Vergütungspflicht, Entschädigung und Homeoffice in Zeiten von Corona / COVID-19

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Zurzeit sind viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer verunsichert. Homeoffice, Kinderbetreuung, Fürsorgepflicht, Entgeltfortzahlung und Vieles mehr sind Themen, die jetzt überall diskutiert werden.

1. Haben Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung, wenn der Arbeitgeber wegen Corona von der Arbeit freistellt?

Ja. Bei einer Freistellung durch den Arbeitgeber behalten Arbeitnehmer immer ihren Vergütungsanspruch.

2. Besteht ein Vergütungsanspruch, wenn Arbeitnehmer aus Furcht vor einer Corona-Ansteckung von sich aus zu Hause bleiben?

In diesem Fall verlieren die Arbeitnehmer den Vergütungsanspruch. Sie tragen grundsätzlich das sog. Wegerisiko. Bleiben Arbeitnehmer zu Hause, fehlen sie überdies unentschuldigt. Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht besteht auch bei drohenden Pandemien nicht. Das Fehlen kann bis zu einer Abmahnung oder Kündigung führen.

3. Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Arbeit im Homeoffice?

Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitnehmer dergestalt, zu Hause arbeiten zu können (Homeoffice) existiert nicht. Auch in diesem Fall läge – wenn der Arbeitnehmer zu Hause bleibt – eine Arbeitspflichtverletzung vor, die überdies auch zum Wegfall des Entgeltzahlungsanspruchs führt.

Natürlich können sich die Parteien einvernehmlich darauf verständigen, dass Arbeitnehmer vorerst von zu Hause arbeiten. Das setzt aber Einvernehmen voraus.

Bestehen schon Homeoffice-Regelungen im Betrieb, wird der Druck auf Arbeitgeber steigen, diese zumindest vorübergehend auszudehnen.

Die Anforderungen an eine zulässige Vereinbarung eines Homeoffice sind im Hinblick auf die Qualität der Arbeitsmittel oder des Arbeitsplatzes und in Bezug auf datenschutzrechtliche Aspekte recht hoch. Daher dürfte umgekehrt der Arbeitgeber auch nicht einseitig Homeoffice anordnen können. Auch das spricht für einvernehmliche Lösungen.

4. Ist der Arbeitgeber zur Vergütung verpflichtet, wenn Corona für einen Auftrags- oder Rohstoffmangel sorgt?

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das sog. Wirtschafts- und Betriebsrisiko. Das sind Fälle, in denen wegen Auftrags- oder Absatzmangel der Betrieb technisch weitergeführt werden kann, aber ein Arbeitsausfall eintritt. Ein solcher Fall liegt vor, wenn Lieferanten – z. B. aus Italien – ihre Vorprodukte nicht anliefern können und daher die Produktion ausfällt. Hier muss der Arbeitgeber weiterhin das Arbeitsentgelt zahlen. Dass er die (angebotene) Arbeitsleistung nicht verwerten kann – weil er keine Aufträge oder Vorprodukte aufgrund langer Lieferketten hat – fällt in sein Wirtschaftsrisiko.

5. Gilt bei einer Coronavirus-Erkrankung der übliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung? Wie verhält es sich, wenn lediglich der Verdacht auf eine Ansteckung vorliegt? Besteht während einer Quarantäne Arbeitspflicht?

Ist der Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt, hat er gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) wie jeder Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Erkrankungen für die Dauer von sechs Wochen.

Der Ablauf ist ein anderer, wenn gegen den am Coronavirus erkrankten Arbeitnehmer zugleich nach § 31 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein berufliches Tätigkeitsverbot angeordnet worden ist. Dann konkurriert der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers infolge des Tätigkeitsverbotes nach § 56 Abs. 1 IfSG. Danach wird derjenige, wer als Ausscheider einer Infektion, als Ansteckungsverdächtiger, als Krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne des § 31 Satz 2 IfSG einem Verbot der Ausübung seiner Arbeitstätigkeit unterliegt, vom Staat in Höhe seines Verdienstausfalls für die Dauer von sechs Wochen entschädigt (so in § 56 Abs. 2 und Abs. 3 IfSG geregelt).

Besteht lediglich der Verdacht auf eine Ansteckung, besteht auch hier ein Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG, wenn ein behördliches Beschäftigungsverbot nach § 31 IfSG angeordnet worden ist. Das Tätigkeitsverbot kann sich auf einzelne Arbeitnehmer oder behördlich definierte Gruppen beziehen.

Kausal für die Arbeitsverhinderung ist dann nicht die vermutete Krankheit als solche, sondern das Beschäftigungsverbot. Damit besteht dann kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Häufig wird überdies ja noch nicht einmal eine Krankheit vorliegen, da nur ein Verdachtsfall besteht.

Die Fälle der Quarantäne (geregelt in § 30 IfSG) sind gleich zu behandeln.

6. Besteht bei einer behördlichen Betriebsschließung der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer?

Wird der Betrieb – z. B. auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG – geschlossen, weil in Bezug auf den gesamten Betrieb oder Gruppen von Arbeitnehmern ein Infektionsrisiko besteht,

trägt der Arbeitgeber dann das Betriebsrisiko infolge behördlicher Maßnahmen – also der Betriebsschließung – wenn dieses Risiko der behördlichen Maßnahme im Betrieb durch dessen besondere Art angelegt gewesen war. Es kommt also auf die Eigenart des Betriebes an.

