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Überwuchs von Pflanzen: das störende Grün des Nachbarn

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Die Pflanzen sind zu dicht an die Grundstücksgrenze gepflanzt. Es vergehen Jahre. Das störende Grün des Nachbarn.

Irgendwann kann die Zeit kommen, kommen, dass die Pflanzen des Nachbarn von dessen Grundstück auf das eigene Grundstück wachsen.

Viele Jahre sind seit der Anpflanzung vergangen. Nach § 32 Berliner Nachbarschaftsgesetz steht dem betroffenen Nachbarn nur innerhalb von 5 Jahren nach Anpflanzung ein Beseitigungsanspruch zu, d. h. die vollständige Entfernung der störenden Pflanzen. Bei Hecken kommt es bei der Fristberechnung zusätzlich auf das Überschreiten der normierten Wachstumshöhe an.

Auch wenn ein Beseitigungsanspruch (Entfernung der gesamten Pflanze) nach vielen Jahren verfristet sein könnte, bestehen daneben gleichwohl weitere Ansprüche bezogen auf die Beseitigung des störenden Überwuchses auf dem eigenen Grundstück.

Ein Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 BGB.

Danach kann man den störenden Überwuchs selbst beseitigen. Dies hängt sicherlich von Umfang und Art des Überwuchses ab und ob man selbst in der Lage ist, die Beseitigung des Überwuchses durchzuführen (nicht jeder hat eine Ausbildung zum Gärtner oder verfügt über erforderliches Werkzeug). Eine Selbsthilfe birgt auch die Gefahr, dass die Pflanzen durch die Selbsthilfe insgesamt Schaden nehmen und dann der Nachbar Schadenersatz verlangt.

Es wird daher wünschenswert sein, wenn der Nachbar verpflichtet wird, die über die Grenze hin überragende Teile der Pflanzen zurückzuschneiden. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 BGB. Dieser Anspruch ist durch Landesrecht nicht einschränkbar (vergleiche BGH Urteil vom 22.02.2019- V ZR 163/18 =  Beck RS 2019, 4876, Rn. 22).

Wenn der Nachbar oder sein Rechtsvorgänger, d. h. derjenige, von dem er das Grundstück erworben hat, Bäume und Sträucher über Jahre so entwickeln und so wachsen lässt, dass diese über die Grundstücksgrenze hinaus in das Grundstück des anderen Nachbarn gewachsen sind, dann ist er Störer i. S. d. § 1004 Abs. 1 BGB. Der Eigentümer eines Grundstücks muss dafür Sorge tragen, dass die Zweige eines Baumes oder Strauches nicht über die Grenze eines Grundstücks hinaus wachsen (BGH, Urteil vom 14.06.2019, V ZR 102/18 = NJW - RR 2019, 1356, Rn. 12; BGH, Urteil vom 04.02.2005, V ZR, 142/04 = NZM 2005, 318).

Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB erfordert eine Beeinträchtigung i. S. d. § 910 Abs. 2 BGB. Erforderlich ist eine objektive Beeinträchtigung; nicht abzustellen ist auf das subjektive Empfinden der Partei (BGH, Urteil vom 14.11.2003, V ZR 102/03; BGH, Urteil vom 04.02.2005, V ZR 142/04; BGH, Urteil vom 22.02.2019, V ZR 136/18).

Der Begriff der Beeinträchtigung ist dabei weit zu verstehen. Nicht nur unmittelbare Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung, sondern auch mittelbare Beeinträchtigungen wie Laub- und Nadelabfall sind hierunter zu fassen (BGH, Urteil vom 14.06.2019, V ZR 102/18).  § 910 Abs. 2 BGB verdrängt insofern § 906 BGB als Maßstab (BGH, AAO).

Die fehlende Beeinträchtigung muss dabei der Eigentümer der störenden Pflanzung darlegen und beweisen (BGH, Urteil vom 04.02.2005, V ZR 142/04).

Der Überwuchs per se stellt schon eine Beeinträchtigung dar. Der Nachbar muss im Rahmen seiner Darlegungs- und Beweislast aufzeigen, dass der Überwuchs hinzunehmen ist (vgl. Landgericht Berlin, Urteil vom 17.09.2020 - AZ 37 S 14/19). Der störenden Nachbar kann sich auch nicht darauf berufen, dass sich der Zustand über Jahre hinweg entwickelt hat und daher hinzunehmen sei. Denn auch ein über Jahre erstreckender Wachstumsprozess stellt keine hinreichende Rechtfertigung für einen eintrenden Zustand dar, wenn hierdurch die Grenze des § 1004 BGB überschritten wird (vergleiche Landgericht Berlin, AAO.).

Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB obliegt der regelmäßigen Verjährung von 3 Jahren, § 902 Abs. 1, Satz 1 BGB findet keine Anwendung (BGH, Urteil vom 22.02.2019, V ZR 136/18; BGH, Urteil vom 14.06.2019, V ZR 102/18). Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus § 3 Berliner Nachbarrechtsgesetz, der vollständig auf die Verjährungsvorschriften des BGB Bezug nimmt.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen muss. Bei dem hier gegebenen Anspruch auf Beseitigung einer Störung entsteht dieser grundsätzlich in dem Zeitpunkt, in dem die Eigentumsbeeinträchtigung infolge des Wachstums der Äste einsetzt (BGH, Urteil vom 14.06.2019, V ZR 102/18). Abweichend davon kann die Verjährung auch dann beginnen, wenn die beeinträchtigende Wirkung durch Herüberragen der Zweige dadurch einsetzt, dass die Benutzung des betroffenen Grundstücks geändert wird (BGH, NJW 1973, 73). Für den Lauf der Verjährung ist der störende Nachbar darlegungs- und beweisbelastet, wenn er sich auf Verjährung beruft.

Der Beseitigungsanspruch steht unter dem Vorbehalt, dass ein solcher nach den landesrechtlichen Baumschutzsatzungen zulässig ist.

 



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