Sozialplan & Abfindung: Keine Abfindung bei nahender Rente?

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Wird ein Betrieb stillgelegt, sind soziale Härten für betroffene Arbeitnehmer*innen durch die betriebsbedingten Kündigungen mit einem Sozialplan abzufangen. Allerdings werden z.B. im Zusammenhang mit Sozialplanabfindungen häufig Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitenden gemacht.

Aber sind Ungleichbehandlungen im Sozialplan möglich, auch wenn sie z.B. an das Alter der Betroffenen anknüpfen? Darüber entschied 2019 das Bundesarbeitsgericht in einem Fall aus Hamburg (BAG, Beschluss v. 07.05.2019, Az.: 1 ABR 54/17).

Erzwungener Sozialplan der Einigungsstelle

Wird ein Betrieb stillgelegt, ist unter bestimmten Voraussetzungen ein Sozialplan aufzustellen. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich darin einigen, wie wirtschaftliche Nachteile für diejenigen abgefangen werden, die wegen der Betriebsstilllegung eine Kündigung erhalten. Die Spielräume dafür sind dabei grundsätzlich relativ groß.

Werden sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einig, ist ein Sozialplan aber notwendig, kann ein Sozialplan durch einen Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden, § 112 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Dass dann Arbeitnehmervertretung und Arbeitgeberseite mit dem Ergebnis oft nicht einverstanden sind, liegt in der Natur der Sache. Insofern werden erzwungene Sozialpläne nicht selten vor Gericht angegriffen, z.B. wegen der Unwirksamkeit einzelner Klauseln.

Der Fall vor dem BAG

So auch im Fall vor dem BAG. Hier stritten ein Arbeitgeberunternehmen und der Betriebsrat über die Wirksamkeit eines erzwungenen Sozialplans. Grundsätzlich sah der Sozialplan für gekündigte Arbeitnehmer*innen Abfindungen vor. Keine Abfindung sollten aber Mitarbeitende erhalten, die

  • direkt nach Ausscheiden in Rente gehen oder
  • im Anschluss an ALG I-Zahlungen in Rente gehen.

Letzteres sollte auch gelten, wenn diese Regelung wegen einer kürzeren Beschäftigungsdauer zu weniger Altersrente führt.

Mit dieser Regelung war der Betriebsrat nicht einverstanden. Der Spruch der Einigungsstelle über den Sozialplan sei unwirksam: die entsprechende Regelung, die Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer*innen ausschließt, sei eine unzulässige Altersdiskriminierung.

BAG: Regelung im Sozialplan wirksam  

Die Gerichte waren sich allerdings nicht darüber einig, ob und in welchem Umfang diese Regelung des Sozialplans wirksam bzw. unwirksam wäre. Das Arbeitsgericht hielt die Klausel für wirksam, die Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer ausschloss. Das Landesarbeitsgericht hingegen hielt die Klausel für nur teilweise wirksam. Also ging man vor das BAG.

Und das entschied: Die Regelung ist wirksam. Denn grundsätzlich müsse der Sozialplan einen angemessenen Ausgleich für die Härten des Stellenabbaus im Zusammenhang mit der Betriebsstilllegung schaffen. Exakt das sei hier der Fall gewesen, auch wenn rentennahe Mitarbeitende ggf. – anders als jüngere – keinen Anspruch auf eine Sozialplanabfindung erhalten würden. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung sei das nicht.

Warum keine Abfindung für rentennahe Mitarbeitende?

Inwieweit ein Ausgleich für Nachteile infolge der Betriebsstilllegung geschaffen werden muss – dafür sind nur die zu erwartenden Nachteile der betroffenen Mitarbeitenden maßgeblich. Bei der Umsetzung des Ausgleichs hat die Einigungsstelle außerdem einen Ermessensspielraum, welche Nachteile in welchem Umfang ausgeglichen werden sollen. Dabei kann die Einigungsstelle auch entscheiden, dass einzelne Nachteile bestimmter Betroffenengruppen gar nicht ausgeglichen werden müssen.

Diese Anforderung sei im konkreten Fall erfüllt. Denn einerseits sei Ziel des Sozialplans nur die Milderung der entstehenden Nachteile, nicht der Ausgleich aller entstehenden Nachteile für alle Betroffenen. Hinzu komme: gerade Sozialplan-Abfindungen hätten nur Überbrückungscharakter und wären als finanzielle Unterstützung bis zum Beginn einer neuen Tätigkeit gedacht. Kurz vor dem Renteneintritt sei damit eine solche Überbrückungsunterstützung deswegen nicht notwendig. Die absehbaren Rentenzahlungen (unmittelbar bevorstehend oder nach einem Jahr ALG I) würden das finanzielle Risiko der Betroffenen ausreichend abfangen.   

Dass von der Betriebsstilllegung betroffene Mitarbeitende im Sozialplan keine Abfindung zugesprochen bekommen, sei damit zwar eine Altersdiskriminierung. Sie sei aber gem. § 10 S. 3 Nr. 6 i.V.m. § 10 S. 2 AGG gerechtfertigt, weil die Betroffenen im Falle dieser konkreten Regelung anderweitig finanziell abgesichert seien.  

Diskriminierung kann zulässig sein

Dieser Fall zeigt deutlich: eine unterschiedliche Behandlung bestimmter Altersgruppen im Sozialplan ist möglich. Einzelne Betroffenengruppen können vollständig von Ausgleichszahlungen ausgeschlossen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Ungleichbehandlung im Sozialplan sachlich gerechtfertigt ist.

Insofern lohnt es sich immer, auch Regelungen eines erzwungenen Sozialplans genau von einem Rechtsanwalt prüfen zu lassen, um einen unnötigen Gang zu Gericht zu vermeiden oder einen aussichtsreichen Gang zu Gericht antreten zu können.

Sie haben Fragen zum Thema Sozialplan, Abfindung und Gleichbehandlung? Als Betroffene(r) Arbeitnehmer*in oder als Betriebsrat? Sprechen Sie mich gerne direkt an! Sie erreichen mich in Augsburg unter 0821/ 207 137 55 oder über das anwalt.de-Kontaktformular. 


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