Auch das Flugverbot aufgrund einer Aschewolke oder wegen eines auf einem einzelnen Betrieb bezogenen Verbots wegen Smogalarms ist vom Arbeitgeber zu tragen.

Wird ein Bankbetrieb aufgrund aufsichtsrechtlicher Maßnahmen der BaFin vorübergehend eingestellt, muss der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlen

Nicht zum Betriebsrisiko gehören allgemeine Gefahrenlagen wie Kriege, Unruhen und Terroranschläge. Manche zählen dazu auch Epidemien.

Überträgt man die Grundsätze auf die Corona-Fallgestaltungen, liegt beispielsweise bei Hochschulen, bei denen notwendigerweise ein breiter Personenkontakt besteht, bei Kindertagesstätten, Schulen, allgemein zugänglichen öffentlichen Verwaltungen, bei Veranstaltungsunternehmen, bei Messen, bei Kaufhäusern usw. ohne weiteres die besondere Eigenart vor, dass Kontakt zu Menschen mit infektiösen Erkrankungen besteht. Ebenso ist es die Eigenart dieser Betriebe, dass eigene Mitarbeiter mit Menschen in Kontakt kommen, sich infizieren oder der Verdacht einer Infektion besteht und daher Betriebsschließungen ausgesprochen werden können. Das spricht aus meiner Sicht dafür, dass hier die Eigenart dieser Betriebe als das Betriebsrisiko des Arbeitgebers anzusehen ist, so dass der Arbeitgeber den Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer weitertragen muss.

Diese Grundsätze dürften auch in Krankenhäusern, Arztpraxen usw. gelten.

Das gibt die klare Indikation, dass in jedem Fall die Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG von Seiten der Arbeitgeber bzw. der Arbeitnehmer geltend zu machen sind, um den Versuch der Risikobegrenzung zu unternehmen. Diesbezügliche Anträge sollten gestellt werden.

7. Besteht ein Anspruch auf Entschädigung, wenn Arbeitnehmern aufgrund Corona verboten wird, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen?

Ja: Der Entschädigungsanspruch ist in § 56 Abs. 1 IfSG geregelt. Die Grundsätze sind oben bei Ziffer 5 dargestellt. Wichtig ist noch, dass der Arbeitgeber einen Vorschuss für die Entgeltzahlungen verlangen kann (so § 56 Abs. 12 IfSG), was insbesondere bei Kleinbetrieben interessant sein kann.

Anträge des Arbeitgebers auf Erstattung – der Arbeitgeber geht ja in Vorleistung – sind innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit aufgrund Beschäftigungsverbots gem. § 31 IfSG oder dem Ende der „Absonderung“ (mit Absonderung ist die Quarantäne nach § 30 IfSG gemeint) bei der zuständigen Behörde (Bezirksregierung) zu stellen, so regelt es § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG.

Neben den Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG tritt noch ein Anspruch nach § 616 BGB, wenn der Arbeitnehmer für eine vorübergehend kurze Zeit aus persönlichen – also subjektiven - Gründen verhindert ist, die Leistung zu erbringen.

Handelt es sich um ein Beschäftigungsverbot für ein Unternehmen in der Gesamtheit oder um eine allgemeine Pandemie, so liegt kein individuell in der Person liegendes Leistungshindernis vor (diesen Fall regelt § 616 BGB), sondern ein objektives Leistungshindernis. Dann dürfte die Norm nicht anwendbar sein.

8. Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn Arbeitnehmer lediglich mittelbar wegen Corona ihrer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen können?

Diese Konstellation tritt z. B. ein, wenn der Kindergarten Corona-bedingt vorübergehend schließt, die Eltern des Kindergartenkindes dessen Betreuung selbst organisieren müssen und es ihnen deshalb (zeitweise) unmöglich ist, ihre Pflicht zur Arbeitsleistung zu erfüllen.

Dies ist jedenfalls kein Fall, in dem ein Entschädigungsanspruch gem. IfSG in Betracht kommt. Der Arbeitgeber ist aber möglicherweise nach § 616 BGB zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. § 2 Abs. 1 Pflegezeitgesetz entnimmt die herrschende Meinung, dass ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen als eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ im Sinne des § 616 Satz 1 BGB an-zusehen ist. Die Vorschrift wird allerdings so verstanden, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur besteht, wenn (und nicht „soweit“) der Arbeitnehmer vorübergehend verhindert ist (vgl. Krause in HWK, 8. Auflage 2018, § 616 BGB, Rn. 37). Wird z. B. die Schließung des Kindergartens sogleich für zwei Wochen erklärt, besteht überhaupt kein Anspruch nach § 616 BGB.

Die Vorschrift ist im Übrigen abdingbar; ist im Arbeitsvertrag die Anwendung von § 616 BGB wirksam ausgeschlossen, muss der Arbeitgeber eine Entgeltfortzahlung nach dieser Vorschrift nicht befürchten.

Besteht ein Anspruch gem. § 616 BGB nicht, so können die betroffenen Arbeitnehmer weder auf „Pflegeunterstützungsgeld“ gem. § 44a Abs. 3 SGB XI noch auf „Krankengeld wegen Erkrankung des Kindes“ gem. § 45 SGB V hoffen – denn das Kind selbst ist ja weder krank noch pflegebedürftig (vgl. § 7 Abs. 4 PflegeZG in Verbindung mit §§ 14, 15 SGB XI).


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