Tarifvertrag kann zur Falle für Arbeitgeber werden

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Wenn ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt, der den Mitarbeitern einen sehr starken Kündigungsschutz ab einem bestimmten Alter und einer bestimmten Betriebszugehörigkeit einräumt, kann das dem Arbeitgeber auf die Füße fallen, wenn er doch kündigt und ihm dabei Fehler unterlaufen.

In einem eigentlich unkomplizierten Fall entschied das LAG Baden-Württemberg am 25.06.2014 (Sa 35/14) zugunsten einer Arbeitnehmerin, weil der Arbeitgeber in eine Falle getappt war.

Hier soll dieser Fall erörtert werden, da es sicher viele Arbeitgeber gibt, denen Einzelheiten, über die man stolpern kann, nicht geläufig sind.

Die Klägerin war schon älter als 40 Jahre alt und länger als 15 Jahre beschäftigt. Sie hatte somit die so genannte „Alterssicherung“ erreicht. D.h., die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses war nur noch aus wichtigem Grund möglich.

Anzuwenden war hier der TVöD. Weil die Arbeitnehmerin ihrer Chefin eine Ohrfeige androhte, die ggf. auch ihr Sohn ausführen könnte, kündigte der Arbeitgeber aus verhaltensbedingten Gründen außerordentlich mit sozialer Auslauffrist am 19.9.2013 zum 31.3.2014 und das war der Fehler. Sie gewann im Kündigungsschutzverfahren vor dem LAG (Revision war zugelassen).

Was war seitens des Gerichtes dem Arbeitgeber mitzuteilen bzw. vorzuwerfen?

Er hatte nicht bedacht oder gewusst, dass bei tariflich „unkündbaren“ Arbeitnehmern eine verhaltensbedingte Kündigung nur als fristlose Kündigung möglich ist. Das bedeutet, der Pflichtverstoß muss so groß sein, dass er diesen Schritt rechtfertigt. Ist er geringer, gibt’s keine Kündigung, sondern eine Abmahnung, die dann die fristlose Kündigung vorbereiten hilft.

Unter anderem führte das Gericht aus:

  1. Grundsätzlich ist die Kündigung „altersgesicherter“ Mitarbeiter möglich, allerdings gemäß § 626 BGB nur aus wichtigem Grund, wenn eine weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar wäre.
  2. Bei betriebsbedingten und personenbedingten Kündigungsgründen sind Fälle denkbar, bei denen eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre, wenn man die Kündigungsgrund an sich betrachtet. Diese ordentliche Kündigung ist durch den Tarifvertrag aber gerade ausgeschlossen, daher ist in diesen Fällen die „außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist“ möglich, denn die Altersgesicherten dürfen nicht schlechter gestellt werden als die, die noch keinen Altersschutz haben. Die soziale Auslauffrist entspricht der ansonsten geltenden Kündigungsfrist.
  3. In der Regel – also ohne den tarifvertraglichen Altersschutz – ist bei betriebs- und personenbedingten Kündigungsgründen die außerordentliche Kündigung eigentlich gar nicht möglich, denn die Beschäftigung bis zum Ende der Kündigungsfrist ist normalerweise zumutbar. Das Thema „außerordentliche betriebs-/personenbedingte Kündigung“ kommt ja nur durch den Tarifvertrag zustande, der eben nur noch die außerordentliche Kündigung zulässt.
  4. Bei verhaltensbedingter Kündigung ist das anders. Hier kann es beide Möglichkeiten geben. Die Schwere des Pflichtverstoßes gibt den Ausschlag dafür, welche Kündigungsart man wählt. Das bedeutet, dass bei einem weniger schweren Pflichtverstoß immer die ordentliche Kündigung zu wählen ist.
  5. Das geht aber gerade nicht mehr, wenn die Person altersgesichert ist. Aus diesem Grund ist bei Mitarbeitern, die tarifvertraglich nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden können immer nur dann eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt, wenn der Pflichtverstoß so krass ist, dass er eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Diese muss dann auch fristlos erfolgen und nicht mit sozialer Auslauffrist.

Da der Arbeitgeber aber mit Auslauffrist gekündigt hatte, konnte das „Vergehen“ nicht so schwer sein. Daher gab das LAG der Klägerin recht.


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