Unberechtigte Abmahnung – was kann der Arbeitnehmer tun, wenn er eine Abmahnung erhält?

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Regelmäßig stellt sich die Frage, wie darauf im Einzelfall am besten zu reagieren ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer die Abmahnung als ungerechtfertigt empfindet, weil sich etwa der Sachverhalt anders zugetragen hat oder weil seiner Meinung nach gar kein Fehlverhalten vorliegt. Vielleicht fragt er sich auch, was der Arbeitgeber als nächstes vorhat. Ist die Abmahnung womöglich ein Vorbote für eine verhaltensbedingte Kündigung? Dies wird im Folgenden schlagwortartig erläutert. 

1. Warum mahnt ein Arbeitgeber ab?

Jede Kündigung des Arbeitgebers unterliegt aufgrund gesetzlicher Reglung in § 1 Abs. 1 KSG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie stellt also das letzte Mittel dar und ist deshalb erst dann zulässig, wenn das Ziel (vertragsgerechtes Verhalten des Arbeitnehmers) nicht durch mildere Maßnahmen erreicht werden konnte. Deshalb ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Vertragsverletzungen zunächst als milderes Mittel eine Abmahnung auszusprechen, ehe er zur schärfsten Waffe, der Kündigung, greifen darf. 

Verhaltensbedingte Kündigungen des Arbeitgebers sind häufig ohne vorherige Abmahnung unwirksam. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn der Arbeitnehmer eine Straftat zum Nachteil des Arbeitgebers begeht (z. B. Diebstahl, Betrug oder Unterschlagung). In allen übrigen Fällen ergibt sich aus § 314 Abs. 2 BGB wie auch aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Arbeitgeber vor Kündigung zunächst den Arbeitnehmer abgemahnt haben muss. Ist der Arbeitgeber mit dem Verhalten oder der Leistung eines Arbeitnehmers unzufrieden und zieht eine Kündigung in Betracht, soll dieser zuvor durch Abmahnung in die Lage versetzt werden, sein Verhalten zu ändern.

Eine Abmahnung ist also die unmissverständliche Erklärung des Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer, dass er dessen pflichtwidriges Verhalten künftig nicht mehr hinnehmen wird. 

2. Welchen Inhalt muss eine Abmahnung aufweisen?

Eine Abmahnung muss einen beanstandeten Umstand konkret darstellen. Nur dann weiß der Arbeitnehmer, welches Verhalten der Arbeitgeber als nicht ordnungsgemäß ansieht. Der Arbeitgeber darf auch mehrere Pflichtverletzungen in einer Abmahnung zusammenfassen. Auch dann müssen allerdings sämtliche Verstöße, die dem Arbeitnehmer angelastet werden, konkret aufgezählt werden. 

Ferner muss die Androhung einer Sanktion im Wiederholungsfalle verständlich sein. Es bedarf also des Hinweises, dass dem Arbeitnehmer im Falle einer Wiederholung die Kündigung des Arbeitsverhältnisses drohen kann. 

3. Welche formellen Anforderungen sind zu beachten?

Für Abmahnungen bestehen keine Formvorschriften. Sie können also auch mündlich erteilt werden. Regelmäßig wird allerdings schriftlich abgemahnt. Zu Dokumentations- und Beweiszwecken ist dies auch anzuraten. 

Die Abmahnung als Vorstufe einer Kündigung kann von allen Mitarbeitern ausgesprochen werden, die für den Arbeitgeber das Direktionsrecht ausüben. Dies sind alle Mitarbeiter, die berechtigt sind, eine Kündigung zu erklären (z. B. Personalchef), unter Umständen aber auch der Vorgesetzte des Arbeitnehmers (z. B. Bauleiter) – selbstverständlich darf dies auch der Arbeitgeber selbst veranlassen (z. B. Vorstand, Geschäftsführer, Inhaber). 

