Verhältnismäßigkeit der Kündigung – Mieter vs. Vermieterinteressen

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Fristlose Kündigungen des Mietvertrags wegen Zahlungsverzögerungen und Zahlungsrückständen von mehr als zwei Nettokaltmieten (§§ 543, 569 BGB) sind oftmals Streitpunkt vor Gericht. In einem Räumungs- und Zahlungsprozess tragen Vermieter für den fristlosen Kündigungsgrund die volle Darlegungs- und Beweislast. Gemäß § 543 Abs.1 BGB kann der Vermieter den Mietvertrag aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der beiderseitigen Interessen bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zumutbar ist. Vermieter ist zu empfehlen, den Einzelfall sorgfältig zu prüfen, um die Abwägungsentscheidung zu treffen.

Im Rahmen der gerichtlichen Prüfung wird überprüft, ob und in welchem Umfang eine fristlose Kündigung verhältnismäßig war. Maßgeblich ist die Schwere der jeweiligen Pflichtverletzung z. B. Nichtzahlung der Miete, stetig unpünktliche Mietzahlungen, Zurückhaltung der Betriebskostennachzahlung und Beleidigung des Vermieters oder Hausmeisters. Die jeweilige Einzelfallgruppe ist dann zu prüfen und auf die „Schwere“ zu bewerten. Eine fristlose Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 BGB bleibt unberührt.

In einem aktuellen Urteil vom 09.11.2016 (Urteil vom 09.11.2016 – VIII ZR 73/16) hat der für das Wohnraummietrecht zuständige 8. Zivilsenat entschieden, dass bei der Prüfung der fristlosen Kündigung eine Gesamtabwägung der berücksichtigenden Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen bleibt. Bisher liegt nur die Pressenotiz des vorbenannten Urteils vor. In diesem Fall ging es darum, dass einer der Beklagten die Hausverwaltung grob beleidigt hat. Die Prüfung eines fristlosen Kündigungsgrundes erfolgt bei anderen schweren Pflichtverletzungen analog. Die Beklagten haben sich auf die persönliche Härte berufen. Es war zu klären, ob persönliche Härtegründe außerhalb des Verfahrens gemäß § 765a ZPO zu prüfen sind.

Die Gründe persönlicher Härte – hier schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr – sind auch bei der Gesamtabwägung gemäß § 543 Abs.1 S.2 BGB zu prüfen. Dieses Urteil wird vermutlich dazu führen, dass die Tatgerichte eine tiefgehende Prüfung beim Vortrag solcher persönlicher Härtegründe auf der Abwägungsstufe vorziehen werden. Gleichwohl bleibt dem Vermieter das Recht vorbehalten, diesen Vortrag substantiiert zu bestreiten, so dass im Einzelfall über die durch den Mieter vorgetragenen Härtegründe Beweis zu erheben ist. Wie sich die konkrete Entscheidung in casu auf die gerichtliche Praxis auswirken wird, bleibt hier abzuwarten.

Im solch einem Fall obliegt es auch dem Gericht, den Mietervortrag sorgfältig zu prüfen.

Wir beraten Eigentümer und Hausverwaltungen bundesweit bei der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung der mietrechtlichen Ansprüche auf Zahlung, Räumung und Mieterhöhung.



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