschulen

Aus den Darstellungen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg wird allerdings Inklusion insgesamt ad absurdum geführt:

https://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2019013?fbclid=IwAR0UF0yXu81KmP_xSNXMIjM3dDmR20RZvJtC39lsxIYgIux3tDMCHCxauLE

Das ist eine Steigerung bei sonderpädagogischem Förderbedarf von 11 %!

Nehmen wir also erst einmal den Gesamtbestand von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

  • 2015 gab es 52.500 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf,
  • jetzt sind es 58.300.

Das ist eine Steigerung bei sonderpädagogischem Förderbedarf von 11 % und indiziert ganz deutlich, was ich sagte: Normale Kinder werden mit sonderpädagogischem Förderbedarf ausgestattet, um an Ressourcen zu gelangen!

Schauen wir auf die Sonderschulen:

  • In den Sonderschulen waren vor Einführung der Inklusion 52.500 Kinder,
  • aktuell sind es 49.700 Schüler.

Bei einer Gesamtanzahl von 58.300 Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden also aktuell gerade einmal 8.600 Schüler inklusiv beschult. D. h. gerade einmal 14 % der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf besuchen Inklusionsklassen, was deutlich indiziert, dass die bereitgestellten Ressourcen für wirklich behinderte Kinder nicht ausreichen. 

Damit ist die Inklusion, bei der es ja darum ging, allen behinderten Kindern einen Zutritt zu normalen Schulen zu gewährleisten, gescheitert!

Dies wird auch daran deutlich, dass gerade einmal 6 % weniger Kinder als vor der Inklusion in Sonderschulen beschult werden!

Im Ergebnis heißt dies:

  • Die meisten Kinder, die aktuell inklusiv beschult, sind „neue behinderte Schüler“ – in Wirklichkeit sind diese Kinder aber nicht behindert, sondern werden für behindert erklärt, um an Ressourcen zu gelangen.
  • Gleichzeitig wird nur eine ganz geringe Anzahl wirklich behinderter Schüler inklusiv beschult. 49.700 sind nach wie vor in Sonderschulen, weil die Ressourcen für wirklich behinderte Schüler nicht ausreichen.

Damit ist Inklusion nichts als Augenwischerei!

Rechtsanwalt Andreas Zoller

Anwalt für Schulrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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