Vertragsärztliches Zulassungsrecht bei der Übernahme von Arztpraxen durch Investoren

  • 6 Minuten Lesezeit

1. Investment Arztpraxis

Professionelle Investoren interessieren sich für den Erwerb von (Zahn-)Arztpraxen, MVZ´s oder Laboren. Es kann sich dabei um strategische Investoren handeln, die eine Vielzahl von medizinischen Leistungserbringern unter einem Dach zusammenfassen wollen, oder Finanzinvestoren wie Family Offices oder Private Equity-Gesellschaften, die ihr Portfolio im Healthcare-Bereich ergänzen wollen.

Durch das Urteil des Bundessozialgerichts v. 26. Jan. 2022 (B 6 KA 2/21 R) wurde jedenfalls die Gründung von MVZ's durch Vertragsärzte wesentlich erschwert.  Mit welchen regulatorischen Rahmenbedingungen demgegenüber Inverstoren bei der Übernahme von Praxen konfrontiert sind (vgl. auch BSG, Urt. v. 25. Okt. 2023 – B 6 KA 26/22 R), soll in diesem Beitrag betrachtet werden.


2. Grundfälle des Investorenkaufs

Im Regelfall erwirbt der Investor eine Arztpraxis durch eine investorengetragene MVZ-Träger-GmbH. Dabei haben sich drei Grundfälle des Investorenkaufs als besonders praxisrelevant erwiesen:

  1. Einzelpraxis soll verkauft werden,
  2. BAG soll verkauft werden (Anteile oder Einzelwirtschaftsgüter),
  3. MVZ-Träger-GmbH soll verkauft werden,

wobei der Planungsbereich wie in der Praxis häufig jeweils „zu“ (d.h. gesperrt) ist.


3. Übernahme einer Einzelpraxis

Die Übernahme der Wirtschaftsgüter einer Einzelpraxis stellt einen sog. Asset Deal dar, bei dem der Käufer die einzelnen Vermögensgegenstände der Praxis erwirbt.

Für die Übertragung des Kassensitzes wird in der Praxis im Regelfall auf die sog. "Verzichtslösung" zurückgegriffen. Die regulatorischen Anforderungen sind Folgende:

  • Verzichtserklärung des verkaufenden Arztes (formlos)
  • Antrag auf Beschäftigung als angestellter Arzt (§§ 95 Abs. 9 SGBV, 32b Ärzte-ZV)
  • Arbeitsvertrag
  • aktueller unterschriebener Lebenslauf
  • Führungszeugnis (Belegart „O“)
  • Nachweis des Bestehens eines ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes (§§ 95e SGB V, 113 VVG)
  • ggf. Genehmigung als Zweigstelle durch die KV (§ 24 Abs. 3 Ärzte-ZV)

Bei einer Einzelpraxis mit angestellten Ärzten besteht daneben das sog. „Huckepack-Verfahren": Die Übertragung der genehmigten Arztstellen durch den Verzicht ist ggf. nach der jeweiligen Verwaltungspraxis durchführbar (ggf. analog § 24 Abs. 7 S. 2 Ärzte-ZV).

Soweit der Verzicht aus subjektiven Gründen oder wegen einer entgegenstehenden Verwaltungspraxis nicht möglich ist: Ausschreibung des Vertragsarztsitzes und dabei ggf. Benachteiligung im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V (vgl. BSG, Urt. v. 25. Okt. 2023 – B 6 KA 26/22 R).


4. Übernahme einer Gemeinschaftspraxis (BAG)

Ob die Übernahme als Anteilsverkauf (Share Deal) oder als Verkauf der Einzelwirtschaftsgüter (Asset Deal) strukturiert wird, ist aus zulassungsrechtlicher Perspektive unerheblich, da die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nicht an die Anteile an der Personengesellschaft (BAG) gebunden ist, sondern an die jeweilige Person. 

Bei BAG‘s ohne Angestellte bietet sich zunächst die „Verzichtslösung“ an.

Wurden der BAG Anstellungsgenehmigungen erteilt, kommt es darauf an, ob nach der jeweiligen Verwaltungspraxis das sog. „Huckepack-Verfahren“ möglich ist (siehe schon oben unter 3).

