Versetzung? Nicht alles ist erlaubt!

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Nicht jeder ist erfreut, wenn er plötzlich in eine weit entfernte Stadt versetzt wird. Trotzdem nehmen Arbeitgeber häufig wenig Rücksicht auf die persönlichen Vorlieben ihrer Mitarbeiter. In manchen Fällen muss man sogar die Absicht vermuten, dass der Mitarbeiter bei einer Versetzung von sich aus kündigt und sich das Unternehmen so eine teure Abfindung erspart.

Wann darf der Arbeitgeber einen Mitarbeiter versetzen?

Im Prinzip hat der Arbeitgeber ein Weisungsrecht. Dies bedeutet, er kann einem Mitarbeiter durchaus eine neue Aufgabe zuweisen. Dazu kann auch ein neuer Einsatzort gehören. Allerdings muss das Unternehmen bei einer Versetzung eine ganze Anzahl von Einschränkungen beachten. Dazu gehören:

  • die Anhörung eines Betriebsrats
  • die Beachtung des Arbeitsvertrags
  • eventuell vorhandene Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
  • das „billige Ermessen“ der Versetzung
  • einschlägige Gesetze und Rechtsprechung

Was ist beim Arbeitsvertrag zu beachten?

Arbeitsverträge enthalten oft eine Versetzungsklausel. In dieser wird festgeschrieben, dass das Unternehmen den Mitarbeiter in einem bestimmten Rahmen versetzen darf. Da diese Klauseln eine erhebliche Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen, unterliegen sie strikten Anforderungen. So muss eine derartige Klausel zum Beispiel besonders hervorgehoben sein, um Gültigkeit zu haben. Auch die Möglichkeit der Zuweisung einer geringwertigeren Beschäftigung darf nicht in einer Versetzungsklausel vorhanden sein. In vielen Fällen halten die Klauseln einer genauen Prüfung daher nicht stand. Selbst wenn die Vereinbarung selbst rechtskonform ist, können sich aus dem Gesamtzusammenhang des Arbeitsvertrages ebenfalls Aspekte ergeben, die eine Versetzung trotz entsprechender Klausel verbieten. Es lohnt sich daher, bei einer unerwünschten Versetzung als erstes den Arbeitsvertrag von einem Spezialisten prüfen zu lassen.

Was ist „billiges Ermessen“?

Eine Versetzung muss nach „billigem Ermessen“ vertretbar sein. Dies bedeutet, dass die Interessen des Unternehmens und des Arbeitnehmers in angemessener Weise gegeneinander abgewogen werden. Eine Versetzung die ohne jede Rücksicht auf die familiäre oder soziale Situation des Mitarbeiters angeordnet wird, erfüllt dieses Kriterium nicht. Daraus ergibt sich, dass jede Versetzung im Einzelfall geprüft werden muss.

Darf der Mitarbeiter eine Versetzung verweigern?

Das Bundesarbeitsgericht hatte in der Vergangenheit das Leistungsverweigerungsrecht bei Versetzungen stark eingeschränkt. In 2012 wurde eine Entscheidung veröffentlicht, nach welcher Mitarbeiter einer Versetzung so lange Folge zu leisten haben, bis Gerichte über eine eventuelle Unbilligkeit entschieden haben. Diese stark kritisierte Entscheidung wurde 2017 durch ein gegenteiliges Urteil des Bundesarbeitsgerichts wieder revidiert. Danach müssen Mitarbeiter einer offensichtlich unbilligen Versetzung des Arbeitgebers nicht nachkommen und können die Leistung verweigern.

Trotz dieser eindeutigen Vorgabe können wir Arbeitnehmern jedoch nur empfehlen, sehr vorsichtig mit der Leistungsverweigerung umzugehen. Sollten die Gerichte im Nachhinein feststellen, dass die Versetzung nicht unbillig war, droht dem Mitarbeiter eine Abmahnung oder sogar die Kündigung. Außer in extremen Fällen empfiehlt es sich, die Versetzung unter Vorbehalt anzunehmen und einen erfahrenen Anwalt einzuschalten. Bei einem positiven Ausgang des Verfahrens für den Arbeitnehmer, kann dieser im Anschluss Schadenersatz für die unrechtmäßige Versetzung fordern.

Welche Möglichkeiten hat der Betriebsrat?

Sofern im Unternehmen ein Betriebsrat existiert muss dieser vor jeder Versetzung gehört werden. Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Einspruchsmöglichkeiten des Betriebsrats und führt verschiedene Gründe auf, auf Basis derer die Versetzung abgelehnt werden kann. Dem Betriebsrat steht für den Widerspruch eine Frist von einer Woche nach offizieller Kenntnis der Versetzungspläne zur Verfügung. Wenn diese Frist abgelaufen ist, gilt die Zustimmung automatisch als erteilt. Sollte der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, bleibt dem Arbeitgeber noch die Möglichkeit zur Klageerhebung. Die Gerichte müssen dann entscheiden, ob die Ablehnung des Betriebsrats rechtmäßig war. Für Arbeitnehmer, die mit einer Versetzung nicht einverstanden sind, lohnt sich also der Gang zum Betriebsrat.

Versetzung als bequemer Weg unliebsame Mitarbeiter loszuwerden („kalte Kündigung“)

In manchen Fällen drängt sich der Verdacht auf, dass Unternehmen die Versetzung nutzen, um unliebsame Mitarbeiter loszuwerden. Der mit einer Versetzung verbundene Aufwand, sowie die sozialen und familiären Nachteile bringen Arbeitnehmer häufiger dazu, lieber von sich aus zu kündigen. Die Unternehmen ersparen sich dadurch einen häufig schwierigen Kündigungsprozess oder eine teure Abfindung. Arbeitnehmer sollten diese Problematik bereits bei der Unterschrift unter einen Arbeitsvertrag bedenken. Wenn dieser eine rechtmäßige Versetzungsklausel enthält, kann dadurch unter Umständen der Kündigungsschutz ausgehebelt werden.

Empfehlungen für Arbeitnehmer

Wenn Sie als Arbeitnehmer mit einer unerwünschten Versetzung konfrontiert werden, empfehlen wir folgendes Vorgehen:

  1. Lehnen Sie die Versetzung nicht sofort ab und bedingen Sie sich Bedenkzeit aus
  2. Machen Sie sich genaue Notizen über das Gespräch und die Bedingungen der Versetzung
  3. Unterschreiben Sie nichts, bis sie mit einem Anwalt gesprochen haben
  4. Lassen Sie sich nicht durch Drohungen einschüchtern oder durch Versprechen beeinflussen
  5. Informieren Sie sich über ihre Rechte und fragen Sie einen Anwalt mit Schwerpunkt Arbeitsrecht

Im Zweifel empfehlen wir, die Versetzung unter Vorbehalt anzunehmen und gleichzeitig Klage einzureichen, sofern Sie der Meinung sind, dass die Versetzung Sie unbillig benachteiligt. Da eine Leistungsverweigerung zur Kündigung führen kann, sollten Sie diesen Weg nur in extremen Fällen gehen. Falls sich die Versetzung als unrechtmäßig herausstellt, steht Ihnen Schadenersatz zu.

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Kanzlei Christopher Müller & Kollegen

Arbeitsrecht und Versetzungen

Rastatt • Bühl


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