Vererben oder schenken?

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In den letzten Jahren erhöht sich das verschenkte und vererbte Vermögen immer weiter. Die Gründe für eine Entscheidung, Vermögen „mit warmer Hand“ zu schenken oder auf den Erbfall zu warten, sind vielfältig und komplex. Wichtig sind hier vor allem auch die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Rahmenbedingungen. Der Beitrag stellt die wesentlichen Unterschiede zwischen Verschenken und Vererben dar (vgl. auch Steueranwaltsmagazin 6/2019).

Schenkungsvertrag oder Verfügung von Todes wegen?

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit zu schenken oder zu vererben. Wichtig für die Entscheidung sind hierbei die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten sowie die Folgen und Wirkungen der Übertragung.

Herrschaft trotz Übertragung

Der am leichtesten ersichtliche Unterschied zwischen beiden Übertragungsvarianten ist derjenige, dass bei der Schenkung das Vermögen bereits zu Lebzeiten übergeht. Oftmals will der Schenker aber Rechte zurückhalten, um Einfluss auszuüben, oder Erträge weiterhin zu erhalten, z. B. um die eigene Versorgung oder diejenige des länger lebenden Ehegatten sicherzustellen oder das jahrzehntelang aufgebaute Vermögen vor Dritten oder dem Bedachten selbst zu schützen. Gerade bei jungen Erwerbern ist die Motivation oft „der Schutz des Erwerbers vor sich selbst“.

Eine Möglichkeit des vorausschauenden Schenkers, die Schenkung zurückzufordern (abgesehen von den gesetzlich schon vorgegebenen Möglichkeiten) besteht darin, vertragliche Widerrufsgründe zu vereinbaren. Das Widerrufsrecht ist dabei ein Recht, das der Schenker erklären muss, sobald die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Praktisch oft vereinbarte Gründe sind beispielsweise:

  • das Vorversterben des Beschenkten vor dem Schenker,
  • die Heirat des Beschenkten ohne entsprechenden Ehevertrag,
  • die Drogen-/Alkoholabhängigkeit des Beschenkten oder
  • die Insolvenz des Beschenkten. Für den Fall der Insolvenz kann zur besseren Sicherung des Schenkers auch eine sogenannte auflösende Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB vereinbart werden. Dadurch wird im Insolvenzfall „automatisch“ das Geschenkte an den Schenker rückübertragen.

Besonders vorsichtige Schenker können grundsätzlich sogar einen freien Widerrufsvorbehalt vereinbaren. Dieses steht einer Schenkungsteuerpflicht allerdings nicht entgegen und löst weitere Probleme im Bereich der Unternehmensübertragung aus, die den Rahmen des Artikels sprengen würden.

Finanzielle Absicherung des Schenkers

Oftmals soll vor allem der Schenker finanziell weiterhin versorgt werden. Das Gestaltungsmittel ist in diesen Fällen das sogenannte Nießbrauchsrecht der §§ 1030 ff. BGB. Mit dem Nießbrauchsrecht ist der Schenker weiterhin dazu berechtigt, die Nutzungen der Sache (z. B. Miete, Pacht oder Gewinnausschüttung) zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB).

Der auf Lebenszeit vereinbarte Nießbrauch erlischt automatisch mit dem Tode des Berechtigten.

Verfügung von Todes Wegen

Für die Übertragung durch Verfügung von Todes wegen bieten sich dem Erblasser ebenfalls diverse Steuerungsmöglichkeiten an, wobei die beiden häufigsten hier die Testamentsvollstreckung sowie die Einsetzung eines Nacherben sind.

Testamentsvollstreckung

Der Erblasser kann mit der Testamentsvollstreckung gem. §§ 2197 ff. BGB in die ansonsten unbeschränkte Rechts- und Handlungszuständigkeit des Erben eingreifen. Der Erbe erwirbt mit dem Erbfall zwar das Eigentum an den Nachlassgegenständen, der vom Testamentsvollstrecker verwaltete Teil wird jedoch Sondervermögen und ist damit vom Vermögen des Erben abgetrennt. Hierdurch können beispielsweise Streitigkeiten bei der Verteilung von Vermächtnissen vermieden werden. Bei minderjährigen Erben kann auch ein Schutz der Erbmasse bis zur Volljährigkeit (oder länger) hierdurch gewährleistet werden.

