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Tatvorwurf "Fahrerflucht" – was nun ?

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Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Sie haben Ihren Pkw in einem engen und verwinkelten Parkhaus abgestellt. Beim Ausparken aus Ihrer Parklücke vernehmen Sie ein dumpfes Geräusch, das Sie jedoch nicht weiter zuordnen können. Ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen und ohne sich irgendeines Unrechts bewusst zu sein, verlassen Sie das Parkhaus und fahren nach Hause. Einige Tage später klingelt es an Ihrer Tür und zwei uniformierte Polizeibeamte werfen Ihnen vor, beim Ausparken auf das sich damals neben Ihnen geparkte Auto aufgefahren zu sein, was zu einem geringen Sachschaden geführt habe. Da Sie weggefahren sind, wird Ihnen nun vorgeworfen, Sie hätten sich unerlaubt von einem Unfallort entfernt gem. § 142 StGB.

Dieses umgangssprachlich auch als Fahrer- oder Unfallflucht bezeichnete Delikt ist eine der am häufigsten verletzten Strafvorschrift im Straßenverkehr und wird daher landauf landab konsequent von Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt.

Damit der gegen Sie erhobene Tatvorwurf des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort auch wirklich greift, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Es muss einen Unfall im öffentlichen Straßenverkehr gegeben haben

Unter öffentlichem Straßenverkehr stellt man sich erst einmal vor, dass hierzu nur Straßen gehören, auf denen man anderen fahrenden Kraftfahrzeugen begegnet, seien es Autobahnen, Bundesstraßen oder auch der fließende Stadtverkehr.

An dieser Stelle lohnt es sich aber, einen Blick auf unseren Fall zu werfen. Vielleicht kamen Sie im ersten Moment auf die Idee zu sagen, dass es sich bei einem Parkhaus doch gar nicht um den öffentlichen Straßenverkehr handelt. Doch, tut es. Zum öffentlichen Straßenverkehr gehören auch allgemein zugängliche Parkflächen und daher beispielsweise auch Parkhäuser. Es spielt auch keine Rolle, dass sich der Unfall beim Ausparken ereignet haben soll. Ein Unfall im Rechtssinne kann sich nämlich, so komisch sich das anhört, auch im ruhenden Straßenverkehr ereignen.

2. Sie müssen an diesem Unfall beteiligt gewesen sein

Das waren Sie als Fahrer des Fahrzeugs, das in unserem Fall ein anderes Fahrzeug angefahren haben soll, ohne Frage.

3. Es muss ein nicht völlig belangloser Schaden an einer anderen Sache eingetreten sein

Maßgeblich ist die Beschädigung des anderen Fahrzeugs. Sobald der Schaden einen Wert von ca. 25 Euro übersteigt, ist er nicht mehr belanglos im Sinne des Gesetzes und das Interesse der Staatsanwaltschaft an einer Verfolgung des vermeintlichen Übeltäters ist geweckt. In den allermeisten Fällen wird diese Obergrenze leicht um ein Vielfaches überschritten. Eine kleine Beschädigung des Lacks reicht hierfür schon aus.

4. Sie müssen den Unfallort unerlaubt verlassen haben

Das tun Sie in dem Moment, wenn Sie, wie in unserem Fall geschehen, einfach wegfahren, ohne dem Fahrzeughalter des anderen Pkw Mitteilung über den Unfall gemacht zu haben. Ihre Pflicht ist es nämlich, Feststellungen zu Ihrer Person, zu Ihrem Fahrzeug und zu Ihrer Unfallbeteiligung zu ermöglichen. Dazu hätten Sie zwingend am Unfallort bleiben müssen. Daraus können Sie schon entnehmen, dass beispielsweise ein Zettel an der Windschutzscheibe des beschädigten Pkw nicht ausreicht, um die Feststellungspflicht zu erfüllen.

In vielen Fällen wird der Fahrzeughalter des beschädigten Pkw gar nicht am Unfallort anwesend sein. Daher können Sie ihm auch schlecht eine Mitteilung machen. In so einer Situation wird aber von Ihnen verlangt, eine ausreichende Zeit am Unfallort auf die Rückkehr des anderen Fahrzeughalters zu warten. Ausreichend ist meist eine Wartezeit von 30 – 60 Minuten. Sind Sie jedoch – wie in unserem Fall – ohne überhaupt anzuhalten, einfach weggefahren, so haben Sie nicht ausreichend lange gewartet.

