Verschiedene Erkrankungen – trotzdem keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?

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Wenn ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, hat er gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das ergibt sich aus § 3 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Der Anspruch besteht allerdings nur für die Dauer von sechs Wochen. Ist der Arbeitnehmer länger an derselben Krankheit erkrankt, muss der Arbeitgeber ihn nicht weiter bezahlen.

Wer aber trägt die Beweislast für Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer ununterbrochen krankgeschrieben ist, aber an verschiedenen, aufeinanderfolgenden Krankheiten leidet? Hierüber hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG, Urteil v. 25.05.2016 – 5 AZR 318/15).

Einheit des Verhinderungsfalls entscheidend

Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls knüpft die Sechs-Wochen-Frist für die Entgeltfortzahlung nicht an einzelne, unterschiedliche Erkrankungen an, sondern an die Arbeitsverhinderung als solche.

Kommt während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine weitere Erkrankung hinzu, hat das keinen Einfluss auf die Dauer der Entgeltfortzahlung. Der Zeitraum verlängert sich hierdurch nicht, auch wenn es sich bei der neuen Krankheit um eine von der ersten Erkrankung unabhängige weitere Erkrankung handelt (z. B. erst schwere Grippe, dann während der Krankschreibung Steiß gebrochen). Nur in Fällen, in denen die ursprüngliche Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Zweiterkrankung bereits überstanden war, entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch, dann wiederum für sechs Wochen.

Hierfür ist aber Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer wenigstens für einige Stunden grundsätzlich arbeitsfähig ist, bevor erneut Arbeitsunfähigkeit eintritt. Außerdem darf das Grundleiden beider Erkrankungen nicht identisch sein.

Ist nicht zu klären, wann die neue Arbeitsunfähigkeit exakt begann, geht diese Unsicherheit zulasten des Arbeitnehmers. So urteilten die Richter des BAG.

Fall vor dem Bundesarbeitsgericht

Ein Arbeitnehmer war für sechs Wochen wegen einer Rückenerkrankung von seinem Hausarzt krankgeschrieben worden. Die Krankschreibung endete am Sonntag, den 20. Oktober. Schon am 17. Oktober ging der Arbeitnehmer erneut zum Arzt, wo er über Schulterbeschwerden klagte. Diese Beschwerden waren von der ursprünglichen Erkrankung unabhängig. Es lag auch kein gemeinsames Grundleiden vor.

Der Arzt stellte allerdings an diesem Tag keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, sondern erst am Montag, den 21. Oktober. Grund hierfür waren die besagten Schulterschmerzen. Der Arbeitnehmer behauptet, er sei wegen der Schulterbeschwerden nicht vor dem 21. Oktober arbeitsunfähig gewesen. Erst an diesem Tag habe er sich morgens an der Schulter gestoßen, was die Schmerzen verschlimmert habe. Er verlangt von seinem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung auch für den zweiten Krankschreibungszeitraum wegen der Schulterbeschwerden.

Beweislast für Beginn und Ende der AU trägt Arbeitnehmer

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Arbeitnehmer für den Zeitraum ab dem 21. Oktober keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hatte, auch wenn er grundsätzlich arbeitsunfähig erkrankt war.

Der Arbeitnehmer müsse nicht nur beweisen, dass er arbeitsunfähig sei. Er müsse außerdem Beweis dafür antreten, wann die jeweilige Arbeitsunfähigkeit begann und endete. Im Zweifel müsse er außerdem beweisen, dass er zwischen der ersten und der zweiten Arbeitsunfähigkeit wenigstens kurzzeitig arbeitsfähig war, um einen erneuten Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu haben.

In diesem konkreten Fall konnte auch der Hausarzt, der die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hatte, keine Angaben darüber machen, zu welchem Zeitpunkt exakt der Arbeitnehmer wegen der Schulterschmerzen tatsächlich arbeitsunfähig wurde. Genau diese Unsicherheit ging in diesem konkreten Fall zulasten des Arbeitnehmers.

Folgen für die Praxis

Arbeitnehmer verlieren unter Umständen ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie sich voreilig wegen einer neuen Erkrankung ein zweites Mal krankschreiben lassen.

Nur wer zwischen einer Erkrankung und einer weiteren Erkrankung von insgesamt mehr als sechs Wochen wenigstens kurzfristig arbeitsfähig war und das beweisen kann, hat Anspruch auf maximal sechs weitere Wochen Entgeltfortzahlung.

Sie sind wegen unterschiedlicher Erkrankungen insgesamt länger als sechs Wochen krankgeschrieben? Ihr Arbeitgeber verweigert Ihnen die Entgeltfortzahlung, obwohl Sie zwischendurch wieder fit waren? Sprechen Sie mich gerne an! Ich prüfe für Sie, ob ein einheitlicher Verhinderungsfall vorliegt oder nicht, und setze ggf. Ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung für Sie durch. Rufen Sie mich an unter der angegebenen Telefonnummer an oder schreiben Sie mir eine Nachricht über das anwalt.de-Kontaktformular!


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