Solar Millennium AG: Der Vortrag des Insolvenzverwalters

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Der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Böhm informierte die Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger der Solar Millennium AG vom 15. Mai 2012 in Erlangen mit ca. 530 Besuchern: Die Solar Millennium AG sei die Mutter von ca. 60 Beteiligungen gewesen. Der Betrieb habe in Projekten von Parabolrinnenkraftwerken mit der Kombination eines thermischen Speichers bestanden.

1. Echte Investitionen und Weichkosten - Anleiheforderungen geprüft
2. Bei einem Betrieb aus Aktenordnern mit Rechten: Sanierung sinnlos
3. Flagsol: Wert ein Euro
4. Solar Millennium Invest AG
5. Blue Tower - 150.000 €
6. Andasol 3
7. Solanda - 11 Mio. € zur Masse denkbar
8. Arenales Solar - 14 Mio. € zur Masse denkbar
9. Vermögenstatus USA
10. Barvermögen bei der Solar Millennium AG - 9 Mio. €
11. Haftung von den Vorständen und Aufsichtsräten
12. 25 Mio. Euro zur Masse möglich
13. Beraterverträge
14. D & O-Versicherung
15. Sachverhaltsaufklärung
16. Quote
17. Rechtliche Wertung für Prospekthaftungsansprüche

Es sei im Wesentlichen um die folgenden drei Prestigeobjekte gegangen: Andasol 3, Spanien, Arenal und Blyth in Kalifornien. Ausgegeben worden seien insgesamt acht Anleihen über 293 Millionen €. Für die Anleihen 1, 2 und 3 seien ca. 70 Millionen € zurückgezahlt worden. Offen seien noch die Anleihen 4, 5, 6, 7 und acht.

Nach der konsolidierten Bilanz seien die Umsätze insgesamt hoch ausgewiesen gewesen. Das habe daran gelegen, dass die Projekte, die angearbeitet waren, bilanziell als Umsatz gewertet wurden. Über die Vermögenslage sage dieses nichts aus.

1. Echte Investitionen und Weichkosten - Anleiheforderungen geprüft
120 Millionen € seien echt investiert worden. An Verbindlichkeiten gebe es 302 Millionen €. Es wurden Forderungen angemeldet in Höhe von 495 Millionen €. Es gebe ca. 17.000 Gläubiger aus Inhaberschuldverschreibungen. Die Forderungen der Anleihegläubiger seien alle geprüft.

2. Bei einem Betrieb aus Aktenordnern mit Rechten: Sanierung sinnlos
Dem Insolvenzverwalter sei die Frage gestellt worden, warum keine Sanierung erfolgt sei. Er führte aus, es habe sich vorliegend nicht um eine laufenden Betrieb gehandelt, sondern um einen Aktenordner mit Rechten. Es gebe keine Erfindungen, keine Marke, keine Produktionsmittel. Es bestehe kein Anlagevermögen. Für diese Geschäftsausstattung gebe es kein Geld. Diese sei mit Pfandrechten belegt.

3. Flagsol: Wert ein Euro
In Bezug auf die Beteiligungen bestehe eine an der Flagsol in Höhe von 66 %. Diese habe 120 Mitarbeiter und keinen Auftrag. Der Wert sei angesetzt bei einem Euro.

4. Solar Millennium Invest AG
An der Solar Millennium Invest AG sei ein Anteil von 100 % gegeben. Allerdings sei dieses Wertpapierhandelsunternehmen ausschließlich tätig gewesen für die Solar Millennium AG.

5. Blue Tower - 150.000 €
Weiterhin gebe es einen Anteil in Höhe von 76 % an der Blue Tower. Hier seien 150.000 € auf dem Konto. Dieser Betrag stehe der Masse zu.

6. Andasol 3
In Spanien gebe es die Andasol 3. Die Beteiligung hieran sei mit null Euro zu bewerten.

7. Solanda - 11 Mio. € zur Masse denkbar
Es gebe sodann eine Beteiligung in Höhe von 100 % an der Solanda. Es könnte hier ein Wert in Höhe von 11 Millionen Euro zur Masse kommen. Derzeit werde dieser Wert aus Vorsichtsgründen aber mit null Euro bewertet.