Aber selbst wenn Sie ausreichend Zeit an der Unfallstelle zugebracht hätten, ohne dass der Halter des von Ihnen beschädigten Fahrzeugs zu seinem Auto zurückgekehrt wäre, so wären Sie noch immer verpflichtet gewesen, unverzüglich nach Ablauf der Wartezeit den Unfall anzuzeigen. Dies hätte beispielsweise durch eine Kontaktaufnahme mit der Polizei geschehen können.

Nun werden Sie sich sicherlich denken, das ist ja alles recht und schön und vielleicht sogar zutreffend. Wenn ich das hier so mit den Schilderungen der Polizeibeamten vergleiche, bin ich wohl von einem Unfallort einfach weggefahren. Nur wie hätte ich denn warten können, wenn ich den Zusammenstoß, also den Unfall gar nicht bemerkt habe? Sie werden dem Tatvorwurf der beiden Polizeibeamten also entgegenhalten, dass Sie keine Mitteilung machen konnten, dass Sie nicht warten konnten, und dass Sie die Polizei auch nicht verständigen konnten, weil Sie gar nicht bemerkt haben, dass es überhaupt einen Zusammenstoß gab.

Dem werden Polizei und Staatsanwaltschaft jedoch in vielen Fällen entgegnen, dass es in Ihrem Fall einen Zusammenstoß gegeben hat, der nicht unbemerkt bleiben konnte, weil das Auto beim Unfall heftig gewackelt haben und auch ein Geräusch zu vernehmen gewesen sein muss.

An dieser Stelle setzt die Verteidigungsstrategie des auf diese Fälle spezialisierten Anwalts oft ein. Gemeinsam mit Ihnen wird genauestens hinterfragt, ob Sie den Zusammenstoß wirklich hätten bemerken müssen, denn die Strafen, die Ihnen bei einer Verurteilung drohen, tun richtig weh.

Neben einer Geld-/Freiheitsstrafe besteht die Gefahr, dass Sie Ihren Führerschein verlieren. Bei einem Schaden bis ca. 1.300,00 € kommt neben einer Geldstrafe auch ein Fahrverbot (keine Teilnahme am Straßenverkehr auf begrenzte Zeit) in Betracht. Liegt der Schaden darüber, müssen Sie die Entziehung der Fahrerlaubnis befürchten (Verlust der bestehenden Fahrerlaubnis und keine Teilnahme am Straßenverkehr bis zur Neuerteilung einer Fahrerlaubnis durch die Führerscheinbehörde). Ist der Führerschein erst einmal weg, so stehen Ihnen oftmals einige Hürden im Weg, um ihn wiederzuerlangen. Oftmals ist die Voraussetzung für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach deren Entziehung, dass Sie erfolgreich an einer Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (kurz „MPU“) teilgenommen haben.

Es muss daher das wichtigste Ziel sein, ein Fahrverbot oder zumindest die Entziehung der Fahrerlaubnis zu verhindern. Und hierfür bestehen in vielen Fällen beachtliche Erfolgschancen!

Nach Auswertung der polizeilichen Akten Ihres Falls und einer Besichtigung der möglicherweise an Ihrem Fahrzeug vorhandenen Beschädigungen, wird der nächste Schritt sein, in einem gemeinsamen Gespräch mit Ihnen zu erörtern, ob der Zusammenstoß wirklich so zwingend bemerkbar war, wie es Ihnen vorgeworfen wird. Dabei sollte die konkrete Fahrsituation besonders unter die Lupe genommen werden. Gab es beispielsweise in dem Parkhaus andere Lärmquellen, die den Zusammenstoß übertönten? War die Fahrbahn möglicherweise uneben, sodass Sie die Erschütterung nicht unbedingt hätten spüren müssen? In vielen Fällen macht es Sinn, zusätzlich ein Sachverständigengutachten bei einem Verkehrsunfallsachverständigen in Auftrag zu geben, um die eigene Position fundiert untermauern zu können. Mitunter kann es auch Sinn machen, dass der Sachverständige den eingetretenen Schaden begutachtet. Denn, wie bereits dargelegt, hat der Schaden maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Strafe und die Frage, ob Sie Ihren Führerschein behalten dürfen.

Sie sehen, in vielen Fällen kann es zwar einen Unfall gegeben haben. Dies muss jedoch noch lange nicht bedeuten, dass Sie sich wegen Fahrerflucht strafbar gemacht haben. Sollten Sie sich dem Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort ausgesetzt sehen, so ist es ratsam, einen auf diese Thematik spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen, damit dieser Sie dabei unterstützt, den Tatvorwurf auszuräumen. Oft kann so eine Bestrafung abgewendet oder zumindest „Schadensbegrenzung“ betrieben werden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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