Vor- und Nacherbschaft

Der Erblasser kann gem. § 2100 BGB einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe wird (Nacherbe), nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist (Vorerbe). Auch ein Vorerbe wird dabei Eigentümer der Nachlassgegenstände. Dieser Nachlass ist juristisch jedoch getrennt vom Vermögen des Vorerben. Zu beachten ist hierbei, dass bei Vor- und Nacherben jeweils die Erbschaftsteuer anfällt.

Minderjährige Erwerber

Bei minderjährigen Erwerbern, sei es einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, ist zu beachten, dass der Minderjährige durch vielfältige gesetzliche Regelungen geschützt ist. Es ist deshalb möglich, dass die Eltern für die Annahme oder die Ausschlagung von Erbschaft/Vermächtnis einer familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen.

Pflichtteil

Was geschenkt und wirksam übertragen wurde, gehört zunächst nicht mehr zum Nachlass und unterfällt damit nicht mehr dem Pflichtteil. Gesetzlich vorgesehen sind jedoch Pflichtteilsergänzungsansprüche (§§ 2325 ff. BGB) unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Je länger die Schenkung zurückliegt, umso weniger wird sie berücksichtigt. Nach 10 Jahren ist die Schenkung grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen.
  • Wertverluste des Schenkungsgegenstandes nach den Schenkungen gehen zulasten des Pflichtteilsberechtigten und Wertsteigerungen kommen diesem auch nicht zugute (Niederstwertprinzip § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Erbschaft- und Schenkungsteuer

Auch wenn die Besteuerung für Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen einheitlich dem ErbStG zu entnehmen sind, sind diese nicht in jedem Fall gleich. Beispielsweise ist der Versorgungsfreibetrag des § 17 ErbStG nur beim Erbfall von Bedeutung und Eltern gehören bei Erbschaften zu Steuerklasse I mit einem Freibetrag von € 100.000; ansonsten nur zur Steuerklasse II mit einem Freibetrag von € 20.000.

Unter Ehegatten ist grundsätzlich der Zugewinnausgleichsanspruch nicht steuerbar. Hier besteht bei hohen Vermögen die Möglichkeit der sogenannten „Güterstandsschaukel“.

Beim Familienheim gibt es steuerlich große Unterschiede zwischen der lebzeitigen Übertragung und der letztwilligen Übertragung mittels Testament:

  • Erben Kinder das Familienheim, besteht Steuerfreiheit, wenn dies von Todes wegen erfolgt und sie es danach 10 Jahre selbst nutzen. Zudem gibt es eine Begrenzung auf eine Wohnfläche von 200 m² (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG). Die Wohnflächenbegrenzung besteht nicht beim Ehegatten, jedoch die 10 jährige Behaltensfrist (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG).
  • Bei einer lebzeitigen Übertragung auf den Ehegatten besteht keine Behaltensfrist (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG). Es kann sich deshalb anbieten, das Familienheim zu schenken und nicht zu vererben (z. B. verbunden mit einem Recht zum Widerruf der Schenkung im Falle der Scheidung oder für den Fall des Vorversterbens des Beschenkten). Im letzteren Fall erwirbt der Schenker das Familienheim nicht (mit der Behaltensfrist), sondern erwirbt es aufgrund des Widerrufs und damit auch steuerfrei und ohne eine Frist. Diese Konstruktion steht jedoch seit Längerem in der Diskussion um eine Gesetzesänderung.

Fazit

Bei der Frage, ob Vermögen besser im Wege der Schenkung oder Erbschaft übertragen werden sollte, stellen sich vielfältige und komplexe Fragen. Da es immer eine Frage des Einzelfalles ist, lassen sich kaum generelle Aussagen treffen. Es gilt, in einem persönlichen Gespräch die Vor- und Nachteile miteinander abzuwägen und dabei auch oftmals die Verbindung von testamentarischer Gestaltung und lebzeitiger Schenkung.

Ihr Rechtsanwalt

Christian Keßler


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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