8. Arenales Solar - 14 Mio. € zur Masse denkbar
Hier gebe es ein Konsortium mit 60 Banken. Möglich sei hier ein Wert in Höhe von 14 Millionen € für die Masse.

9. Vermögenstatus USA
Hier waren Anteile in Höhe von 70 % an der Solar Trust of America LLC mit Sitz in Oakland gegeben. Es wurde ein Insolvenzverfahren nach Chapter 11 eingeleitet.

Es sollten 15 Millionen € als Sicherheit an die kalifornische Energiebehörde geleistet werden. Dieses sei nicht erfolgt. Es bestehe dort ein Finanzbedarf in Höhe von 1,5 Milliarden $ insgesamt für dieses Projekt. Die vorhandenen Rechte würden nach Chapter 11 versteigert. Es komme da vermutlich nichts bei raus.

Insgesamt sollen 80 Mio. € für dieses Projekt in die USA geflossen sein. Es stelle sich die Frage nach der Zulässigkeit einer derartigen Verwendung.

10. Barvermögen bei der Solar Millennium AG - 9 Mio. €
Ein Betrag von 1,35 Millionen € sei vorhanden gewesen. Eine Rechnung in Höhe von 4,8 Millionen € sei noch nach dem Insolvenzantrag gezahlt worden. Ca. 4 Millionen € seien auf den Konten der Solar Millennium AG als unverpfändeter Geldbetrag verfügbar gewesen. Ca. 9 Mio. stehen damit derzeit zur Verfügung.

11. Haftung von den Vorständen und Aufsichtsräten
Die Haftung von den Vorständen und Aufsichtsräten werde untersucht. Es seien 5000 Protokollseiten gesichtet worden. Es gehe hier um die Feststellung von Ansprüchen des Unternehmens gegenüber den Vorständen und Aufsichtsräten. Es gehe hier nicht um die Feststellung von Schadensersatzansprüchen der Anleger gegen die Aufsichtsräte und Vorstände. Darum müssten diese sich über Anlegeranwälte selbst kümmern.

Zu bewerten sei, ob Fehlentscheidungen bei den Organen festzustellen seien, die justiziabel seien.

12. 25 Mio. Euro zur Masse möglich
Es bestehe eine Aktiva von 49 Mio. €. 25 Mio. € könnten hiervon zur Masse gezogen werden.

Diese 25 Millionen € würden Verwendung finden für Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 230 Millionen € an Anleiheverbindlichkeiten. Daraus ergab sich der ca.-Betrag von einer möglichen Quote von 10 %.

In welchem Umfang die denkbaren Erlöse aus Solanda, Arenales Solar und dem freien Barvermögen in diese 25 Mio. € fließen, wurde aus den Ausführungen nicht deutlich.

13. Beraterverträge
Für Beraterverträge seien bis zu 2 Millionen € jährlich ausgegeben worden. Die Beraterverträge würden daraufhin geprüft, ob entsprechende Gegenleistungen erfolgt seien.

14. D & O-Versicherung
Eine D & O Versicherung hafte bis zu 20 Millionen € für Forderungen der Gesellschaft gegenüber den Organen.

15. Sachverhaltsaufklärung
Der Insolvenzverwalter teilte mit, die Sachverhaltsaufklärung wolle er für die Anleger zur Verfügung stellen, soweit dieses erforderlich sei. Getäuscht fühlende Anleger müssten allerdings ihre Forderungen selber gegenüber Dritten geltend machen. Die Staatsanwaltschaft müsse auch ermitteln. Diese werde unterstützt. Das Insolvenzverfahren selber könne 3-5 Jahre dauern, vielleicht auch länger. Die Forderungen der Anleger seien jetzt geprüft.

16. Quote
Eine Quote sei sicher, unklar sei nur, in welcher Höhe. Sie könnte zwischen 3 % und 10 % liegen.

Soweit eine knappe Wiedergabe der einstündigen Ausführungen des Insolvenzverwalters auf der Gläubigerversammlung in Erlangen.