Sonst muss ggf. der Weg einer etwas aufwendigeren Umwandlung der Personengesellschaft in eine GmbH gegangen werden.


a. Verzichtslösung

Erste Variante: Es gibt schon ein investorengetragenes MVZ: Da eine Ausschreibung und Bewerbung durch das MVZ wegen § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V ggf. problematisch ist, kommt zunächst ein Verzicht der Gesellschafter nach § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V zugunsten der Anstellung in Betracht.

Regulatorische Anforderungen hierfür sind:

  • Verzichtserklärungen (formlos)
  • Antrag auf Beschäftigung angestellter Ärzte (§§ 95 Abs. 9 SGB V, 32 b Ärzte-ZV)
  • Arbeitsverträge
  • aktueller unterschriebener Lebenslauf
  • Führungszeugnis (Belegart „O“)
  • Nachweis des Bestehens eines ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes (§§ 95e SGB V, 113 VVG)-
  • ggf. Genehmigung als Zweigstelle durch die KV (§ 24 Abs. 3 Ärzte-ZV)


Zweite Variante: Ein MVZ muss erst noch gegründet werden. Der Zulassungsantrag für das MVZ sowie die Anträge auf Anstellungsgenehmigungen richten sich nach §§ 95 Abs. 2 S. 5 SGB V, 18 Ärzte-ZV (Verweis in § 32b Abs. 2 Ärzte-ZV). 

Dabei ist es zunächst – jedenfalls aus zulassungsrechtlicher Perspektive – nicht von großer Bedeutung, ob die Träger-GmbH zunächst von der Käufer- oder der Verkäuferseite gestellt wird.

Die regulatorischen Anforderungen sind Folgende:

  • Gesellschaftsvertrag der GmbH (Satzung)
  • Nachweis der Gründereigenschaft (vgl. bspw. § 108 Nr. 2 SGB V)
  • Qualifizierte Sicherheitsleistung (vgl. § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V)
  • Arbeitsverträge mit angestellten Ärzten (bzw. „Vertrag“ mit den im MVZ tätigen Vertragsärzten), ggf. aktueller unterschriebener Lebenslauf, Führungszeugnis (Belegart „0“)
  • Arztregisterauszüge gemäß § 18 Abs. 1 S. 3a Ärzte-ZV (ggf. entbehrlich)
  • Vereinbarung über die ärztliche Leitung
  • Nachweis des Bestehens eines ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes (§§ 95e SGB V, 113 VVG)


Exkurs: Anforderungen an den GmbH-Gesellschaftsvertrag (Satzung) aus zulassungsrechtlicher Perspektive:

  • Gegenstand des Unternehmens (ggf. Beschränkung auf den Betrieb eines MVZ bzw. ggf. weiterer MVZ)
  • Beschränkung der Gesellschafter auf natürliche und juristische Personen, die zulässige Gründer eines MVZ sein können (vgl. § 95 Abs. 1a sowie Abs. 6 S. 4) sowie Beschränkung von Abtretungen an die gleiche Voraussetzung (Vinkulierung)
  • Regelungen zum „ärztlichen Leiter“
  • Verpflichtungen der Gesellschafter, selbstschuldnerische Bürgschaften zu stellen
  • Einziehung von Geschäftsanteilen bzw. Verpflichtung zu deren Abtretung, wenn in der Person eines Gesellschafters die Gründereigenschaft im Sinne von § 95 Abs. 1a und Abs. 6 Satz 3ff. SBG V wegfällt (bspw. Tod und Erbfall)
  • Im Rahmen der Liquidation können ggf. die der Gesellschaft erteilten Anstellungsgenehmigungen zu Gunsten der angestellten Ärzte verwertet werden (Umwandlung, sonst Ausschreibung).

Ist die „Huckepack“-Übertragung der Anstellungsgenehmigungen für angestellte Ärzte je nach der Verwaltungspraxis des zuständigen Zulassungsausschusses ggf. möglich, bedarf es darüber hinaus:

  • Antrag auf Beschäftigung eines angestellten Arztes (§§ 95 Abs. 9 SGB V
  • § 32b Ärzte-ZV)
  • Arbeitsverträge der bisherigen Angestellten sind ggf. nicht vorzulegen (§ 613a BGB)
  • weitere Anforderungen sind ggf. zu erfragen 


b. Umwandlung

Kommt eine Übertragung auf die oben genannte Weise nicht in Betracht, sollte eine Umwandlung der Personengesellschaft in eine GmbH geprüft werden.

