Steigenden Rohstoffpreisen effektiv begegnen

  • 7 Minuten Lesezeit

Preisklauseln als Instrument zur intelligenten Vertragsgestaltung in der Lieferkette

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht Dr. Ulrich Rösch

Ausweislich der einschlägigen Wirtschaftspresse müssen sich Unternehmer vor dem Hintergrund der seit Monaten ansteigenden Rohstoffpreise bis Ende des Jahres auf weitere Preissteigerungen gefasst machen. Ein Ende der Preisexplosion bei Rohstoffen ist damit nicht in Sicht. Dabei lässt sich der Preisanstieg recht einfach nach allgemeinen wirtschaftswissenschaftlichen Grundsätzen erklären. Einschneidende Naturereignisse, die Blockade des Suezkanals durch die „Ever Given“ sowie die weltweite Corona-Pandemie wirkten sich auf die internationalen Lieferketten aus, die Lagerbestände an Rohstoffen nahmen ab, die Nachfrage aber stieg an. Industriebetriebe und Einzelunternehmer sehen sich aufgrund des Gefälles zwischen Angebot und Nachfrage nun mit immens steigenden Rohstoffpreisen konfrontiert, welches sich nicht nur auf den Abschluss neuer Verträge, sondern auch auf bestehende Lieferbeziehungen auswirkt.

Der vorliegende Beitrag soll deshalb einen Überblick geben, wie auf die aktuelle Situation auf den Rohstoffmärkten reagiert und den nachteiligen Konsequenzen in der Lieferkette durch eine entsprechende Vertragsgestaltung entgegengewirkt werden kann.

I. Grundsätzlich keine Preisanpassung nach den Grundsätzen zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)

Die aktuelle Situation auf den Weltmärkten lässt viele Unternehmer schmerzhaft spüren, dass sie im Rahmen bestehender Lieferbeziehungen ihre Verträge mit den Lieferanten beziehungsweise mit ihren Auftraggebern nicht optimal ausgestaltet haben. Wurden in diesen Fest- oder Stückpreise vereinbart, kann dies nun zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für Unternehmer führen, da eine Anpassung des vereinbarten Preises über die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage regelmäßig nicht möglich sein wird. Gem. § 313 BGB kann die Anpassung eines Vertrages verlangt werden, wenn sich vertragswesentliche Umstände schwerwiegend verändert haben, die Parteien den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen hätten, sofern sie von der Veränderung bei Vertragsschluss gewusst hätten und der Partei, die sich auf Anpassung beruft, nach den Umständen ein Festhalten an der Vereinbarung nicht zugemutet werden kann.

Als vertragswesentlicher Umstand kommt für den vorliegenden Fall die künftige Entwicklung der preisbildenden Rohstoffpreise in Betracht. Dieser Umstand, somit die Preisentwicklung, muss sich schwerwiegend geändert haben. An dieser Voraussetzung scheitert regelmäßig der Anspruch auf Preisanpassung. Zu hinterfragen ist nämlich, wer das Risiko für steigende Rohstoffpreise übernommen hat: Wurden keine Preisanpassungsklauseln verwendet, trägt das Beschaffungsrisiko und somit auch das Kostenrisiko der Verkäufer. Er ist aufgrund des Liefervertrags verpflichtet, die Ware zum zuvor vereinbarten Preis zu beschaffen. Zudem übernimmt im Falle eines vereinbarten Fest- oder Stückpreises der Leistende das Risiko, dass der Preis aufgrund diesen beeinflussender Faktoren nicht mehr wirtschaftlich ist.

II. Preisanpassungsklauseln als Mittel zur intelligenten Vertragsgestaltung

Dieses Risiko können sogenannte Preisanpassungsklauseln minimieren. Zu differenzieren sind dabei zunächst zwei Arten von Preisanpassungsklauseln: Einerseits kann zwischen den Parteien vereinbart werden, dass nach einer bestimmten Zeit eine neue Vereinbarung hinsichtlich des Preises getroffen werden soll. Andererseits kann aber auch eine Vereinbarung getroffen werden, welche eine automatische Anpassung des Preises beziehungsweise einen Anspruch auf Anpassung vorsieht. Letztere findet sich regelmäßig in sogenannten Gleit- oder Indexklauseln wieder. Mit deren Hilfe kann dynamisch auf sich verändernde Umstände - wie etwa Lieferengpässe und die dadurch steigenden Preisen für Rohstoffe – eingegangen werden.

1. Zulässige Preisklauseln nach dem PrKG

Preisklauseln sind zulässig, sofern sie mit den Bestimmungen des Gesetzes über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz, PrKG) übereinstimmen. Das PrKG kehrt dem noch im Preisangaben- und Preisklauselgesetz (PaPkG) enthaltenen Indexierungsverbot mit Genehmigungsvorbehalt den Rücken zu.

§ 1 Abs. 1 PrKG bestimmt zunächst, dass der Betrag von Geldschulden nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von andern Gütern und Leistungen bestimmt werden darf, die mit den vereinbarten Gütern und Leistungen nicht vergleichbar sind.

Dessen Abs. 2 enthält sodann für den vorliegenden Fall relevante, zulässige Klauseln:

Danach können

  • Leistungsvorbehaltsklauseln, 
  • Spannungsklauseln sowie
  • Kostenelementeklauseln,

für die Ausgestaltung von Vertragsbeziehungen herangezogen werden.

