Straflosigkeit des unvorsätzlichen Entfernens vom Unfallort

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Die von den Fachgerichten, insbesondere dem Bundesgerichtshof für Strafsachen bislang vorgenommene Gleichsetzung des unvorsätzlichen Entfernens vom Unfallort mit dem berechtigten oder entschuldigten Entfernen ist verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kam das Bundesverfassungsgericht anhand der Verfassungsbeschwerde eines wegen Verstoßes gegen § 142 Abs. 2 Nr.2 StGB (wegen Unterlassens nachträglicher Feststellungen) verurteilten Beschwerdeführers. Dieser hatte nach den tatrichterlichen Feststellungen beim verbotswidrigen Überholen an einem Baustellenabschnitt Rollsplitt aufgewirbelt und dadurch an dem überholten Fahrzeug einen nicht unerheblichen Sachschaden verursacht. Er entfernte sich, ohne dem Geschädigten die erforderlichen Feststellungen ermöglicht zu haben. Da ihm nicht nachgewiesen werden konnte, die Schadensverursachung bemerkt zu haben, erfolgte eine Verurteilung, weil er dem Geschädigten, der ihn später an einer Tankstelle auf den Vorfall aufmerksam gemacht hatte, die erforderlichen Feststellungen nicht nachträglich ermöglicht habe. Diese Verpflichtung trifft denjenigen, der sich zunächst berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt, nicht aber – wie das Bundesverfassungsgericht nunmehr festgestellt hat – denjenigen, der sich vom Unfallort entfernt hat, ohne den Unfall überhaupt zu bemerken.


Es sieht hierbei vor allem die Grenze des möglichen Wortsinns überschritten und gelangt daher zu einem Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG. Schließlich soll der Betroffene vorhersehen können, welches Verhalten verboten bzw. mit Strafe bedroht ist. Die Entscheidung über strafwürdiges Verhalten ist vom Gesetzgeber im Voraus zu treffen, und zwar so, dass Anwendungsbereich und Tragweite des Straftatbestandes und dadurch in Grenzfällen zumindest das Risiko einer Bestrafung sich noch aus dem Wortlaut ermitteln lassen. Schließlich war weiter zu berücksichtigen, dass die nach § 142 Abs. 2 StGB begründeten Pflichten des Unfallbeteiligten weiter reichen als die Primärpflichten nach Abs. 1: Derjenige, der erst nachträglich durch Dritte von seiner Unfallbeteiligung erfahre, müsse im nachhinein ihn selbst belastende Handlungen vornehmen, die, wie bspw. die aktive Kontaktaufnahme mit der Polizei, über die Pflichten des am Unfallort Anwesenden hinausgehen. Dem Ausnahmecharakter des berechtigten oder entschuldigten Entfernens widerspricht es jedoch, auch denjenigen mit den hieraus resultierenden Pflichten zu belegen, der dieses Privileg nicht für sich in Anspruch nimmt.


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