4. Muss der Arbeitnehmer vorher angehört werden?

Entgegen einer verbreiteten Vorstellung ist der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer vor einer Abmahnung anzuhören. Die Abmahnung eines Arbeitnehmers ist ferner mitbestimmungsfrei, sodass der Betriebsrat nicht beteiligt werden muss. Ausnahmsweise gilt dann etwas anderes, wenn etwa ein Tarifvertrag die Anhörung ausdrücklich vorsieht. 

5. Innerhalb welcher Frist muss eine Abmahnung erfolgen?

Für die Abmahnung gilt keine konkrete Frist. Der Arbeitgeber kann also auch noch Wochen oder Monate nach dem Fehlverhalten zu diesem Schritt greifen. Eine zeitliche Begrenzung tritt erst durch Verwirkung ein, wenn ein sehr langer Zeitraum vergangen ist und der Arbeitnehmer aus anderen Gründen nicht mehr damit rechnen musste, dass der Arbeitgeber in diesem Vorfall noch abmahnen würde.

Es besteht ferner keine Frist, nach der die Abmahnung unwirksam wird. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. 

6. Was rechtfertigt eine Abmahnung?

Ob ein Fehlverhalten eines Arbeitnehmers eine Abmahnung rechtfertigt, unterliegt nächst einzig der Entscheidung des Arbeitgebers. Für den Arbeitgeber spielen regelmäßig mehrere Gesichtspunkte eine Rolle: die Schwere der Pflichtverletzung, die Wiederholung gleichartiger Pflichtverletzungen, das sonstige Verhalten des Arbeitnehmers oder das Verhalten der Belegschaft insgesamt. 

7. Wie kann der Arbeitnehmer gegen ungerechtfertigte Abmahnungen vorgehen?

Der Arbeitnehmer hat mehrere Möglichkeiten, wie er auf eine ungerechtfertigte Abmahnung reagieren kann. 

Er kann eine schriftliche Gegendarstellung verfassen („Gegenerklärungsrecht“). Der Arbeitgeber muss diese dann zur Personalakte nehmen, auch wenn er sie seinerseits für unzutreffend hält. Der Arbeitnehmer kann auch Beschwerde beim Betriebsrat erheben, sofern ein Betriebsrat vorhanden ist. Der Betriebsrat muss die Abmahnung dann überprüfen und erforderlichenfalls auf Abhilfe hinwirken. 

Vor allem aber ist der Arbeitnehmer berechtigt, die Abmahnung durch das zuständige Arbeitsgericht prüfen zulassen. Denn jede Abmahnung beeinträchtigt den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Rechtsstellung des Arbeitnehmers, der womöglich mit einer Kündigung rechnen muss. Sie kann sein berufliches Fortkommen behindern und sonstige Nachteile zur Folge haben. Wenn die Abmahnung zu Unrecht erfolgte oder Fehler enthält, kann der Arbeitgeber dazu verurteilt werden, sie aus der Personalakte zu entfernen. Dabei ist der Arbeitgeber für die Umstände der Abmahnung darlegungs- und beweisbelastet. 

Es besteht aber keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, gegen eine Abmahnung vorzugehen. Er darf nämlich im Falle einer späteren Kündigung im Kündigungsschutzprozess die der Abmahnung zugrundeliegende Pflichtverletzung bestreiten. Kommt es also später zu einer Kündigung, wird dann auch der Vorfall, der die unberechtigte Abmahnung veranlasst hat, gerichtlich überprüft. 

Es empfiehlt sich in jedem Einzelfall, kompetente arbeitsrechtliche Beratung einzuholen, welche Reaktion sinnvoll ist. Wenn Sie von solch einer Abmahnung betroffen sind, zögern sie nicht, unser Büro telefonisch oder per Mail zu kontaktieren. Wir nehmen dann Kontakt zu Ihnen auf, erörtern die Angelegenheit und beraten Sie über die gebotene Vorgehensweise.


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