Doch selbst wenn eine Preisklausel gegen das PrKG verstoßen sollte, wird die verwendete Klausel erst unwirksam, sobald der Verstoß rechtskräftig festgestellt ist. Dies hat zur Folge, dass diese im Falle fehlender anderweitiger Vereinbarung bis zum Zeitpunkt der richterlichen Feststellung weiterverwendet werden dürfen.

a. Leistungsvorbehaltsklauseln

Hierbei handelt es sich um Klauseln, die hinsichtlich des Ausmaßes der Änderung des geschuldeten Betrages einen Ermessensspielraum lassen, § 1 Abs. 2 Nr. 1 PrKG. Die neue Höhe des geschuldeten Betrags kann sodann nach Billigkeitsgrundsätzen bestimmt werden. Das heißt, dass bei einer Änderung der Bezugsgröße der neue Preis nicht selbsttätig geändert wird. Vielmehr haben die Vertragsparteien oder ein hinzugezogener Dritter den neuen Preis zu vereinbaren.

à Bsp.: Ändert sich die Bezugsgröße X seit Vertragsschluss oder der letzten Anpassung um Y nach oben beziehungsweise unten, so ist die Höhe des geschuldeten Betrags zwischen den Vertragsparteien neu zu verhandeln.

b. Spannungsklauseln bzw. Gleitklauseln

Diese sind Klauseln, bei denen die in ein Verhältnis zueinander gesetzten Güter oder Leistungen im Wesentlichen gleichartig oder zumindest vergleichbar sind, § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKG. Die Höhe der Geldschuld wird damit abhängig gemacht von künftigen Preisen oder Werten gleichartiger Güter beziehungsweise Leistungen. Die Anpassung erfolgt automatisch.

à Bsp.: Ändert sich die Bezugsgröße X seit Vertragsschluss oder der letzten Anpassung um Y nach oben beziehungsweise unten, so ändert sich automatisch auch die Höhe des geschuldeten Entgelts um Y.

c. Kostenelementeklauseln

Dies sind Klauseln, nach denen der geschuldete Betrag insoweit von der Entwicklung der Preise oder Werte für Güter oder Leistungen abhängig gemacht wird, als diese die Selbstkosten des Gläubigers bei der Erbringung der Gegenleistung unmittelbar beeinflussen, § 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKG.

Ändern sich etwa Rohstoffpreise oder Bestimmungen aus Tarifverträgen, so wird der vertraglich vereinbarte Preis entsprechend der Höhe des Preisanstiegs der Rohstoffe angepasst, als diese die Selbstkosten beeinflussen. Verwendet werden können etwa auch sog. Lohn- oder Materialgleitklauseln als Unterfall der Kostenelementeklauseln, um sich vor steigenden Material- und Lohnkosten zu schützen. In der Baubranche erfolgt häufig ein Verweis auf den Baukostenindex:

à Bsp.: Das Entgelt für die vereinbarte Bauleistung X ist abhängig von der Entwicklung des einschlägigen Baukostenindexes und erhöht sich jeweils zum Stichtag Y, soweit sich dieser auf die Kosten der vereinbarten Bauleistung auswirkt.

2. AGB-Kontrolle bei Preisklauseln

Werden Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet, können diese auch aus anderen Gründen unwirksam sein. Neben den Regelungen des PrKG ist auch das AGB-Recht anwendbar, sodass im B2B-Bereich insbesondere § 307 BGB eine entscheidende Rolle spielt (§ 310 Abs. 1 S. 2 BGB):

Werden Preisklauseln an bestimmte Bezugsgrößen gebunden, müssen diese Bezugsgrößen hinreichend klar und bestimmt sein. Formulierungen wie etwa der Bezug auf die „allgemeine wirtschaftliche Lage“ sind zu ungenau.

Handelt es sich bei den Klauseln – wie regelmäßig der Fall – nicht um eine Preisbildungs- sondern Preisanpassungsregelung, unterliegen diese auch der richterlichen Angemessenheitskontrolle, da sie sodann Preisnebenabreden darstellen. Anders als die unmittelbaren Preisabreden bestimmen sie nicht das Ob und den Umfang von Entgelten, sondern treten als ergänzende Regelungen, die lediglich die Art und Weise der zu erbringenden Vergütung und/oder etwaige Preismodifikationen zum Inhalt haben, „neben” eine bereits bestehende Preishauptabrede. Damit führt auch eine unangemessene Benachteiligung der anderen Vertragspartei zur Unwirksamkeit der Klausel.

Für den Verwender heißt dies letztlich Folgendes: Erweisen sich die Preisgleitklauseln als unwirksam, tritt an ihre Stelle die Preisvereinbarung bei Vertragsschluss und zwar für die gesamte Laufzeit des Vertrags.

III. Das wichtigste in drei Sätzen

  • Mittels Preisklauseln kann dynamisch auf sich verändernde Umstände in der Lieferkette eingegangen werden
  • Bei der Verwendung sind neben den Anforderungen des PrKG auch die Vorschriften zur AGB-Kontrolle zu berücksichtigen
  • Eine Anpassung über die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage wird regelmäßig erfolglos bleiben

IV. Abschließender Hinweis

Die vorstehenden Ausführungen ersetzen selbstredend nicht die Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt. Insbesondere sind bei der Vertragsgestaltung zahlreiche Einzelheiten zu berücksichtigen, sodass eine Betrachtung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls erforderlich und damit eine individuelle Beratung unerlässlich sind.

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