Da eine Ausschreibung wegen der Benachteiligung nicht arztgetragener MVZ gemäß § 103 Abs. 4c S. 5 SGB V nicht unproblematisch ist, ist hier die Umwandlung der Personengesellschaft (PartG, eGbR) in eine GmbH ebenfalls ein gangbarer Weg.

Die Umwandlung nach dem UmwG (hier in der Variante „Formwechsel“) ist die Veränderung der rechtlichen Struktur eines Unternehmens ohne Liquidation mit Herbeiführung einer Gesamtrechtsnachfolge.

Der Formwechsel erfolgt identitätswahrend (§§ 190 ff UmwG), so dass er zunächst keine Auswirkung auf den Bestand der Zulassungen und Anstellungsgenehmigungen hat.

Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen der Umwandlung:

  • Notariell beurkundeter Formwechselbeschluss
  • Zustimmung der Gesellschafter
  • Satzung der entstehenden GmbH (inhaltliche Anforderungen an
     MVZ-Trägergesellschaft siehe oben)
  • Sachgründungsbericht und Werthaltigkeitsbescheinigung
  • Anmeldung der neuen Gesellschaftsform zum Handelsregister
  • Wirksamkeit des Formwechsels mit Eintragung der neuen Gesellschaftsform in das Handelsregister

Die Umwandlung macht auch eine Synchronisation des Formwechsels mit den entsprechenden zulassungsrechtlichen Entscheidungen notwendig.

Regulatorische Voraussetzungen - wie bereits dargestellt, richten sich Zulassungsantrag und Anträge auf Genehmigung der Anstellung von Ärzten nach § 18 Ärzte-ZV; beizufügen sind:

  • Formwechselbeschluss
  • Zustimmung der Gesellschafter
  • Qualifizierter Gesellschaftsvertrag der GmbH (Satzung)
  • Nachweis der Gründereigenschaft (vgl. bspw. § 108 Nr. 2 SGB V)
  • Qualifizierte Sicherheitsleistung (vgl. § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V)
  • Anträge auf Beschäftigung angestellter Ärzte (§§ 95 Abs. 9 SGB V, § 32b Ärzte-ZV)
  • Anmeldung der neuen Gesellschaft zum Handelsregister
  • Gesellschafterliste
  • Nachweis über Eintragung ins Handelsregister
  • Arbeitsverträge mit bisherigen Gesellschaftern; ggf. aktueller unterschriebener Lebenslauf, Führungszeugnis (Belegart „0“)
  • Arztregisterauszüge gemäß § 18 Abs. 1 S. 3a Ärzte-ZV
  • Vereinbarung über die "ärztliche Leitung"
  • Nachweis des Bestehens eines ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes (§§ 95e SGB V, 113 VVG)

Hiernach wird ein Anteilsverkauf durchgeführt, der bereits zuvor aufschiebend bedingt vereinbart werden kann.


5. Übernahme eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ)

Grundsätzlich kann jeder, der die Gründerberechtigung i. S. von  § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V hat, Gesellschaftsanteile an der MVZ-GmbH übernehmen, sei es durch Abtretung (§ 15 GmbHG) oder Kapitalerhöhung (§ 55 GmbHG), soweit letzterem nicht die Verwaltungspraxis des zuständigen Zulassungsausschusses entgegensteht.

Der Übernahme von Gesellschaftsanteilen und (ggf.) Beitritt zu der Gesellschaft muss dem Zulassungsausschuss angezeigt werden.

Nach § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V ist im Falle des Beitritts zu der Gesellschaft eine qualifizierte Bürgschaftserklärung abzugeben oder sonst Sicherheit zu stellen.

Einer Genehmigung bedarf es nicht.


6. Resümee

Im Rahmen der oben dargestellten Transaktionsstrukturen hat es sich bewährt, die regulatorischen Anforderungen zuvor mit der jeweiligen Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses abzustimmen.

Bewährt hat sich auch die Einreichung einer Art Exposé, in welchem diese nochmal dargestellt wird.

Foto(s): iStock


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Alexander Dorn

Beiträge zum Thema