17. Rechtliche Wertung für Prospekthaftungsansprüche der Anleger
Die aufklärungsbedürftigen Weichkosten stellten sich mit 46 % danach wie folgt dar:
293 Millionen € Anleihevolumen abzüglich:
70 Mio. € Rückzahlung für die Anleihen 1-3, das gab per Saldo:
223 Mio. € sollten für Investitionen vorhanden sein, die Differenz war:
120 Mio. €, dieses waren echte Investitionen. Folglich waren
103 Mio. € also Weichkosten. Rechnung: 223 - 120 = 103 = Weichkosten 46 %.

Über die verlusterhöhende Funktion der Weichkosten wurden die Anleger nicht ausreichend aufgeklärt. Ein Höchstaufklärungsrisiko über die Möglichkeit eines Totalverlustes ersetzt nicht die Aufklärung über ein spezielles Weichkostenrisiko. Erforderlich war daher ein Hinweis auf den Umfang der weichen Kosten und darauf, dass die weichen Kosten die Chance auf eine mögliche Rentabilität zusätzlich mindern.

In dem Präzedenzurteil vom 01.03.2004, II ZR 88/02 heißt es nämlich:

„Zwar sind in der Aufstellung‚ Investitionsplan und Finanzierung' die Kosten, Vergütungen und Honorare tabellenartig aufgeführt, jedoch so unübersichtlich und unstrukturiert, dass jedenfalls ein durchschnittlicher Anleger daraus kaum erkennen konnte, dass beispielsweise allein die Vorausfinanzierung mit erheblichen Zusatzkosten, wie Vermittlungskosten, einer Zwischenfinanzierungsbürgschaft sowie Fremdkapitalnebenkosten und Zinsgarantie, belastet ist, welche noch einmal über 65 % der erforderlichen Zinsaufwendungen ausmachen. In gleicher Weise gilt dies für die nicht näher spezifizierten Kosten für ‚Schließungsgarantie', ‚Treuhandschaft', ‚Mittelverwendungskontrolle', ‚Sonstige Kosten' und ‚Liquiditätsreserve', welche zusammen über 1,2 Mio. DM betragen, deren Entstehung und Verwendung letztlich unklar bleibt und wodurch die Chance auf eine mögliche Rentabilität der Geldanlage zusätzlich gemindert wird vgl. hierzu Sen. Urt. v. 29. Mai 2000 - II ZR 280/98, ZIP 2000, 1296, 1298."

Dieser Hinweis, dass durch die Weichkosten „die Chance auf eine mögliche Rentabilität der Geldanlage zusätzlich gemindert wird", musste wörtlich im Prospekt stehen. Insbesondere das Wort „zusätzlich" durfte nicht fehlen.

Zu diesem Umstand tritt hinzu, dass für den postalischen Vertrieb von Schuldverschreibungen erfahrungsgemäß Kosten von ca. 36 % an Portokosten entstehen. Dieses dürfte auch für Solar Millennium gegolten haben.

Der überwiegende Anteil des Erlöses aus den Erstemissionen wird bei einem Schneeballsystem daher für die Folgeemissionen verwendet. Die Vor- und Erstemissionen bestehen daher im Wesentlichen aus nichtinvestiven Weichkosten.

Zwischenzeitlich wurden für mehrere Dutzend Solar-Millennium-Geschädigte aus der Emission 2009 Prospekthaftungsklagen gegen die Verantwortlichen eingereicht.

Der Anspruch stützt sich darauf, dass ein Schaden eingetreten ist und der Prospekt falsch war. Über die Funktionen der Weichkosten wurde nicht aufgeklärt.

Zahlreichen Rechtsschutzversicherungen haben Kostendeckungszusagen erteilt. Bei der Interessengemeinschaft „Solar Millennium", vertreten durch die Kanzlei der Rechtsanwälte Robert, Kempas, Segelken, Bremen, www.anwalt-a.de können sich Geschädigte unter der Telefonnummer 0421/321121 oder bei dem 24-h-Dienst unter 0172/4107745 informieren. Möglich ist auch eine Meldung per SMS unter 0172/4107745 mit dem Stichwort „Solar Millennium". Es erfolgt dann Rückruf. Die Kanzlei vertritt die meisten Geschädigten von Solar Millennium AG.



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